Turbulenzen verhindern Sternentstehung um ein supermassives Schwarzes Loch

Künstlerische Darstellung der Zentralregion von NGC 1266 nahe ihres zentralen Schwarzen Lochs. Die Bewegungen der Jets und des Gases (gelb und weiß) sind gekennzeichnet. Die großräumigen Gasbewegungen erzeugen Turbulenzen in kleineren Maßstäben, die die Entstehung von Sternen verhindern. (B. Saxton (NRAO / AUI / NSF))
Künstlerische Darstellung der Zentralregion von NGC 1266 nahe ihres zentralen Schwarzen Lochs. Die Bewegungen der Jets und des Gases (gelb und weiß) sind gekennzeichnet. Die großräumigen Gasbewegungen erzeugen Turbulenzen in kleineren Maßstäben, die die Entstehung von Sternen verhindern. (B. Saxton (NRAO / AUI / NSF))

Hochenergetische Jets von supermassiven Schwarzen Löchern können den sternbildenden Brennstoff in einer Galaxie wegblasen, was in sogenannten roten und toten Galaxien resultiert. Das sind Galaxien, die alte, rote Sterne enthalten und wenig oder kein Wasserstoffgas aufweisen, um neue Sterne zu bilden.

Mit dem Atacama Large Millimeter/ submillimeter Array (ALMA) haben Astronomen jetzt entdeckt, dass Schwarze Löcher gar nicht so stark sein müssen, um die Sternentstehung zum Erliegen zu bringen. Durch Beobachtungen des Gases und des Staubs im Zentrum von NGC 1266 (einer nahen, linsenförmigen Galaxie mit einem recht bescheidenen zentralen Schwarzen Loch) haben Astronomen eine Verkettung unglücklicher Umstände in Form von Turbulenzen entdeckt, welche die Sternbildung in einer Region unterbindet, die sonst eine ideale Sternfabrik wäre.

Diese Turbulenzen entstehen durch Jets aus dem zentralen Schwarzen Loch der Galaxie, die auf eine unglaublich dichte Gashülle treffen. Diese dichte Region, die das Ergebnis einer kürzlichen Verschmelzung mit einer kleineren Galaxie sein könnte, hindert etwa 98 Prozent der von den Jets ausgestoßenen Materie daran, das galaktische Zentrum zu verlassen.

“Wie eine unaufhaltsame Kraft, die auf ein unbewegliches Objekt prallt, treffen die Teilchen in diesen Jets auf so viel Widerstand, wenn sie auf das umgebende, dichte Gas prallen, dass sie in ihren Bahnen fast vollständig gestoppt werden”, sagte Katherine Alatalo, eine Astronomin vom Infrared Processing and Analysis Center am California Institute of Technology in Pasadena. Sie ist die leitende Autorin einer Abhandlung, die im Astrophysical Journal veröffentlicht wurde. Diese energiereichen Kollisionen erzeugen starke Turbulenzen in dem umgebenden Gas und unterbrechen die erste, entscheidende Phase der Sternentstehung. “Was wir hier sehen, ist die stärkste Unterdrückung der Sternentstehung, die jemals beobachtet wurde”, sagte Alatalo.

Vorherige Beobachtungen von NGC 1266 offenbarten einen breiten Wegfluss von Gas aus dem galaktischen Zentrum mit Geschwindigkeiten bis zu 400 Kilometern pro Sekunde. Alatalo und ihre Kollegen schätzen, dass dieser Wegfluss so stark ist wie die gleichzeitigen Supernova-Explosionen von 10.000 Sternen. Die Jets sind zwar stark genug, um das Gas aufzuwirbeln, aber sie sind nicht energiereich genug, um ihm die erforderliche Fluchtgeschwindigkeit des Systems zu verleihen. “Eine andere Betrachtungsweise ist, dass die Jets Turbulenzen in das Gas einbringen und es so davon abhalten, ruhiger zu werden, zu kollabieren und Sterne zu bilden”, sagte der Co-Autor Mark Lacy vom National Radio Astronomy Observatory (NRAO).

Die von ALMA untersuchte Region enthält über 400 Millionen Mal mehr Masse als unsere Sonne in Form von sternbildendem Gas. Das ist 100 Mal mehr Gas, als in den gigantischen, sternbildenden Molekülwolken in unserer eigenen Milchstraßen-Galaxie vorhanden ist. Normalerweise sollte derart konzentriertes Gas Sterne mit einer mindestens 50 Mal höheren Rate produzieren, als die Astronomen in dieser Galaxie beobachten. Bisher vermuteten die Astronomen, dass nur extrem energiereiche Quasare und Radiogalaxien Schwarze Löcher enthalten, die stark genug sind, um als “An/Aus-Schalter” für die Sternentstehung zu agieren. “Die übliche Annahme war bisher, dass die Jets energiereich genug sein müssen, um das Gas vollständig aus der Galaxie herauszukatapultieren und die Sternbildung effektiv zu beenden”, sagte Lacy.

Für diese Entdeckung lokalisierten die Astronomen zunächst die Position des ferninfraroten Lichts, das von der Galaxie emittiert wird. Normalerweise steht dieses Licht mit der Sternentstehung in Zusammenhang und ermöglicht Astronomen, Regionen zu registrieren, in denen sich neue Sterne bilden. Im Fall von NGC 1266 stammte dieses Licht allerdings aus einer extrem begrenzten Region im Zentrum der Galaxie. “Dieses sehr kleine Gebiet war fast zu klein, damit das infrarote Licht von Sternentstehungsprozessen stammen konnte”, sagte Alatalo.

Mit ALMAs exzellenter Empfindlichkeit und Auflösung und zusammen mit Beobachtungen von CARMA (dem Combined Array for Research in Millimeter-wave Astronomy) waren die Astronomen dann in der Lage, die Position des sehr dichten molekularen Gases in dem galaktischen Zentrum zu bestimmen. Sie stellten fest, dass das Gas diese kompakte Quelle des ferninfraroten Lichts umgibt.

Unter normalen Bedingungen würde derart dichtes Gas Sterne mit einer sehr hohen Rate bilden. Der in dem Gas eingebettete Staub würde dann von jungen Sternen aufgeheizt werden und wäre als helle, ausgedehnte Quelle infraroten Lichts sichtbar. Die geringe Größe und die Schwäche der Infrarotquelle in dieser Galaxie sprechen aber dafür, dass sich NGC 1266 stattdessen an ihrem eigenen Brennstoff verschluckt – scheinbar unter Missachtung der Regeln für die Sternentstehung.

Die Astronomen vermuten außerdem, dass in dieser Region ein Feedback-Mechanismus am Werk ist. Letztendlich wird das Schwarze Loch ruhiger werden, und die Turbulenzen werden abklingen, so dass die Sternentstehung neu beginnen kann. Mit dieser neuerlichen Sternentstehung kommt jedoch mehr Bewegung in das dichte Gas, was dann in Richtung des Schwarzen Lochs stürzt und die Jets neu entfacht. Das wiederum wird die Sternentstehung einmal mehr beenden.

NGC 1266 liegt etwa 100 Millionen Lichtjahre entfernt im Sternbild Eridanus. Linsenförmige Galaxien sind Spiralgalaxien wie unsere eigene Milchstraßen-Galaxie, aber sie besitzen wenig interstellares Gas, das für die Entstehung neuer Sterne zur Verfügung steht.

Quelle: https://public.nrao.edu/news/pressreleases/perfect-storm-alma

(THK)

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