Ein “himmlisches Club-Sandwich”: Ganymed könnte mehrere Wasser- und Eisschichten besitzen

Jupitermond, Ganymed, Aufbau, Ozean, Eis
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Der größte Mond unseres Sonnensystems, ein Begleiter Jupiters namens Ganymed, könnte mehrere Eis- und Wasserschichten besitzen, die wie in einem Club-Sandwich geschichtet sind. Das ist das Ergebnis einer neuen, von der NASA finanzierten Forschungsarbeit, die den Aufbau des Mondes modelliert. Bisher hatte man vermutet, dass der Mond einen tiefen Ozean besitzt, der zwischen nur zwei Eisschichten eingeschlossen ist, einer oberen und einer unteren.

“Ganymeds Ozean könnte wie ein Dagwood-Sandwich aufgebaut sein”, sagte Steve Vance vom Jet Propulsion Laboratory der NASA in Pasadena (Kalifornien) mit Bezug auf die mehrschichtigen Sandwiches der Cartoon-Figur “Blondie”. Die Studie unter Leitung von Vance liefert neue theoretische Belege für das “Club-Sandwich”-Modell des Teams, das im vergangenen Jahr erstmals vorgestellt wurde. Die Forschungsarbeit erscheint im Journal Planetary and Space Science.

Die Ergebnisse unterstützen die Theorie, dass auf dem Eismond möglicherweise primitives Leben entstanden sein könnte. Wissenschaftler sagen, dass Orte, an denen Wasser und Gestein miteinander interagieren, wichtig für die Entwicklung von Leben sind. Beispielsweise ist es denkbar, dass das Leben auf der Erde in brodelnden Schloten auf dem Meeresboden entstand. Vor der neuen Studie dachte man, dass der steinige Meeresboden Ganymeds von Eis bedeckt ist und nicht von Wasser – das ist ein Problem für die Entwicklung von Leben. Die “Club-Sandwich”-Ergebnisse sprechen für etwas Anderes: Die erste Schicht über dem Gesteinskern könnte demnach salziges Wasser sein.

“Das ist eine gute Nachricht für Ganymed”, sagte Vance. “Sein Ozean ist riesig und weist immense Druckverhältnisse auf, deswegen nahm man an, dass sich am Boden des Ozeans dichtes Eis bilden musste. Als wir unsere Modelle um Salze ergänzten, erhielten wir Flüssigkeiten, die dicht genug waren, um auf den Meeresboden zu sinken.”

NASA-Wissenschaftler vermuteten erstmals in den 1970er Jahren einen Ozean auf Ganymed, basierend auf Modellen des großen Mondes, der größer als Merkur ist. In den 1990er Jahren flog die Galileo-Mission an Ganymed vorbei, bestätigte dessen Ozean und zeigte, dass er sich bis in eine Tiefe von mehreren hundert Kilometern erstreckt. Die Raumsonde fand auch Hinweise auf salzige Seen, die wahrscheinlich das Salz Magnesiumsulfat enthalten.

Vorherige Modelle von Ganymeds Ozeanen legten nahe, dass Salz die Eigenschaften der Flüssigkeit bei zunehmendem Druck nicht verändert. Vance und sein Team zeigten anhand von Laborexperimenten, wie sehr Salz die Dichte von Flüssigkeiten unter den extremen Bedingungen im Innern Ganymeds und vergleichbarer Monde erhöht. Es mag seltsam erscheinen, dass Salz den Ozean dichter machen kann, aber man kann selbst sehen, wie es funktioniert, indem man einfaches, altes Tafelsalz in ein Glas mit Wasser gibt. Anstatt an Volumen zuzulegen, schrumpft das Volumen und die Flüssigkeit wird dichter. Das liegt daran, dass die Salzionen die Wassermoleküle anziehen.

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Video-Link: https://youtu.be/so554XYz11s

Animation des schematischen Aufbaus von Ganymed, gemäß den neuen Modellen. (NASA / JPL-Caltech)

Die Modelle werden komplizierter, wenn die verschiedenen Eisformen berücksichtigt werden. Das Eis, welches in unseren Drinks schwimmt, wird als “Eis I” bezeichnet. Es ist die am wenigsten dichte Form von Eis und leichter als Wasser. Aber unter hohem Druck wie in den tiefen Ozeanen Ganymeds werden die Kristallstrukturen des Eises kompakter. “Es ist wie das Finden einer besseren Anordnung für die Schuhe im Gepäck – die Eismoleküle werden enger aneinander gepackt”, sagte Vance. Das Eis kann so dicht werden, dass es schwerer als Wasser wird und auf den Grund des Ozeans sinkt. Das dichteste und schwerste Eis, das in Ganymed vermutet wird, trägt die Bezeichnung “Eis VI”.

Durch Modellierung dieser Prozesse mit Computern erdachte das Team einen Ozean, der zusätzlich zu dem Gesteinsboden zwischen maximal drei Eisschichten eingeschlossen ist. Das leichteste Eis befindet sich oben und die salzigste Flüssigkeit ist schwer genug, um auf den Boden zu sinken. Die Ergebnisse demonstrieren außerdem ein mögliches, bizarres Phänomen, das die Ozeane “nach oben schneien” lässt. Wenn die Ozeane aufgewühlt sind und kalte Gebiete umherwandern, könnte sich im Wasser der obersten Ozeanschicht ein Eis namens “Eis III” bilden. Wenn sich Eis bildet, werden die Salze abgegeben. Die schwereren Salze würden dann nach unten sinken und das leichtere Eis, der “Schnee”, würde aufwärts schweben. Dieser “Schnee” schmilzt wieder, bevor er Oberfläche des Ozeans erreicht und könnte möglicherweise Schneematsch in der Mitte des “Sandwiches” zurücklassen.

“Wir wissen nicht, wie lange die Dagwood-Sandwich-Struktur existieren würde”, sagte Christophe Sotin vom Jet Propulsion Laboratory. “Diese Struktur stellt einen stabilen Zustand dar, aber verschiedene Faktoren könnten zufolge haben, dass der Mond diesen stabilen Zustand nicht erreicht. Sotin und Vance sind Mitglieder des Icy-Worlds-Teams am Jet Propulsion Laboratory, einem Teil des institutübergreifenden Astrobiology Institute der NASA am Ames Research Center in Moffett Field (Kalifornien).

Die Ergebnisse können auch auf Exoplaneten angewandt werden – das sind Planeten, die andere Sterne als die Sonne umkreisen. Einige Supererden – Gesteinsplaneten mit größeren Massen als die der Erde – werden für “Wasserwelten” gehalten, die von Ozeanen bedeckt sind. Könnten sie Leben beherbergen? Vance und sein Team denken, dass Laborexperimente und genauere Modelle von exotischen Ozeanen helfen könnten, Antworten zu finden.

Ganymed ist einer von fünf Monden in unserem Sonnensystem, von denen man annimmt, dass sie ausgedehnte Ozeane unter ihren Eiskrusten besitzen. Die anderen Monde sind die Jupitermonde Europa und Kallisto sowie die Saturnmonde Titan und Enceladus. Die European Space Agency (ESA) entwickelt eine Weltraummission namens JUICE (JUpiter ICy moons Explorer), um in den 2030er Jahren Europa, Kallisto und Ganymed zu besuchen. Die NASA und das JPL leisten Beiträge zu drei Instrumenten der Mission, deren Start für das Jahr 2022 geplant ist.

Die anderen Autoren der Studie sind Mathieu Bouffard von Ecole Normale Supérieure de Lyon (Frankreich) und Mathieu Choukroun, ebenfalls vom JPL und dem Icy-Worlds-Team des NASA Astrobiology Institute. Das JPL wird vom California Institute of Technology in Pasadena für die NASA betrieben.

Quelle: http://www.jpl.nasa.gov/news/news.php?release=2014-138

(THK)

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