Astronomen entdecken den ersten abtrünnigen Kugelsternhaufen

Künstlerische Darstellung des Kugelsternhaufens HVGC-1, der mit hoher Geschwindigkeit aus der elliptischen Riesengalaxie M87 herauskatapultiert wurde. (David A. Aguilar (CfA))
Künstlerische Darstellung des Kugelsternhaufens HVGC-1, der mit hoher Geschwindigkeit aus der elliptischen Riesengalaxie M87 herauskatapultiert wurde. (David A. Aguilar (CfA))

Die Galaxie Messier 87 (M87) hat einen Fastball, um den sie jeder Baseball-Pitcher beneiden würde: Sie hat einen kompletten Sternhaufen mit mehr als 3,2 Millionen Kilometern pro Stunde in unsere Richtung geschleudert. Der neu entdeckte Sternhaufen, den Astronomen als HVGC-1 bezeichnen, ist jetzt auf einer schnellen Reise ins Nirgendwo. Sein Schicksal: Für alle Zeit durch die Leere zwischen den Galaxien zu treiben. (Anm. d. Red.: Fastball ist übrigens ein Fachbegriff aus dem Baseball-Sport und beschreibt einen sehr schnell geworfenen Ball.)

„Astronomen haben bereits einzelne abtrünnige Sterne gefunden, aber dies ist das erste Mal, dass wir einen abtrünnigen Sternhaufen entdeckt haben“, sagte Nelson Caldwell vom Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics (CfA). Caldwell ist leitender Autor der Studie, die in den Astrophysical Journal Letters veröffentlicht wird und online verfügbar ist.

Das „HVGC“ in HVGC-1 steht für „Hypervelocity Globular Cluster“ (etwa: „Hochgeschwindigkeits-Kugelsternhaufen“). Kugelsternhaufen sind Relikte aus dem frühen Universum. Diese Anhäufungen enthalten normalerweise tausende Sterne, die in ein Kugelvolumen mit einem Durchmesser von wenigen Dutzend Lichtjahren gepackt sind. Die Milchstraßen-Galaxie ist die Heimat von etwa 150 Kugelsternhaufen. Die elliptische Riesengalaxie M87 dagegen enthält tausende Kugelsternhaufen.

Es brauchte einen Glückstreffer, um HCGC-1 zu finden. Das Entdeckungsteam hat Jahre damit verbracht, den Weltraum in der Umgebung von M87 zu untersuchen. Zunächst ordneten sie die Ziele nach ihrer Farbe, um Sterne und Galaxien von Kugelsternhaufen zu trennen. Dann verwendeten sie das Hectospec-Instrument am MMT Telescope in Arizona, um hunderte Kugelsternhaufen im Detail zu analysieren.

Ein Computer analysierte automatisch die Daten und berechnete die Geschwindigkeit jedes Kugelsternhaufens. Jede Auffälligkeit wurde manuell untersucht. Die meisten davon stellten sich als Ungenauigkeiten heraus, aber HVGC-1 war anders. Seine überraschend hohe Geschwindigkeit war echt. „Wir hatten nicht erwartet, etwas zu finden, das sich so schnell bewegt“, sagte Jay Strader von der Michigan State University, ein Co-Autor der Studie.

Wie wurde HVGC-1 auf eine derart hohe Geschwindigkeit gebracht? Die Astronomen sind nicht sicher, aber sie sagen, dass ein Szenario davon abhängt, ob M87 zwei supermassive Schwarze Löcher in seinem Kern besitzt. Der Kugelsternhaufen geriet zu nah an diese Schwarzen Löcher. Ihm wurden viele seiner äußeren Sterne entrissen, aber der dichte Kern des Kugelsternhaufens blieb intakt. Die beiden Schwarzen Löcher agierten dann wie ein Katapult und schleuderten den Kugelsternhaufen mit einer immensen Geschwindigkeit fort. HVGC-1 bewegt sich so schnell, dass er der Galaxie M87 als Ganzes entkommen wird. Tatsächlich könnte er die Galaxie schon verlassen haben und durch den intergalaktischen Weltraum treiben.

Hintergrund

M87, die Heimatgalaxie des Hochgeschwindigkeits-Kugelsternhaufens HVGC-1, ein ein König unter den Galaxien. Die elliptische Riesengalaxie hat die Masse von sechs Billionen Sonnenmassen, was sie zu einer der massereichsten Galaxien im nahen Universum macht.

Die Entdeckung von HVGC-1 lässt darauf schließen, dass der Kern von M87 nicht ein, sondern zwei supermassive Schwarze Löcher enthält. Das muss die Folge einer lange zurückliegenden Kollision zwischen zwei Galaxien sein, die miteinander verschmolzen, um eine einzige Riesengalaxie zu bilden. Dasselbe Schicksal erwartet auch unsere Milchstraßen-Galaxie, die in ein paar Milliarden Jahren mit der Andromeda-Galaxie kollidieren wird, um letztendlich eine elliptische Galaxie zu bilden, die von Astronomen Milkomeda getauft wurde.

Das Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics (CfA) hat seinen Sitz in Cambridge (Massachusetts) und ist eine Zusammenarbeit des Smithsonian Astrophysical Observatory und des Harvard College Observatory. Wissenschaftler aus sechs Forschungsabteilungen untersuchen hier den Ursprung, die Entwicklung und das endgültige Schicksal des Universums.

Quelle: http://www.cfa.harvard.edu/news/2014-09

(THK)

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