Ein neu entdeckter Planet in einem 3.000 Lichtjahre von der Erde entfernten Doppelsternsystem erweitert die Vorstellungen von Astronomen, wie erdähnliche und sogar möglicherweise bewohnbare Planeten entstehen können und wie man sie finden kann.
Der Planet besitzt die doppelte Masse der Erde und umkreist einen der Sterne des Doppelsternsystems in fast der gleichen Distanz, in der die Erde um die Sonne kreist. Weil der Zentralstern des Planeten viel schwächer als die Sonne ist, ist es auf dem Planeten jedoch viel kälter als auf der Erde, genauer gesagt ein wenig kälter als auf Jupiters Eismond Europa.
Vier internationale Forschungsteams unter Leitung von Professor Andrew Gould von der Ohio State University veröffentlichten ihre Entdeckung in der Science-Ausgabe vom 4. Juli 2014. Die Studie liefert den ersten Beleg dafür, dass terrestrische Planeten in erdähnlichen Umlaufbahnen entstehen können – sogar in einem Doppelsternsystem, wo die Sterne nicht sehr weit voneinander entfernt sind. Obwohl dieser Planet selbst zu kalt ist, um bewohnbar zu sein, würde derselbe Planet im Orbit um einen sonnenähnlichen Stern innerhalb eines solchen Doppelsternsystems in der sogenannten habitablen Zone liegen. Die habitable Zone ist die Region, in der die Bedingungen für Leben günstig sein könnten.
“Das weitet die potenziellen Orte aus, um zukünftig bewohnbare Planeten zu entdecken”, sagte Scott Gaudi, ein Professor für Astronomie an der Ohio State University. “Die Hälfte der Sterne in der Galaxie befinden sich in Doppelsternsystemen. Wir hatten keine Ahnung, ob sich in diesen Systemen überhaupt erdähnliche Planeten in erdähnlichen Umlaufbahnen bilden können.”
Sehr selten bündelt die Gravitation eines Sterns das Licht eines weiter entfernten Sterns und verstärkt es wie eine Linse. Und sogar noch seltener erscheint die Signatur eines Planeten in dem verstärkten Lichtsignal. Die Technik, die Astronomen für das Auffinden solcher Planeten nutzen, basiert auf dem Mikrogravitationslinseneffekt. Computersimulationen dieser Ereignisse sind kompliziert genug, wenn nur ein Stern und sein Planet als Linse agieren, geschweige denn zwei Sterne.
Als die Astronomen diesen neuen Planeten registrierten, waren sie in der Lage zu dokumentieren, dass er zwei separate Signaturen produziert: die primäre Signatur, die sie normalerweise für den Nachweis von Planeten nutzen, und eine zweite Signatur, die bislang nur in der Theorie existierte. Die Suche nach Planeten in Doppelsternsystemen ist für die meisten Techniken schwierig, weil das Licht des zweiten Sterns die Interpretation der Daten verkompliziert. “Aber bei dem Mikrogravitationslinseneffekt betrachten wir nicht einmal das Licht des Stern-Planet-Systems. Wir beobachten nur, wie dessen Gravitation das Licht eines weiter entfernten, unbeteiligten Sterns beeinflusst. Das gibt uns ein neues Hilfsmittel, um nach Planeten in Doppelsternsystemen zu suchen.”
Die erste Signatur war eine leichte Abschwächung des Lichts, als die Gravitation des Planeten eines der verstärkten Bilder des Quellsterns unterbrach. Aber der zweite Effekt war eine umfassende Verzerrung des Lichtsignals. “Selbst wenn wir die ursprüngliche Signatur des Planeten nicht gesehen hätten, hätten wir ihn noch allein anhand der Verzerrung registrieren können”, sagte Gould. “Der Effekt ist nicht offensichtlich. Man kann ihn nicht mit dem Auge erkennen, aber das Signal zeigt sich unzweifelhaft in den Computersimulationen.”
“Jetzt wissen wir, dass es mit dem Mikrogravitationslinseneffekt tatsächlich möglich ist, die Existenz eines Planeten abzuleiten (und seine Masse und seine Entfernung zu einem Stern zu kennen), ohne die Abschwächung durch den Planeten direkt registrieren zu müssen”, erklärte Gaudi die Auswirkungen. “Wir dachten, dass wir das prinzipiell tun könnten, aber jetzt haben wir empirische Belege. Wir können diese Methode verwenden, um zukünftig Planeten zu finden.” Die Natur dieser Verzerrungen sei noch etwas rätselhaft, gab er zu. “Wir haben kein intuitives Verständnis, warum es funktioniert. Wir haben ein paar Theorien, aber zu diesem Zeitpunkt denke ich, es wäre fair zu sagen, dass sie sich an der Grenze unserer theoretischen Arbeit befinden.”
Der Planet mit der Bezeichnung OGLE-2013-BLG-0341LBb erschien zuerst als eine Abschwächung des Helligkeitsverlaufs in Daten, die von dem OGLE-Teleskop (Optical Gravitational Lensing Experiment) am 11. April 2013 gesammelt wurden. Der Planet unterbrach geringfügig eines der Bilder des Sterns, den er umkreist, als das System vor einem viel weiter entfernten Stern vorbeizog, der rund 20.000 Lichtjahre entfernt im Sternbild Sagittarius (Schütze) liegt.
“Vor dem Helligkeitsabfall war dies nur ein weiteres Mikrogravitationslinsenereignis”, sagte Gould. Es war eines von annähernd 2.000 Ereignissen, die jedes Jahr von OGLE mit seiner neuen großformatigen Kamera entdeckt werden, die 100 Millionen Sterne viele Male pro Nacht überwacht und nach solchen Ereignissen sucht.
“Es ist der neue OGLE-IV-Survey, der diese Entdeckung möglich machte”, ergänzte er. “Sie machten ein halbes dutzend Messungen dieses Helligkeitsabfalls und nagelten es fest.” Aus der Form des Helligkeitsabfalls, dessen “Flügel” in MOA-Daten (Microlensing Observations in Astrophysics) umrissen wurden, konnten die Forscher sehen, dass die Quelle direkt in Richtung des Zentralsterns zeigte.
Dann beobachteten die Astronomen zwei Wochen lang mit Teleskopen in Chile, Neuseeland, Israel und Australien, wie das verstärkte Licht heller wurde. Zu den Teams gehörten das OGLE-Team, das MOA-Team, das MicroFUN-Team (Microlensing Follow Up Network) und das Team des Weltraumobservatoriums WISE.
Auch dann wussten sie noch nicht, dass der Zentralstern des Planeten einen anderen Begleiter hat: einen zweiten Stern in einem gebundenen Orbit. Aber weil sie dem Signal bereits große Aufmerksamkeit schenkten, bemerkten die Astronomen es, als der Begleiter unerwartet einen starken Lichtausbruch verursachte (caustic crossing genannt).
Zu dem Zeitpunkt erkannten sie, dass die Linse nicht ein Stern war, sondern zwei. Sie hatten eine beträchtliche Datenmenge gesammelt und machten eine überraschende Entdeckung: die Verzerrung. Mehrere Wochen, nachdem alle Anzeichen für den Planeten verschwunden waren, wurde das Licht der Doppellinse verzerrt, so als ob es eine Art Echo des ursprünglichen Planetensignals gibt.
Intensive Computeranalysen von Professor Cheongho Han an der Chungbuk National University in Südkorea offenbarten, dass die Verzerrung Informationen über den Planeten enthielt (seine Masse, seine Entfernung von seinem Zentralstern und die Ausrichtung) und dass diese Informationen perfekt mit dem übereinstimmten, was die Astronomen während ihrer direkten Beobachtungen der Helligkeitsabschwächung sahen. Dieselbe Information kann also aus der Verzerrung allein gewonnen werden.
Diese detaillierte Analyse zeigte, dass der Planet die doppelte Masse der Erde besitzt und seinen Stern in einer erdähnlichen Entfernung umkreist – circa 144 Millionen Kilometer. Aber der Stern ist 400 Mal schwächer als unsere Sonne, deswegen ist der Planet sehr kalt (rund 60 Kelvin oder -213 Grad Celsius); er ist ein wenig kälter als der Jupitermond Europa. Der zweite Stern in dem System ist von dem ersten Stern nur so weit entfernt wie Saturn von unserer Sonne. Aber dieser Begleiter ist ebenfalls sehr schwach.
Trotzdem seien Doppelsternsysteme, die aus schwachen Sternen wie diesen bestehen, der häufigste Sternsystemtyp in unserer Galaxie, sagten die Astronomen. Diese Entdeckung lässt demnach darauf schließen, dass es dort draußen viele weitere terrestrische Planeten gibt – manche möglicherweise wärmer und möglicherweise geeignet, um Leben zu beherbergen.
Bislang wurden drei andere Planeten in Doppelsternsystemen entdeckt, die vergleichbare Entfernungen haben – dabei kam jedoch eine andere Technik zum Einsatz. Dies ist der erste mit einer fast erdähnlichen Größe, der einer erdähnlichen Umlaufbahn folgt, und seine Entdeckung innerhalb eines Doppelsternsystems durch den Mikrogravitationslinseneffekt war zufällig.
“Normalerweise beenden wir die Beobachtung, wenn wir erst einmal festgestellt haben, dass wir ein Doppelsternsystem haben. Der einzige Grund, weshalb wir so intensive Beobachtungen dieses Doppelsternsystems durchführten, ist, dass wir schon wussten, dass es dort einen Planeten gibt”, sagte Gould. “Für die Zukunft werden wir unsere Strategie ändern.”
Gould hob insbesondere die Arbeit des Amateurastronomen und häufigen Mitarbeiters Ian Porritt aus Palmerston North (Neuseeland) hervor, der in der Nacht vom 24. April nach Wolkenlücken Ausschau hielt, um die ersten paar entscheidenden Messungen jenes Lichtanstiegs zu erhalten, der offenbarte, dass der Planet zu einem Doppelsternsystem gehört. Sechs andere Amateurastronomen aus Neuseeland und Australien trugen ebenfalls dazu bei.
Weitere Mitarbeiter kamen von der Ohio State University, der Warsaw University Observatory, der Chungbuk National University, dem Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics, der University of Cambridge, der Universidad de Concepción, dem Auckland Observatory, der Auckland University of Technology, der University of Canterbury, der Texas A&M University, dem Korea Astronomy and Space Science Institute, dem Solar-Terrestrial Environment Laboratory, der University of Notre Dame, der Massey University, der University of Auckland, dem National Astronomical Observatory of Japan, der Osaka University, dem Nagano National College of Technology, dem Tokyo Metropolitan College of Aeronautics, der Victoria University, dem Mt. John University Observatory, der Kyoto Sangyo University, der Tel-Aviv University und der University of British Columbia.
Die Finanzierung stammte von der National Science Foundation , der NASA (darunter ein NASA Sagan Fellowship), dem European Research Council, dem Polish Ministry of Science and Higher Education, der National Research Foundation of Korea, der U.S.-Israel Binational Science Foundation, der Japan Society for the Promotion of Science, dem Marsden Fund from the Royal Society of New Zealand und den Israeli Centers of Research Excellence.
Quelle: http://news.osu.edu/news/2014/07/03/planet-discovery-expands-search-for-earthlike-planets/
(THK)
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