Die Sonnenoberfläche hat eine Temperatur von circa 5.700 Grad Celsius, aber ihre Atmosphäre ist 300 Mal heißer. Das hat zu einem bestehenden Rätsel bei den Wissenschaftlern geführt, die die Sonne untersuchen: Was heizt die Atmosphäre auf so extreme Temperaturen auf? Wenn man sich von einer Hitzequelle entfernt, wird die Umgebung normalerweise kühler, aber in der Sonnenatmosphäre, der Korona, ist eindeutig ein Mechanismus am Werk, der die Temperaturen derart ansteigen lässt.
Überzeugende Belege sprechen jetzt dafür, dass der Aufheizmechanismus von normalen aber unregelmäßigen Hitzeausbrüchen abhängt und weniger von der langsamen, kontinuierlichen Aufheizung. Diese Lösung für das Rätsel der koronalen Aufheizung wurde am 28. April 2015 auf dem Triennial Earth-Sun Summit (TESS) in Indianapolis (Indiana) präsentiert.
Dies ist das Eröffnungstreffen von TESS und das erste seiner Art: Es vereint die verschiedenen Forschungsgruppen, die die Beziehungen zwischen Sonne und Erde untersuchen – von Explosionen auf der Sonne bis hin zu ihren Auswirkungen nahe unseres Heimatplaneten und an den Grenzen unseres Sonnensystems. Das Forschungsgebiet wird umfassend als Heliophysik bezeichnet. Das allumfassende Ziel ist es, Techniken über verschiedene Fachrichtungen hinweg gemeinsam zu nutzen und die interdisziplinäre Zusammenarbeit bezüglich ausstehender Fragen in der Heliophysik zu fördern.
Das Rätsel der koronalen Aufheizung ist eine solche offene Frage. Jim Klimchuk, ein Sonnenforscher am Goddard Space Flight Center der NASA in Greenbelt (Maryland), erklärte, dass die neuen Belege eine Theorie untermauern würden, laut der die Sonnenkorona durch winzige Explosionen – sogenannte Nanoflares – aufgeheizt wird. Dies sind plötzliche Hitzeausbrüche, die unglaublich hohe Temperaturen von zehn Millionen Kelvin erreichen können (sogar höher als die Durchschnittstemperatur der Korona) und Wärme in die Atmosphäre abgeben. Bei den von den Wissenschaftlern vorgestellten Belegen geht es um die Beobachtung dieser superheißen solaren Materie namens Plasma stellvertretend für einen Nanoflare.
„Die Explosionen werden Nanoflares genannt, weil sie etwa ein Milliardstel der Energie eines normalen Flares besitzen“, sagte Klimchuk. „Obwohl sie in solaren Maßstäben betrachtet winzig sind, enthält jeder Nanoflare noch die Energie einer 10-Megatonnen-Wasserstoffbombe. Jede Sekunde finden auf der Sonnenoberfläche Millionen Nanoflares statt und zusammen heizen sie die Korona auf.“
Der erste Hinweis auf die Präsenz dieses superheißen Plasmas wurde von Adrian Daw präsentiert, einem Sonnenforscher am Goddard Space Flight Center. Er ist der leitende Wissenschaftler der Extreme Ultraviolet Normal Incidence Spectrograph (EUNIS) Raketensondenmission. EUNIS führte im Dezember 2013 einen 15-minütigen Flug durch und hatte einen Spektrografen an Bord. Der Spektrograf kann Informationen darüber sammeln, wie viel Materie mit einer gegebenen Temperatur vorhanden ist. Der EUNIS-Spektrograf wurde auf eine Reihe Wellenlängen eingestellt, die für die Beobachtung von Materie mit Temperaturen von zehn Millionen Kelvin hilfreich sind – der Temperatur, die Nanoflares anzeigt. Der Spektrograf registrierte diese extrem heiße Materie zweifellos in aktiven Regionen, die im optischen Bereich offenbar ruhig zu sein schienen. In einer ruhigen Region kamen so hohe Temperaturen eindeutig nicht aufgrund eines großen, explosiven Sonnenflares zustande. Deswegen sind sie ein entscheidender Beweis dafür, dass etwas sonst Unbeobachtbares diese Region hier aufheizte.
Daw berichtete auch über die Ergebnisse eines anderen Experiments, das 2012 und 2013 an Bord von Raketensonden startete und weiche Röntgenstrahlung aus der Korona registrierte. Diese Ergebnisse bestätigten ebenfalls die Präsenz superheißen Plasmas auf der Sonne.
Iain Hannah, ein Astrophysiker von der University of Glasgow in Schottland, sprach über das Nuclear Spectroscopic Telescope Array (NuSTAR) der NASA, das normalerweise Röntgenstrahlen von entfernten Sternen und Schwarzen Löchern erforscht. Es ist allerdings auch in der Lage, das viel hellere Licht der Sonne zu beobachten – etwas, das die meisten astronomischen Observatorien nicht tun können. „Röntgenstrahlen geben direkte Einblicke in die hochenergetischen Prozesse auf der Sonne“, sagte Hannah.
NuSTAR sah Röntgenstrahlen, die Signaturen von superheißem Plasma in nicht ausbrechenden, aktiven Regionen sind. Während die Raketensonden-Experimente die von diesen Nanoflares erzeugte Energie beobachteten, kann NuSTAR darüber hinaus nach den Röntgensignaturen von energiereichen Teilchen suchen. Zu verstehen, welche Teilchen wie aus den kleineren Nanoflare-Explosionen herausbeschleunigt werden, kann den Wissenschaftlern dabei helfen zu begreifen, welche Prozesse sie verursachen.
Stephen Bradshaw, ein Solarastrophysiker an der Rice University in Houston (Texas), war der letzte Sprecher. Er nutzte ein modernes Computersimulationsmodell, um zu demonstrieren, warum die Entdeckung der Nanoflare-Signaturen so schwierig war und wie die neuen Belege Forschern helfen werden, die Theorien über die Einzelheiten der koronalen Aufheizung zu verbessern. Ein Tag genügte den Heliophysikern, um das Rätsel der koronalen Aufheizung letztendlich zu lösen.
Das TESS-Treffen wird alle drei Jahre abgehalten und ist ein Gemeinschaftstreffen der Space Physics and Aeronomy Section der American Geophysical Union (AGU) und der Solar Physics Division der American Astronomical Society (AAS).
(THK)
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