Fermi-Beobachtungen von Zwerggalaxien liefern neue Einblicke in Dunkle Materie

Diese kugelförmige Zwerggalaxie im Sternbild Fornax gehört zu den zehn untersuchten Exemplaren der aktuellen Studie. (ESO / Digital Sky Survey 2)
Diese kugelförmige Zwerggalaxie im Sternbild Fornax gehört zu den zehn untersuchten Exemplaren der aktuellen Studie. (ESO / Digital Sky Survey 2)

Es gibt mehr im Universum, als das Auge wahrnehmen kann. Etwa 80 Prozent der Materie im Universum sind für Teleskope unsichtbar, dennoch zeigt sich ihr gravitativer Einfluss in den Orbitalgeschwindigkeiten von Sternen um Galaxien und in den Bewegungen von Galaxienhaufen. Trotzdem weiß nach Jahrzehnten voller Bemühungen niemand, was „Dunkle Materie“ wirklich ist. Viele Wissenschaftler denken, dass das Rätsel wahrscheinlich mit der Entdeckung neuer Arten subatomarer Teilchen gelöst werden wird – Arten, die sich zwingend von den Teilchen unterscheiden, aus denen die Atome der gewöhnlichen Materie um uns herum bestehen. Die Suche danach, diese Partikel zu registrieren und zu identifizieren, ist in Experimenten rund um den Erdball und darüber hinaus in vollem Gange.

Wissenschaftler haben in Daten des Fermi Gamma-ray Space Telescope nach Signalen von einigen dieser hypothetischen Teilchen gesucht, indem sie sich auf zehn kleine, schwache Galaxien konzentrierten, die unsere eigene Galaxie umkreisen. Obwohl keine Signale registriert wurden, hat eine neue Analysetechnik diese Partikelkandidaten erstmals grundsätzlich ausgeschlossen. Die Analysetechnik wurde auf Daten angewandt, die das Large Area Telescope (LAT) an Bord von Fermi in einem Zeitraum von zwei Jahren gesammelt hatte.

„Als Folge davon komprimiert die LAT-Analyse den theoretischen Bereich, in dem sich diese Partikel verstecken können“, sagte Jennifer Siegal-Gaskins, eine Physikerin am California Institute of Technology in Pasadena (Kalifornien) und Mitglied der Fermi LAT Collaboration. Am 2. April erörterte sie die neuesten Ergebnisse der weltraumbasierten Suche nach Dunkler Materie in einem Gespräch auf einem Treffen der American Physical Society (APS) in Atlanta (Georgia).

WIMPs oder Weakly Interacting Massive Particles (schwach wechselwirkende, massereiche Teilchen) repräsentieren eine favorisierte Klasse von Kandidaten für Dunkle Materie. Einige WIMPs könnten sich gegenseitig auslöschen, wenn Partikel-Paare miteinander wechselwirken, ein Prozess, von dem man annimmt, dass er Gammastrahlen – die energiereichste Form von Licht – erzeugt, für deren Beobachtung das LAT entwickelt wurde.

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Video-Link: https://youtu.be/JAjqRIsmTjE

Credit: NASA’s Goddard Space Flight Center

„Einer der besten Orte, um nach diesen schwachen Gammastrahlensignalen zu suchen, sind kugelförmige Zwerggalaxien, kleine Satelliten unserer eigenen Milchstraßen-Galaxie, die große Mengen Dunkler Materie besitzen“, erklärte Siegal-Gaskins. „Aus astrophysikalischer Sicht sind es ausgesprochen langweilige Systeme mit wenig Gas für die Bildung von Sternen und ohne Objekte wie Pulsare oder Supernova-Überreste, die Gammastrahlen emittieren.“

Dazu liegen viele Zwerggalaxien weit von der Ebene unserer Galaxie entfernt, die ein breites Spektrum diffuser Gamma-Emissionen erzeugt, welche sich über den gesamten Himmel erstrecken. Die alleinige Auswahl von Zwerggalaxien in großen Entfernungen zu dieser Ebene hilft bei der Minimierung von Interferenzen durch die Milchstraße.

Das Team untersuchte Gammastrahlen mit Energien im Bereich von 200 Millionen bis 100 Milliarden Elektronenvolt (GeV), die das LAT innerhalb von zwei Jahren in zehn der rund zwei Dutzend Zwerggalaxien registriert hatte, welche die Milchstraße umkreisen. Anstatt die Ergebnisse jeder Galaxie separat zu analysieren, entwickelten die Wissenschaftler eine statistische Methode, „joint likelihood analysis“ genannt, die alle Galaxien auf einmal berücksichtigt, ohne die Daten miteinander zu verbinden. Es wurde kein Gammastrahlensignal gefunden, das mit den Auslöschungen übereinstimmt, welche man bei vier unterschiedlichen Typen der erachteten WIMP-Partikel erwartet hatte.

Die Resultate zeigen erstmals, dass WIMP-Kandidaten innerhalb eines spezifischen Massebereichs und mit spezifischen Interaktionsraten keine Dunkle Materie sein können. Eine Studie, die diese Ergebnisse im Detail beschreibt, erschien am 9. Dezember 2011 in den Physical Review Letters.

„Die Tatsache, dass wir zehn Zwerggalaxien auf einmal betrachten, verbessert nicht nur die Statistik, sondern macht die Analyse auch weniger anfällig gegenüber Fluktuationen im Gammastrahlungshintergrund und gegenüber Unsicherheiten in der Art und Weise, wie sich die Dunkle Materie um die Zwerggalaxien verteilt hat“, sagte Maja Llena Garde, eine Studentin an der Stockholm University in Schweden und Co-Autorin der Studie.

Unter allen gegebenen Eigenschaften eines Dunkle-Materie-Teilchens hat die Verteilung der Teilchen einen entscheidenden Einfluss auf das erwartete Gammastrahlensignal, ein Aspekt, der in vorherigen Studien oft unzureichend behandelt wurde, wenn überhaupt.

Die Bewegungen der Sterne in einer Zwerggalaxie zeichnen das Profil des Halos aus schwerer Dunkler Materie nach, in den sie eingebettet sind, aber diese winzigen Galaxien besitzen oft nur sehr wenige Sterne, die man verfolgen kann. Die Folge davon ist eine Unsicherheit bezüglich der Art und Weise, wie die Dunkle Materie entlang der Sichtlinie zu der Zwerggalaxie verteilt ist, was die erwartete Dichte der vom LAT registrierten Gammastrahlen beeinflusst. Durch Berücksichtigung von Unsicherheiten in den Dunkle-Materie-Profilen der Zwerggalaxien gehören die Ergebnisse des LAT-Teams zu den [bislang] präzisesten.

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Video-Link: https://youtu.be/kwjNTNKQZw4

Credit: NASA’s Goddard Space Flight Center

„Ein wichtiger Teil dieser Arbeit ist, dass wir in der Lage sind, die statistischen Unsicherheiten einer neuen Studie über die Bewegungen der Zwerggalaxien zu nehmen und sie in die LAT-Datenanalyse zu integrieren“, sagte Johann Cohen-Tanugi, ein Physiker am Laboratory of the Universe and Particles der University of Montpellier 2 in Frankreich und Mitglied des Forschungsteams.

„Diese Aufbereitung stellt einen bedeutenden Schritt nach vorne dar und wir hoffen, dass zukünftige Studien unserem Beispiel folgen werden“, betonte Co-Autor Jan Conrad, ein Professor für Physik an der Stockholm University.

Das Team ist derzeit dabei, die Zwei-Jahres-Analyse mit neuen Analysen zu ergänzen, die zusätzliche Beobachtungszeit von Fermi, Verbesserungen der Empfindlichkeit des LATs und die Einbeziehung energiereicherer Gammastrahlen umfassen. Außerdem könnten aktuelle Himmelsdurchmusterungen neue Zwerggalaxien entdecken, die in zukünftige Studien eingeschlossen werden können.

An den Gesprächen über Fermis Arbeit zum Thema Dunkle Materie nahmen auch andere Mitglieder der LAT-Collaboration teil, Alex Drlica-Wagner und Elliott Bloom vom Kavli Institute for Particle Astrophysics and Cosmology (KIPAC), die gemeinsam am SLAC National Accelerator Laboratory und der Stanford University in Kalifornien tätig sind.

Am 3. April hielt William Atwood, ein Physiker am Santa Cruz Institute for Particle Physics der University of Santa Cruz, anlässlich seines APS-Preises einen Festvortag über die Entwicklung Fermis. Atwood war der Begründer und leitende Fachmann von Fermis LAT. Außerdem spielte er eine Rolle bei der Gestaltung der Allianz von Physikern aus den Vereinigten Staaten, Europa und Japan, welche die LAT Collaboration bilden. Für seine führende Arbeit über das Design, die Konstruktion und den Gebrauch von Fermis Large Area Telescope verlieh ihm die American Physical Society ihren W. K. H. Panofsky Preis für Experimentelle Teilchenphysik.

Quelle: http://www.nasa.gov/mission_pages/GLAST/news/dark-matter-insights.html

(THK)

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