Dem Doppelsternsystem Eta Carinae mangelt es nicht an Superlativen: Es enthält nicht nur einen der größten und hellsten Sterne in unserer Galaxie, der mindestens 90 Sonnenmassen aufweist, es ist auch extrem wechselhaft und man erwartet dort in der Zukunft mindestens eine Supernova-Explosion. (Anm. d. Red.: Das System liegt etwa 7.500 Lichtjahre entfernt in Richtung des Sternbildes Carina (Kiel des Schiffs).)
Dieses Doppelsternsystem war eines der ersten Objekte, die vom Chandra X-ray Observatory der NASA nach dessen Start vor 15 Jahren beobachtet wurden. Durch die von dem System produzierten Röntgenstrahlen offenbart es nach wie vor neue Anhaltspunkte über seine Natur.
Astronomen berichteten bereits im 19. Jahrhundert über ein extrem wechselhaftes Verhalten von Eta Carinae, als das System zwei Jahrzehnte lang sehr hell wurde und fast jeden Stern am Himmel überstrahlte. Dieses Ereignis wurde als die „Große Eruption“ bekannt. Daten von modernen Teleskopen enthüllen, dass Eta Carinae während dieser Zeitspanne etwa zehn Sonnenmassen an Materie abstieß. Überraschenderweise überstand der Stern diesen gewaltigen Ausbruch, was seine Eigenschaftenliste um das Attribut „extrem widerstandsfähig“ ergänzt.
Heute versuchen Astronomen, mehr über die beiden Sterne in dem System Eta Carinae zu erfahren und darüber, wie sie miteinander interagieren. Der massereichere der beiden Sterne verliert rasch Masse durch Sternwinde, die mit über 1,6 Millionen Kilometern pro Stunde von seiner Oberfläche wegströmen. Wenngleich es nicht der Größenordnung während der Großen Eruption entspricht, verliert dieser Stern Masse mit einer sehr hohen Rate: etwa eine Sonnenmasse in 1.000 Jahren.
Obwohl kleiner als sein Partner, ist auch der Begleitstern im System Eta Carinae massereich – er besitzt ungefähr die 30-fache Sonnenmasse. Er verliert Materie mit einer Rate, die rund 100 Mal geringer ist als die seines Partners, aber verglichen mit den meisten anderen Sternen ist es immer noch ein erstaunlicher Massenverlust. Der Begleitstern schlägt den größeren Stern aber in Sachen Windgeschwindigkeit, denn seine Winde wehen fast zehnmal schneller.
Wenn diese beiden schnellen und energiereichen Windfronten kollidieren, bilden sie eine Schockwelle („Bow Shock“) – ähnlich wie der Überschallknall eines Überschallflugzeugs -, welche dann das Gas zwischen den Sternen aufheizt. Die Temperatur des Gases erreicht rund zehn Millionen Grad Celsius, und es produziert Röntgenstrahlen, die von Chandra registriert werden.
Die Chandra-Aufnahme von Eta Carinae zeigt energiearme Röntgenstrahlung in Rot, hochenergetische Röntgenstrahlung in Blau und Röntgenstrahlung von mittlerer Intensität in Grün. Der Großteil der Emission stammt von energiearmen und hochenergetischen Röntgenstrahlen. Die blaue Punktquelle wird von den kollidierenden Sternwinden erzeugt, und die diffuse, blaue Emission wird produziert, wenn die während der Großen Eruption abgestoßene Materie diese Röntgenstrahlen reflektiert. Die energiearme Röntgenstrahlung weiter draußen zeigt, wo die Winde der beiden Sterne (oder vielleicht Materie aus der Großen Eruption) auf die umgebende Materie treffen. Diese umgebende Materie könnte aus Gas bestehen, das vor der Großen Eruption ausgestoßen wurde.
Video-Link: https://youtu.be/jkSUdaDktb0
Videobeitrag über das Doppelsternsystem Eta Carinae. (NASA / CXC / A. Hobart)
Eine interessante Eigenschaft des Eta-Carinae-Systems ist, dass die beiden Sterne einander in hochgradig elliptischen Bahnen mit einer Umlaufperiode von 5,5 Jahren umkreisen. Abhängig davon, wo sich die beiden Sterne auf ihren ovalen Bahnen befinden, verändert sich die Entfernung zwischen ihnen um den Faktor 20. Diese ovalen Bahnen bieten Astronomen eine Gelegenheit zu untersuchen, was mit den Sternwinden geschieht, wenn sie in verschiedenen Distanzen aufeinander treffen.
Während der längsten Zeit des Umlaufs sind die Röntgenstrahlen am Scheitelpunkt stärker, das ist die Region, wo die Winde frontal aufeinander treffen. Wenn sich die beiden Sterne auf ihren Umlaufbahnen allerdings am nächsten sind (was von Astronomen als „Periastron“ bezeichnet wird), dann fällt die Röntgenemission abrupt ab.
Um die Ursache für diesen Abfall zu verstehen, beobachteten Astronomen das System Eta Carinae Anfang 2009 mit Chandra bei dessen Periastron. Die Ergebnisse lieferten das erste detaillierte Bild von den Röntgenemissionen der kollidierenden Winde in Eta Carinae. Die Studie spricht dafür, dass ein Teil der Ursache für den Abfall während des Periastron darin begründet ist, dass die Röntgenstrahlen aus dem Scheitelpunkt von den dichten Winden des massereicheren Sterns in Eta Carinae oder möglicherweise von der Oberfläche des Sterns selbst blockiert werden.
Ein anderer für den Abfall der Röntgenemission verantwortlicher Faktor ist, dass die Schockwelle nahe des Periastron unterbrochen zu sein scheint. Der Grund dafür liegt möglicherweise in der schnelleren Abkühlung des Gases aufgrund der erhöhten Dichte und/oder in einer Abnahme der Windstärke des Begleitsterns, weil zusätzliche, ultraviolette Strahlung des massereicheren Sterns ihn erreicht. Die Wissenschaftler hoffen, dass die Chandra-Beobachtungen des jüngsten Periastron vom August 2014 ihnen helfen werden, die richtige Erklärung zu finden.
Diese Ergebnisse wurden in der Astrophysical Journal-Ausgabe vom 1. April 2014 veröffentlicht und sind online verfügbar. Der Erstautor der Studie ist Kenji Hamaguchi vom Goddard Space Flight Center in Greenbelt (Maryland). Seine Co-Autoren sind Michael Corcoran vom Goddard Space Flight Center (GSFC), Christopher Russell von der University of Delaware in Newark, A. Pollock von der European Space Agency in Madrid (Spanien), Theodore Gull, Mairan Teodoro und Thomas I. Madura vom Goddard Space Flight Center, Augusto Damineli von der Universidade de Sao Paulo in Sao Paulo (Brasilien) sowie Julian Pittard von der University of Leeds in Großbritannien.
Das Marshall Space Flight Center der NASA in Huntsville (Alabama) leitet das Chandra-Programm für das Science Mission Directorate in Washington, DC. Das Smithsonian Astrophysical Observatory in Cambridge (Massachusetts) steuert die Wissenschafts- und Flugoperationen Chandras.
Quelle: http://www.chandra.harvard.edu/photo/2014/etacar/
(THK)
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