Wenn eine Raubtierspezies ausstirbt, könnten einer neuen Forschungsarbeit zufolge andere räuberische Spezies bald folgen. Wissenschaftler hatten diese Theorie bereits zuvor vorgestellt, aber ein Team der University of Exeter hat jetzt das erste Experiment durchgeführt, um sie zu beweisen.
Die Studie wurde am 15. August 2012 im Journal Biology Letters der Royal Society veröffentlicht und zeigt, wie der Niedergang einer räuberischen Spezies indirekt das Aussterben einer anderen Spezies auslösen kann. Das Team der University of Exeter glaubt, dass jede Ausrottung einen Welleneffekt entlang eines Nahrungsnetzes hervorrufen kann – mit weitreichenden Folgen für viele andere Tiere.
Die Forschungsarbeit stärkt die wachsenden Hinweise, dass ein “Eine-Spezies”-Ansatz bei der Bewahrung der Tierwelt, etwa bei der Fischwirtschaft, fehl am Platz ist. Stattdessen muss der Fokus ganzheitlich sein und die Arten in einem gesamten Ökosystem umfassen.
Die Wissenschaftler züchteten zwei Arten parasitärer Wespen und die zwei Blattlausarten, von denen sich jede Wespe ausschließlich ernährt. Sie stellten Behälter mit unterschiedlichen Kombinationen der Spezies auf und beobachteten sie acht Wochen lang. In Behältern, die nicht die erste Wespenspezies enthielten, starb die zweite innerhalb weniger Generationen aus. In Behältern, in denen sie gemeinsam existierten, gediehen beide Wespenarten.
Bei Abwesenheit der ersten Wespenspezies vermehrte sich die Anzahl ihrer Beute. Das bedrohte die andere Blattlausart, welche von der anderen Wespenart attackiert wird, und führte letztendlich zu deren Aussterben. Beide Blattlausarten ernähren sich von denselben Pflanzen und es gab nicht genug Nahrung zum Überleben für eine Art, wenn sich die andere Art in der Abwesenheit ihres Jägers vermehrte.
Der leitende Forscher Dr. Frank van Veen vom Centre for Ecology and Conservation am Cornwall Campus der University of Exeter sagte: “Unser Experiment liefert den ersten Beweis für etwas, das Biologen seit langer Zeit vermutet hatten: Räuber können sich gegenseitig indirekt beeinflussen, bis zu dem Ausmaß, dass der Verlust dieser indirekten Beeinflussung zu weiteren Ausrottungen führen kann, nachdem eine Spezies bereits ausgestorben ist. Obwohl sich unsere Studie auf Insekten konzentrierte, wäre das Prinzip für Räuber in jedem Ökosystem dasselbe – von Großkatzen in den Ebenen Afrikas bis hin zu Fischen in unseren Weltmeeren.”
“Unsere Forschung hebt die Tatsache hervor, dass ein ‘Eine-Spezies’-Ansatz zur Bewahrung der Tierwelt ineffektiv und sogar kontraproduktiv sein kann. Beispielsweise könnte der Schutz von Dorschen zu erhöhtem Fischereidruck auf andere Raubfische führen, was dann – durch den von uns hier demonstrierten Mechanismus – zu weiteren negativen Auswirkungen für den Dorsch führen könnte.”
Das Experiment wurde von Wissenschaftlern und Zweitsemestern der University of Exeter erdacht. Die Idee kam während eines Seminars, in dem Studenten aufgefordert wurden, ein Experiment zu entwickeln, das die Theorie beweisen könnte, nach der Räuber sich indirekt gegenseitig beeinflussen. Die Studenten waren so von der Möglichkeit angetan, eine lang bestehende Theorie zu beweisen, dass sich mehr als 30 von ihnen anboten, um das Experiment gemeinsam mit ihren Lektoren durchzuführen.
Quelle: http://www.exeter.ac.uk/news/featurednews/title_224302_en.html
(THK)
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