Spiralgalaxien sind möglicherweise größer und massereicher als bislang angenommen

Hubble-Aufnahme der Spiralgalaxie Messier 74. Spiralgalaxien wie M74 könnten viel größer und massereicher sein als bislang vermutet. (NASA, ESA, and the Hubble Heritage (STScI / AURA) - ESA / Hubble Collaboration, Acknowledgment: R. Chandar (University of Toledo) and J. Miller (University of Michigan))
Hubble-Aufnahme der Spiralgalaxie Messier 74. Spiralgalaxien wie M74 könnten viel größer und massereicher sein als bislang vermutet. (NASA, ESA, and the Hubble Heritage (STScI / AURA) - ESA / Hubble Collaboration, Acknowledgment: R. Chandar (University of Toledo) and J. Miller (University of Michigan))

Spiralgalaxien wie unsere Milchstraßen-Galaxie scheinen viel größer und massereicher zu sein als bislang gedacht. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie von Wissenschaftlern der University of Colorado in Boulder unter Verwendung des Hubble Space Telescope.

Professor John Stocke sagte, die neuen Hubble-Beobachtungen mit dem 70 Millionen Dollar teuren Cosmic Origins Spectrograph (COS) würden zeigen, dass normale Spiralgalaxien von Halos aus Gas umgeben sind, deren Durchmesser mehr als eine Million Lichtjahre betragen kann. Stocke ist Leiter der Studie von der University of Colorado in Boulder (CU-Boulder), an der das neue Instrument entwickelt wurde. Der aktuelle Wert für den Durchmesser der Milchstraßen-Galaxie beträgt schätzungsweise 100.000 Lichtjahre. Ein Lichtjahr entspricht etwa 9,5 Billionen Kilometern.

Die Materie für die galaktischen Halos, die von dem Team der CU-Boulder nachgewiesen wurde, sei durch explodierende Sterne – Supernovae – aus den Galaxien herauskatapultiert worden, eine Folge des Sternentstehungsprozesses, sagte Stocke von der Abteilung für astrophysikalische und planetare Forschung. „Dieses Gas wird gespeichert und dann von einem ausgedehnten galaktischen Halo recycled, fällt zurück auf die Galaxien, um eine neue Generation der Sternbildung zu beleben“, sagte er. „In vielerlei Hinsicht ist dies das fehlende Bindeglied in der Galaxienentwicklung, das wir genau verstehen müssen, um ein vollständiges Bild dieses Prozesses zu erhalten.“

Stocke präsentiere die Forschungsarbeit am 27. Juni 2013 auf einer Konferenz mit dem Titel „Intergalactic Interactions“ am Higgs Centre for Theoretical Physics der University of Edinburgh in Schottland. Zu dem Forschungsteam der CU-Boulder gehörten auch die Professoren Michael Shull und James Green, sowie die Mitarbeiter Brian Keeney, Charles Danforth, David Syphers und Cynthia Froning und Professor Blair Savage von der University of Wisconsin in Madison.

Die Studie basiert auf früheren Untersuchungen sauerstoffreicher Gaswolken um Galaxien von Wissenschaftlern des Space Telescope Science Institute in Baltimore, der University of Massachusetts in Amherst College und der University of California in Santa Cruz. Darauf aufbauend bestimmten Stocke und seine Kollegen, dass diese Wolken fast so viel Masse enthalten wie sämtliche Sterne in ihren jeweiligen Galaxien. „Das war eine große Überraschung“, sagte Stocke. „Die neuen Ergebnisse haben maßgebliche Auswirkungen darauf, wie sich Spiralgalaxien mit der Zeit verändern.“

Das Team der CU-Boulder entdeckte zudem gigantische Gasreservoirs mit geschätzten Temperaturen von mehreren Millionen Grad Celsius, welche die beobachteten Spiralgalaxien und Halos einhüllen. Die Halos der Spiralgalaxien seien mit Temperaturen von mehreren Zehntausend Grad Celsius dagegen vergleichsweise kühl, sagte Stocke, der auch Mitglied des Center for Astrophysics and Space Astronomy (CASA) ist.

Shull ist Professor an der Abteilung für astrophysikalische und planetare Forschung und ebenfalls Mitglied des CASA. Er betonte, dass die Untersuchung dieses „zirkumgalaktischen“ Gases noch in ihren Anfängen stecke. „Aber in Anbetracht der erwarteten Betriebszeit des COS an Bord des Hubble-Teleskops von vielleicht weiteren fünf Jahren sollte es möglich sein, diese frühen Beobachtungen zu bestätigen, die Ergebnisse auszuarbeiten und andere Spiralgalaxien im Universum anzuschauen“, sagte er.

Vor der Installation des COS an Bord des Hubble-Teleskops im Rahmen der letzten NASA-Service-Mission im Mai 2009 zeigten theoretische Studien, dass Spiralgalaxien etwa fünfmal mehr Gas besitzen sollten, als von Astronomen registriert worden war. Die neuen Beobachtungen mit dem extrem empfindlichen COS stimmen Stocke zufolge jetzt viel besser mit den Theorien überein. Das Team nutzte entfernte Quasare – die wirbelnden Zentren von supermassiven Schwarzen Löchern – als „Blitzlichter“, um ultraviolettes Licht zu verfolgen, während es die ausgedehnten Gashalos der Vordergrundgalaxien durchquerte. Der Spektrograf spaltete das von dem Gas absorbierte Licht in charakteristische „Farb-Fingerabdrücke“ auf, ähnlich wie ein Prisma. Diese Fingerabdrücke offenbarten die Temperaturen, Dichten, Geschwindigkeiten, Entfernungen und chemischen Zusammensetzungen der Gaswolken. „Dieses Gas ist etwas zu diffus, um seinen Nachweis durch direktes Abbilden zu erlauben, also arbeiten wir mit Spektroskopie“, sagte Stocke.

James Green von der CU-Boulder leitete das Entwicklungsteam des COS-Instruments, das von Ball Aerospace & Technologies in Boulder für die NASA konstruiert wurde. Obwohl die Astronomen hoffen, dass das Hubble Space Telescope seine Beobachtungen noch jahrelang fortführen wird, wird es keine weiteren Service-Missionen mehr geben. Und das James Webb Space Telescope, das Ende 2018 die Nachfolge Hubbles antreten soll, besitzt keine Lichtsammelfähigkeiten im UV-Bereich. Dies werde Astronomen daran hindern, Untersuchungen wie jene mit dem COS durchzuführen, sagte Green.

„Wenn Hubble seinen Betrieb einmal eingestellt hat, werden wir die Möglichkeit verlieren, galaktische Halos zu untersuchen – vielleicht für eine ganze Generation lang“, sagte Stocke. „Aber jetzt im Moment haben wir Glück, sowohl Hubble als auch seinen Cosmic Origins Spectrograph zu haben, um bei der Beantwortung von einigen der drängendsten Fragestellungen in der Kosmologie zu helfen.“

Die Studie wurde durch einen NASA/Hubble-Vertrag mit dem Wissenschaftsteam des Cosmic Origins Spectropgraph unterstützt. Stocke erhielt außerdem allgemeine Fördermittel der NASA und des Hubble Space Telescope und Keeney bekam Fördermitteln der National Science Foundation.

Quelle: http://www.colorado.edu/news/releases/2013/06/27/spiral-galaxies-milky-way-bigger-thought-says-cu-boulder-study

(THK)

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