Astronomen finden einen seltenen „Supernova-Hochstapler“

Das Bild zeigt die mehr als sechs Millionen Lichtjahre entfernte Galaxie NGC 300. In ihr entdeckten Forscher den Supernova-Hochstapler. (NASA / JPL-Caltech / OCIW)
Das Bild zeigt die mehr als sechs Millionen Lichtjahre entfernte Galaxie NGC 300. In ihr entdeckten Forscher den Supernova-Hochstapler. (NASA / JPL-Caltech / OCIW)

Breanna Binder, eine Postdoktorandin am Department of Astronomy und Dozentin an der School of STEM der University of Washington Bothell, verbringt ihre Zeit damit, über Röntgenstrahlen nachzudenken. Wie sie und ihre Kollegen in einer neuen Abhandlung berichten, lösten sie kürzlich ein Rätsel, das mit Röntgenstrahlen zu tun hat: Ein Fall, bei dem Röntgenstrahlen präsent waren, wo sie es nicht sein sollten. Die ungewöhnliche Hauptrolle bei diesem Rätsel spielt ein Stern, der vorgibt, eine Supernova zu sein. Das demonstriert die Bedeutung, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu schauen. Die Abhandlung wurde am 12. Februar 2016 in den Monthly Notices of the Royal Astronomical Society veröffentlicht.

Als ein Amateurastronom aus Südafrika sein Teleskop im Mai 2010 auf die nahe Galaxie NGC 300 richtete, schaute er zur richtigen Zeit zum richtigen Ort. Er entdeckte etwas, das eine Supernova zu sein schien: ein massereicher Stern, der seiner Existenz mit einer Explosion ein Ende setzt. „Die meisten Supernovae sind eine kurze Zeit sichtbar und schwächen sich dann im Zeitraum von mehreren Wochen ab“, sagte Binder.

Nachdem ein Stern als Supernova explodiert, lässt er normalerweise entweder ein Schwarzes Loch oder einen sogenannten Neutronenstern zurück – das ist der kollabierte, hochverdichtete Kern des früheren Sterns. Keines von beiden sollte nach ein paar Wochen von der Erde aus sichtbar sein. Aber bei dieser Supernova namens SN 2010da war das der Fall. „SN 2010da ist etwas, das wir als ‚Supernova-Hochstapler‘ bezeichnen: etwas, das aufgrund einer hellen Lichtemission zunächst für eine Supernova gehalten wird, sich aber später als ein massereicher Stern herausstellt, der aus irgendeinem Grund diesen enormen Aktivitätsausbruch zeigt“, sagte Binder.

Viele „Supernova-Hochstapler“ scheinen massereiche Sterne in einem Doppelsternsystem zu sein, wo sich zwei Sterne gegenseitig umkreisen. Astrophysiker vermuten, dass die gelegentlichen Ausbrüche des Hochstaplers auf Störungen durch seinen Begleitstern zurückzuführen sein könnten. Bei SN 2010da schien die Geschichte erledigt zu sein, bis Binder im September 2010 – vier Monate nach der Bestätigung als Supernova-Hochstapler – das Chandra X-ray Observatory auf NGC 300 richtete und etwas Unerwartetes fand.

„Es gab diese große Menge Röntgenstrahlung von SN 2010da, die man bei einem Supernova-Hochstapler nicht sehen sollte“, sagte Binder. Sie zog eine Reihe Erklärungen in Betracht. Beispielsweise könnte Materie aus der Korona des Sterns eine nahegelegene Staubwolke treffen. Aber das würde nicht die von ihr beobachtete Menge an Röntgenstrahlung produzieren. Stattdessen stimmte die Intensität der Röntgenstrahlung von SN 2010da mit der eines Neutronensterns überein, dem dichten, kollabierten Überrest einer Supernova. „Ein Neutronenstern in dieser Umgebung wäre eine Überraschung, weil wir bereits wussten, dass dieser Stern ein Supernova-Hochstapler war und keine echte Supernova“, sagte Binder.

Im Jahr 2014 beobachteten Binder und ihre Kollegen dieses System erneut mit Chandra und erstmals auch mit dem Weltraumteleskop Hubble. Dabei fanden sie den Hochstapler-Stern und diese rätselhaften Röntgenemissionen. Basierend auf diesen neuen Daten schlussfolgerten sie, dass SN 2010da ebenfalls einen Begleiter hat, so wie viele andere Supernova-Hochstapler auch. Aber im Gegensatz zu den bislang bekannten Supernova-Hochstaplern ist der Begleiter von SN 2010da wahrscheinlich ein Neutronenstern.

„Wenn dieser Begleitstern wirklich ein Neutronenstern ist, dann würde das bedeuten, dass der Neutronenstern einst ein großer, massereicher Stern war, der in der Vergangenheit selbst als Supernova explodierte“, sagte Binder. „Die Tatsache, dass diese Supernova den anderen Stern, der 20-25 Sonnenmassen aufweist, nicht fortkatapultierte, macht dies zu einem unglaublich seltenen Doppelsternsystemtyp.“

Um zu verstehen, wie dieses ungewöhnliche Doppelsternsystem entstehen konnte, untersuchten Binder und ihre Kollegen das Alter der Sterne in dieser Region des Weltraums. Durch Betrachtung der Größe und Leuchtkraft der Sterne stellten sie fest, dass die meisten nahen Sterne in einer von zwei Sternentstehungsphasen entstanden – eine vor 30 Millionen Jahren und eine vor weniger als fünf Millionen Jahren. Aber weder SN 2010da noch ihr vermuteter Neutronenstern konnte in der älteren Sternentstehungsphase entstanden sein.

„Die meisten derart massereichen Sterne existieren normalerweise nur 10-20 Millionen Jahre, nicht 30 Millionen Jahre“, sagte Binder. „Die massereichsten, heißesten Sterne können innerhalb von etwa fünf Millionen Jahren entstehen, wachsen, explodieren und einen Neutronenstern zurücklassen, der Röntgenstrahlen emittiert.“

Durchmusterungsprogramme der Galaxie in den Jahren 2007 und 2008 registrierten keine Röntgenemissionen an der Position von SN 2010da. Daher vermutet Binder, dass die von ihnen erstmals im Jahr 2010 entdeckten Röntgenstrahlen das erste „Einschalten“ des Neutronensterns nach seiner Entstehung darstellen. Die Röntgenstrahlen werden wahrscheinlich produziert, wenn Materie des Hochstapler-Sterns auf den begleitenden Neutronenstern übertragen wird.

„Das würde bedeuten, dass dies ein wirklich seltenes System im Frühstadium seiner Entstehung ist“, sagte Binder. „Wir könnten eine Menge über die Entstehung und den Tod von massereichen Sternen erfahren, wenn wir dieses einzigartige Paar weiterhin beobachten.“

Nach der Lösung des Rätsels würde Binder das System SN 2010da gerne weiter beobachten, um zu sehen, was sie noch über seine Entstehung und Entwicklung herausfinden kann. Seine Heimatgalaxie, in der bereits zuvor einmalige Doppelsternsysteme gefunden wurden, wird sie sicherlich auf Trab halten. Sie plant außerdem eine Nachfolgestudie über andere kürzliche Supernova-Hochstapler, bei der ihr ein Student der UW Bothell helfen wird.

Zu den Co-Autoren der Abhandlung gehören der Astronomie-Professor Ben Williams von der University of Washington, Albert Kong von der National Tsing Hua University, Terry Gaetz und Paul Plucinsky vom Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics (CfA), Evan Skillman von der University of Minnesota und Andrew Dolphin von der Raytheon Company. Ihre Arbeit wurde von der NASA finanziert.

Quelle: http://www.washington.edu/news/2016/02/12/caught-in-the-act-uw-astronomers-find-a-rare-supernova-imposter-in-a-nearby-galaxy/

(THK)

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