Gravitationslinse erzeugt Mehrfachbild einer Supernova

Die Gravitation eines massereichen Galaxienhaufens führt zu den hier gekennzeichneten Mehrfachbildern einer Supernova-Explosion. (NASA, ESA, and S. Rodney (JHU) and the FrontierSN team; T. Treu (UCLA), P. Kelly (UC Berkeley), and the GLASS team; J. Lotz (STScI) and the Frontier Fields team; M. Postman (STScI) and the CLASH team; and Z. Levay (STScI))
Die Gravitation eines massereichen Galaxienhaufens führt zu den hier gekennzeichneten Mehrfachbildern einer Supernova-Explosion. (NASA, ESA, and S. Rodney (JHU) and the FrontierSN team; T. Treu (UCLA), P. Kelly (UC Berkeley), and the GLASS team; J. Lotz (STScI) and the Frontier Fields team; M. Postman (STScI) and the CLASH team; and Z. Levay (STScI))

Astronomen haben mit dem Weltraumteleskop Hubble erstmals eine entfernte Supernova entdeckt, deren Abbild in vier Bilder geteilt wurde. Die Mehrfachbilder des explodierenden Sterns werden durch die starke Gravitationskraft einer elliptischen Galaxie im Vordergrund erzeugt, welche in einen massereichen Galaxienhaufen eingebettet ist.

Diese einmalige Beobachtung wird Astronomen helfen, ihre Schätzungen über die Menge und die Verteilung von Dunkler Materie in der lichtbeugenden Galaxie und dem Galaxienhaufen zu verfeinern. Dunkle Materie kann nicht direkt beobachtet werden, aber man vermutet, dass sie den Großteil der Masse des Universums ausmacht.

Die Gravitation der elliptischen Galaxie und des Galaxienhaufens verzerrt und verstärkt das Licht der dahinter liegenden Supernova – ein Phänomen, das als Gravitationslinseneffekt bezeichnet wird. Dieser Effekt wurde erstmals von Albert Einstein vorhergesagt und ist vergleichbar mit einer Glaslinse, die das Licht bricht, um das Bild eines Objekts hinter ihr zu vergrößern und zu verzerren. Die Mehrfachbilder sind in einem kreuzförmigen Muster um die elliptische Galaxie angeordnet, was als Einstein-Kreuz bezeichnet wird. Der Name wurde ursprünglich einem bestimmten, mehrfach abgebildeten Quasar gegeben, dem hellen Kern einer aktiven Galaxie. Die elliptische Galaxie und ihr Galaxienhaufen namens MACS J1149.6+2223 sind fünf Milliarden Lichtjahre von der Erde entfernt. Die Supernova dahinter ist 9,3 Milliarden Lichtjahre entfernt.

Obwohl Astronomen dutzende mehrfach abgebildeter Galaxien und Quasare entdeckt haben, haben sie noch nie eine Sternexplosion gesehen, die in mehrere Bilder geteilt wurde. “Es hat mich wirklich völlig umgehauen, als ich die vier Bilder um die Galaxie sah – es war total überraschend”, sagte Patrick Kelly von der University of California in Berkeley, ein Mitglied der Grism Lens Amplified Survey from Space (GLASS) Collaboration. Die GLASS-Gruppe arbeitet mit dem Team des Frontier Field Supernova (FrontierSN) Projekts zusammen, um den explodierenden Stern zu analysieren. Kelly ist außerdem der Hauptautor einer wissenschaftlichen Abhandlung, die am 6. März 2015 in einer Spezialausgabe des Journals Science veröffentlicht wurde. Die Spezialausgabe erscheint anlässlich des hundertjährigen Jubiläums von Albert Einsteins allgemeiner Relativitätstheorie.

Wenn sich die vier Bilder abschwächen, gehen Astronomen davon aus, dass sie eine seltene Gelegenheit haben werden, die Wiederholung der Supernova zu beobachten. Das liegt daran, dass das derzeitige Muster mit den vier Bildern nur ein Teil des verzerrten Abbilds ist. Die Supernova könnte vor 20 Jahren anderswo in dem Feld des Galaxienhaufens als ein einzelnes Bild erschienen sein. Man erwartet, dass sie sich innerhalb der nächsten fünf Jahre noch einmal zeigen wird.

Diese Vorhersage basiert auf Computermodellen des Galaxienhaufens, welche die verschiedenen Bahnen des Lichts der Supernova durch die klumpige Dunkle Materie in der Galaxienansammlung beschreiben. Jedes Abbild nimmt eine andere Bahn durch den Galaxienhaufen und kommt zu einer anderen Zeit an, was zum Teil an Unterschieden hinsichtlich der Bahnlängen liegt, die das Licht auf dem Weg zur Erde nimmt. Die von Hubble eingefangenen vier Supernovabilder erschienen beispielsweise innerhalb weniger Tage oder Wochen nacheinander.

Die verschiedenen Bahnen des Lichts von der Supernova sind vergleichbar mit mehreren Zügen, die einen Bahnhof gleichzeitig mit derselben Geschwindigkeit und demselben Ziel verlassen. Jeder Zug nimmt allerdings eine andere Strecke und die Länge der Wege ist nicht gleich. Manche Züge überqueren Hügel, andere fahren durch Täler und wieder andere fahren um Berge herum. Weil die Züge auf unterschiedlich langen Strecken durch unterschiedliches Gelände fahren, kommen sie an ihrem Ziel nicht zur selben Zeit an. Ähnlich dazu erscheinen die Supernovabilder nicht gleichzeitig, weil ein Teil des Lichts verzögert wird, indem es [längere] Bahnen nimmt, die durch die Gravitation von Dunkler Materie in dem dazwischen liegenden Galaxienhaufen gebeugt werden.

Aktivieren Sie JavaScript um das Video zu sehen.
Video-Link: https://youtu.be/rjA6Rqjpd5o

Diese Animation zeigt, wie die starke Gravitationskraft eines massereichen Galaxienhaufens das Licht einer dahinter liegenden Supernova beugt. (NASA, ESA, and G. Bacon, Z. Levay, and A. Feild (STScI); and S. Rodney (JHU) and the FrontierSN team; T. Treu (UCLA), P. Kelly (UC Berkeley), and the GLASS team; J. Lotz (STScI) and the Frontier Fields team; and M. Postman (STScI) and the CLASH team)

“Unser Modell der Dunklen Materie in dem Galaxienhaufen sagt voraus, wann das nächste Bild eintreffen wird, weil es uns verrät, wie lang jede Bahn ist, was mit der Zeit zusammenhängt”, sagte Steve Rodney von der Johns Hopkins University in Baltimore (Maryland), der Leiter des FrontierSN-Teams. “Wir haben schon eins verpasst, von dem wir annehmen, dass es vor etwa 20 Jahren erschien, und wir fanden diese vier Bilder, nachdem sie bereits erschienen waren. Die Vorhersage dieses zukünftigen Bildes ist die aufregendste, weil wir in der Lage sein könnten es einzufangen. Wir hoffen, dass wir mit Hubble in dieses Feld zurückkehren, und wir werden weitergucken, wann das erwartete nächste Bild erscheint.”

Die Messung der Zeitverzögerungen zwischen den Bildern gibt Anhaltspunkte über die Art des gekrümmten Raums, den das Licht der Supernova durchqueren musste und wird Astronomen dabei helfen, die Modelle zur Kartierung der Masse des Galaxienhaufens zu verfeinern. “Wir werden die Zeitverzögerungen messen, und dann werden wir zu den Modellen zurückkehren und sie mit den Vorhersagen der Lichtbahnen vergleichen”, sagte Kelly. “Die Modellentwickler in unserem Team, darunter Adi Zitrin (Caltech), können dann ihre Modelle anpassen, um die Landschaft der Dunklen Materie genauer nachzubilden, welche die Lichtlaufzeit bestimmt.”

Kelly entdeckte die vier Bilder des explodierenden Sterns am 11. November 2014 während einer Routinesichtung der Daten des GLASS-Teams. Das FrontierSN-Team und das GLASS-Team haben seit 2013 nach solchen hochgradig verstärkten Explosionen gesucht, und dieses Objekt ist ihre spektakulärste Entdeckung. Aufgrund der kombinierten Effekte zweier überlagerter Gravitationslinsen erscheint die Supernova etwa 20 Mal heller als ihre natürliche Helligkeit. Der dominierende Gravitationslinseneffekt stammt von einem massereichen Galaxienhaufen, der das Licht der Supernova entlang mindestens dreier unterschiedlicher Bahnen bündelt. Ein zweiter Gravitationslinseneffekt tritt auf, wenn einer dieser Lichtlaufwege zufällig exakt mit einer bestimmten elliptischen Galaxie in dem Galaxienhaufen ausgerichtet ist. “Die Dunkle Materie dieser einzelnen Galaxie beugt und bündelt das Licht dann in weitere vier Bahnen”, erklärte Rodney. “Das erzeugt das seltene Einstein-Kreuz, das wir momentan beobachten.”

Die beiden Teams verbrachten eine Woche damit, das Licht des Objekts zu analysieren und bestätigten, dass es die Signatur einer Supernova ist. Dann wandten sie sich an das W.M. Keck Observatory auf dem Mauna Kea (Hawaii), um die Entfernung zu der Heimatgalaxie der Supernova zu messen.

Die Astronomen nannten die Supernova Refsdal zu Ehren des norwegischen Astronomen Sjur Refsdal, der im Jahr 1964 erstmals die Verwendung zeitverzögerter Bilder einer verstärkten Supernova vorschlug, um die Expansion des Universums zu messen. “Seitdem haben Astronomen nach einer solchen Supernova gesucht”, sagte Tommaso Treu von der University of California in Los Angeles, der leitende Wissenschaftler des GLASS-Projekts. “Das lange Warten hat ein Ende.”

Der Frontier Fields Survey ist ein dreijähriges Programm, das Hubble und die Gravitationslinseneffekte von sechs massereichen Galaxienhaufen nutzt, um nicht nur das Innere der Galaxienhaufen zu untersuchen, sondern auch das, was hinter ihnen liegt. Das dreijährige FrontierSN-Programm untersucht Supernovae, die in den Galaxienhaufen der Frontier Fields und GLASS Surveys und deren Umgebung auftreten. Der GLASS Survey verwendet die spektroskopischen Möglichkeiten Hubbles, um entfernte Galaxien durch die kosmischen Teleskope von zehn massereichen Galaxienhaufen zu erforschen, die sechs Galaxienhaufen aus dem Frontier Fields Survey eingeschlossen.

Quelle: http://hubblesite.org/newscenter/archive/releases/2015/08/full/

(THK)

Werbung

Ersten Kommentar schreiben

Antworten

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.


*