Neue Theorie sieht Krebs als einen vorgegebenen “Sicherheitsmodus” der Zellen

Krebszellen in menschlichem Bindegewebe, 500-fach vergrößert. (Dr. Cecil Fox / National Cancer Institute)
Krebszellen in menschlichem Bindegewebe, 500-fach vergrößert. (Dr. Cecil Fox / National Cancer Institute)

Da die Sterberaten bei Krebs während der letzten 60 Jahre weitgehend unverändert geblieben sind, versucht ein Physiker mit einer völlig neuen Theorie zu seinem Ursprung neues Licht auf diese Krankheit zu werfen. Die Theorie verfolgt den Krebs bis zu den Anfängen der Mehrzelligkeit vor mehr als einer Milliarde Jahren zurück.

Paul Davies, Projektleiter am Center for Convergence of Physical Sciences and Cancer Biology der Arizona State University, erklärt seine radikal neue Theorie in einer Sonderausgabe der Physics World, die den Titel “Physics of Cancer” trägt.

Davies wurde 2009 zum Leiter des Centers ernannt, obwohl er damals fast gar keine Ahnung von Krebsforschung jeglicher Art hatte. Mit seinem Hintergrund in theoretischer Physik und Kosmologie sollte er einen frischen, unvoreingenommenen Blick auf die zugrundeliegenden Prinzipien dieser Erkrankung werfen. Seit damals hat er viele Fragen aufgeworfen, die von Onkologen eher selten gestellt werden: zum Beispiel, warum Krebs überhaupt existiert und welche Rolle er in der großartigen Geschichte des Lebens auf der Erde einnimmt.

Seine neuartige Theorie, die er mit Charles Lineweaver von der Australian National University verfasst hat, legt nahe, dass Krebs ein Zurückfallen auf eine ursprüngliche genetische “Subroutine” ist. Demnach tritt er auf, wenn der Mechanismus, der normalerweise Zellen instruiert, wann sie sich vermehren oder sterben sollen, fehlgeleitet ist. Dies zwingt die Zellen dazu, in eine vorgegebene Option zurückzukehren, die ihren Vorgängern vor langer Zeit einprogrammiert wurde. (Anm. d. Red.: Das Wiederauftreten von eigentlich nicht mehr vorhandenen anatomischen Merkmalen wird auch als Atavismus bezeichnet.)

“Um eine Computer-Analogie zu verwenden: Krebs ist wie Windows, das nach dem Auftreten irgendeiner Art von Störung im abgesicherten Modus startet”, so Davies. Das Ergebnis dieser Fehlfunktion ist der Beginn einer Kaskade von Ereignissen, die wir Krebs nennen – eine ausartende Zellteilung, die einen Tumor formt, der möglicherweise selbst mobil wird, sich in andere Teile des Körpers ausbreitet und dort eindringt und sich festsetzt.

Orthodoxe (schulmedizinische) Erklärungen nehmen an, das Krebs aus einer Häufung von zufälligen genetischen Mutationen heraus entsteht, womit Krebs jedes Mal gleich beginnt, wenn er sich manifestiert. Davies und Lineweaver jedoch glauben, dass er von einer Reihe von Genen verursacht wird, die von unseren ersten Vorfahren überdauert haben und die in den ganz frühen Stadien des Lebens eines Organismus “eingeschaltet” werden, wenn sich Zellen in spezialisierte Zellformen differenzieren.

Das Forscherduo denkt, dass diese Gene, die an der frühesten Entwicklung eines Embryos beteiligt sind – und die bereits kurz danach wieder stillgelegt oder “ausgeschaltet” werden – bei Erwachsenen als Folge eines Auslösers oder einer Beschädigung in unpassender Weise wieder reaktiviert werden, beispielsweise durch Chemikalien, Strahlung oder Entzündungen.

“Grob gesagt, je früher das embryonale Stadium, desto grundlegender und ursprünglich sind die Gene, welche die Entwicklung steuern und desto sorgfältiger konserviert und weitverbreitet sind sie innerhalb einer Spezies”, schreibt Davies.

Mehrere Forschungsgruppen auf der ganzen Welt suchen momentan nach experimentellen Beweisen, die die Ähnlichkeit zwischen den Erscheinungsbildern von Genen in einem Tumor und einem Embryo zeigen und dadurch der Theorie von Davies und Lineweaver Gewicht verleihen.

Davies stellt klar, dass eine radikal neue Denkweise gefordert ist. Trotzdem erklärt er, dass Krebs – wie auch das Altern – zwar nicht generell geheilt, jedoch gelindert werden kann, was wir allerdings nur erreichen können, wenn wir diese Erkrankung und ihren Platz “im großen Strom der Evolutionsgeschichte” besser verstehen.

Quelle: http://www.iop.org/news/13/jul/page_60392.html

(SOM)

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