Das intergalaktische Medium im frühen Universum

Der Hauptspiegel des 6,5-Meter-Teleskops am MMT Observatory. Das Observatorium wurde genutzt, um das Nachglühen eines Gammastrahlenausbruchs zu beobachten und auf diese Weise erstmals die Anwesenheit neutraler Materiewolken im frühen Universum zu messen. (MMT Observatory)
Der Hauptspiegel des 6,5-Meter-Teleskops am MMT Observatory. Das Observatorium wurde genutzt, um das Nachglühen eines Gammastrahlenausbruchs zu beobachten und auf diese Weise erstmals die Anwesenheit neutraler Materiewolken im frühen Universum zu messen. (MMT Observatory)

In seinen frühesten Jahren war das Universum so heiß, dass sich Elektronen und Protonen nicht aneinander binden konnten, um neutrale Atome zu bilden – das gesamte Gas im Kosmos war ionisiert. Dann, nach 380.000 Jahren der Expansion, hatte sich das Universum ausreichend abgekühlt, damit Wasserstoff-Atome und etwas Helium (ca. 25 Prozent) entstehen konnten. Viel später in der kosmischen Geschichte – die genaue Datierung ist Gegenstand aktueller Forschung, aber vielleicht nach ein paar hundert Millionen Jahren – entstand die erste Sterngeneration in den ausgedehnten Regionen atomaren Gases. Diese Sterne emittierten genug starkes, ultraviolettes Licht, um den neutralen Wasserstoff in ihrer Umgebung erneut zu ionisieren (Reionisierung).

Mit fortschreitender Expansion und Entwicklung des Universums reionisierten jüngere Sterngenerationen weiterhin den Wasserstoff bis zu einer Zeit, in der der Großteil des Gases zwischen den Galaxien (das intergalaktische Medium) wieder ionisiert war. Die Reionisierungsepoche ist ein wichtiges diagnostisches Mittel, weil es zurückverfolgt, wann die ersten Sterngenerationen entstanden und weil es entscheidende Einzelheiten über die frühe Entwicklung des Universums liefert.

Die Suche nach Anzeichen für ionisierten Wasserstoff in einer Zeit, die mehr als zehn Milliarden Jahre zurückliegt, ist keine leichte Aufgabe. Eine Methode macht sich die gewaltige Leuchtkraft entfernter Quasare zunutze – das sind Galaxien, die von supermassiven Schwarzen Löchern dominiert werden, welche aktiv Materie ansammeln und selbige hell leuchten lassen. Wenn zwischen uns und einem Quasar Wolken aus neutralem Wasserstoff liegen, können Astronomen sie registrieren, weil sie das Licht des Quasars bei charakteristischen Wellenlängen absorbieren. Der erste Nachweis dieser Wolken gelang tatsächlich schon in den 1960er Jahren (wenn auch von relativ nahe gelegenen Quasaren).

Die Astronomen Ryan Chornock, Edo Berger, Ragnhild Lunnan, Maria Drout, Wen-Fai Fong und Tanmoy Laskar vom Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics (Cfa) und ihre Kollegen haben eine neue Technik entwickelt, um die Reionisierung zu untersuchen: Sie verwenden das Licht, welches im Nachglühen eines Gammastrahlenausbruchs (gamma-ray burst, GRB) emittiert wird, um das zwischen uns und dem GRB liegende Gas zu analysieren. Gammastrahlenausbrüche sind die hellsten Ereignisse im bekannten Universum und resultieren aus besonders spektakulären Supernovae – dem Tod massereicher Sterne.

Sie treten etwa einmal am Tag auf – zufällig, am ganzen Himmel, wobei die meisten nur wenige Minuten strahlen. Aber weil sie so hell sind, können sie auch dann beobachtet werden, wenn sie sehr, sehr weit entfernt sind. Nachdem sich die Explosionen abgeschwächt haben, bleibt ein schwaches Nachglühen zurück und wenn ein Gammastrahlenausbruch rechtzeitig entdeckt wird, können nachfolgende Beobachtungen seines Nachglühens gemacht werden. In dieser neuen Studie waren die Astronomen in der Lage, das Nachglühen eines Gammastrahlenausbruchs zu nutzen, um das neutrale intergalaktische Medium zu untersuchen.

Der in dieser Studie analysierte Gammastrahlenausbruch ereignete sich am 6. Juni 2013 und dauerte 277 Sekunden. Er wurde mit dem Swift-Satelliten der NASA entdeckt. Die Wissenschaftler begannen sechs Stunden und 59 Minuten später mit der Beobachtung seines Nachglühens am Smithsonian-Arizona MMT Observatory. Aus dem optischen Spektrum (das heißt aus der Rotverschiebung und der damit einhergehenden Entfernung) leiteten sie ab, dass der Gammastrahlenausbruch stattfand, als das Universum etwa 970 Millionen Jahre alt war. Sie fanden in dem Spektrum außerdem Absorptionsmerkmale, die auf die Anwesenheit von entfernten Wolken aus neutralem Gas zwischen uns und dem Ausbruch hindeuteten.

Die Ergebnisse sind entscheidend, weil sie das erste Mal darstellen, dass das Nachglühen eines Gammastrahlenausbruchs verwendet wurde, um das Gas in kosmologischen Entfernungen zu analysieren. Sie unterstützen frühere Schlussfolgerungen, laut denen bis zu dieser Entwicklungsperiode des Universums die meiste (aber nicht alle) Materie ionisiert worden war.

Abhandlung: “GRB 130606A as a Probe of the Intergalactic Medium and the Interstellar Medium in a Star-Forming Galaxy in the First Gyr After the Big Bang” von Ryan Chornock, Edo Berger, Derek B. Fox, Ragnhild Lunnan, Maria R. Drout, Wen-fai Fong, Tanmoy Laskar und Katherine C. Roth, ApJ 774, 26, 2013.

Quelle: http://www.cfa.harvard.edu/news/2013/su201338.html

(THK)

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