
Sonnenstürme und die von ihnen freigesetzten Teilchen resultieren in spektakulären Phänomenen wie Polarlichtern, aber sie können auch eine ernste Gefahr für unsere Gesellschaft darstellen. In extremen Fällen haben sie weitreichende Stromausfälle verursacht, und sie könnten auch zum Ausfall von Satelliten und Kommunikationssystemen führen.
Laut einer Studie, die am 26. Oktober 2015 im Journal Nature Communications erschien, könnten Sonnenstürme noch viel stärker werden als bislang vermutet. Forscher der Lund University in Schweden haben jetzt bestätigt, dass die Erde vor mehr als 1.000 Jahren von zwei extremen Sonnenstürmen getroffen wurde. „Wenn derart heftige Sonnenstürme heute die Erde treffen würden, könnten sie verheerende Auswirkungen auf unsere Stromversorgung, Satelliten und Kommunikationssysteme haben“, sagte Raimund Muscheler vom Department of Geology an der Lund University.
Ein Forschungsteam der Lund University hat zusammen mit Kollegen der Uppsala University in Schweden und Wissenschaftlern aus der Schweiz, Dänemark und den Vereinigten Staaten in Eisbohrkernen aus Grönland und Antarktika nach Spuren von Sonnenstürmen gesucht. Überall auf der Erde kann man Spuren kosmischer Strahlen aus der Galaxie und von der Sonne finden, zum Beispiel geringe Konzentrationen radioaktiven Kohlenstoffs.
Vor ein paar Jahren fanden Wissenschaftler in Baumringen der Jahre 774/775 und 993/994 Spuren eines raschen Anstiegs von radioaktivem Kohlenstoff. Über den Grund für diesen Anstieg wurde jedoch debattiert. „In dieser Studie haben wir darauf abgezielt, systematisch die Ursache für diese Ereignisse herauszufinden. Jetzt haben wir in Eisbohrkernen übereinstimmende Zunahmen für exakt die gleichen Zeiträume gefunden. Mit den neuen Ergebnissen ist es möglich, alle anderen vorgeschlagenen Erklärungen auszuschließen und damit extreme Sonnenstürme als Grund für den rätselhaften Anstieg der Radiokarbonwerte zu bestätigen“, sagte Muscheler.
Die Studie liefert auch die erste verlässliche Einschätzung der Teilchenströme, die mit diesen Ereignissen in Zusammenhang stehen. Raimund Muscheler betonte, dass dies für die zukünftige Planung zuverlässiger elektronischer Systeme sehr wichtig sei: „Diese Sonnenstürme überstiegen jedes bekannte von Instrumenten gemessene Ereignis auf der Erde bei weitem. Die Ergebnisse könnten zu einer Neubeurteilung der mit Sonnenstürmen einhergehenden Gefahren führen“, sagte Muscheler.
Sonnenstürme sind Eruptionen auf der Sonne, welche die Emission großer Teilchenmengen erzeugen. Wenn sie die Erde treffen, interagieren die Teilchen mit dem Erdmagnetfeld, das sie in Richtung der Polargebiete lenkt, wo sie Nord- oder Südlichter (Auroras) hervorrufen. In den vergangenen Jahren gab es schwere Sonnenstürme, die zu Stromausfällen führten, beispielsweise im Oktober 2003 in Schweden und im März 1989 in Kanada. Die extremen Sonnenstürme, deren Spuren die Wissenschaftler in den Eisbohrkernen fanden, waren mindestens zehnmal stärker als die in den letzten Jahrzehnten beobachteten.
Abhandlung: „Multiradionuclide evidence for the solar origin of the cosmic-ray events of AD 774/5 and 993/4“ von Florian Mekhaldi, Raimund Muscheler, Florian Adolphi, Ala Aldahan, Jürg Beer, Joseph R. McConnell, Göran Possnert, Michael Sigl, Anders Svensson, Hans-Arno Synal, Kees C. Welten, Thomas E. Woodruff
(THK)
Antworten