Dieses Bild zeigt ein Objekt, das den Astronomen noch das eine oder andere Rätsel aufgibt: den sonderbaren Sternhaufen NGC 1850 in der Großen Magellanschen Wolke. Die Große Magellansche Wolke ist eine kleine Satellitengalaxie unserer eigenen Milchstraßen-Galaxie und liegt etwa 170.000 Lichtjahre entfernt im Sternbild Dorado (Schwertfisch). Der hier abgebildete Sternhaufen NGC 1850 ist in vielerlei Hinsicht ungewöhnlich und gerade deshalb interessant für Astronomen und Astrophysiker.
Beginnen wir mit seinem äußeren Erscheinungsbild: NGC 1850 gleicht mit seiner kugelähnlichen Gestalt den zahlreichen Kugelsternhaufen in unserer eigenen Milchstraßen-Galaxie. Letztere bestehen allerdings hauptsächlich aus sehr alten Sternen und sind mehrere Milliarden Jahre alt. NGC 1850 dagegen enthält nur relativ junge Sterne, die höchstens ungefähr 50 Millionen Jahre alt sind. Deshalb repräsentiert er eine völlig neue Objektklasse, die in unserer Galaxie noch nicht nachgewiesen werden konnte.
Eine andere Besonderheit von NGC 1850 ist die Tatsache, dass es sich bei dem Objekt eigentlich um einen Doppel-Sternhaufen handelt. Das Hauptobjekt trägt die Bezeichnung NGC 1850A, aber ein kleines Stück rechts unterhalb vom Zentrum des Sternhaufens ist eine weitere dichte Ansammlung von Sternen zu erkennen – NGC 1850B. Beobachtungen mit dem Weltraumteleskop Hubble haben gezeigt, dass die Sterne in NGC 1850B mit einem Alter von circa vier Millionen Jahren sogar noch deutlich jünger sind als die Sterne des Hauptobjekts NGC 1850A.
NGC 1850B besteht aus sehr massereichen Sternen der Typen O und B sowie sogenannten T-Tauri-Sternen. T-Tauri-Sterne stellen ein sehr frühes Stadium der Sternentwicklung dar. Gewissermaßen liegen sie noch in ihren Geburtswehen, in denen sie sich aufgrund ihrer eigenen Gravitation zusammenziehen. Stabile thermonukleare Fusionsprozesse können erst ab einer bestimmten Temperatur und Dichte einsetzen, was bei T-Tauri-Sternen noch gar nicht oder erst seit sehr kurzer Zeit der Fall ist. Diese Phase der Sternentstehung ist durch starke Ausbrüche gekennzeichnet, infolgedessen die jungen Sterne große Mengen Materie entlang ihrer Rotationsachsen in die Umgebung schleudern. Durch Interaktionen der ausgestoßenen Materie mit bereits vorhandenen Gaswolken in der Umgebung entstehen etwa Herbig-Haro-Objekte, die auch schon mehrmals zum Astro-Bild der Woche gewählt wurden.
Die Anwesenheit der sich entwickelnden T-Tauri-Sterne und der O- und B-Sterne spricht dafür, dass in NGC 2850 mehrere Perioden der Sternentstehung stattgefunden haben, die zur Bildung des Hauptobjekts und des kleineren, jüngeren Sternhaufens führten. Aber was war die Ursache? Man nimmt an, dass Supernovae hier eine entscheidende Rolle gespielt haben könnten. Auf dem Bild sind neben dem Sternhaufen NGC 1850 ausgedehnte Gaswolken zu sehen, die gut möglich Überreste der „elterlichen“ Gaswolke sein könnten, aus denen der Sternhaufen entstand. Explodieren massereiche Sterne als Supernovae, schicken sie gewaltige Schockwellen durch den interstellaren Raum, die das dort vorhandene Gas komprimieren können. Ausgelöst durch derartige Störungen können lokale Gaswolken aus dem Gleichgewicht geraten und zu kollabieren beginnen – der Anfang einer neuen Sterngeburt.
Astronomen konnten in den Gasfilamenten und in deren Umgebungen einige junge Protosterne registrieren, was die Theorie der Supernova-induzierten Sternentstehung untermauert. Auch die für Supernova-Explosionen charakteristischen Schockwellen wurden in der Region beobachtet. Ein Beispiel dafür ist die kleine „3“-förmige Gasstruktur direkt oberhalb von NGC 2850, fast am oberen Bildrand – der Supernova-Überrest N57D.
Eine größere Version der Aufnahme gibt es unter:
http://www.eso.org/public/archives/images/large/eso9920e.jpg
Anmerkung der Redaktion
Die anderen drei Vorschläge für das Astro-Bild der Woche waren:
Bild 1: Die Sternentstehungsregion Gum 19
Bild 2: Die Staubscheibe um den Stern IRAS 13481-6124
Bild 4: Das Südliche Kreuz
(THK)
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