Wissenschaftler haben Daten des Chandra X-ray Observatory und des Karl G. Jansky Very Large Array genutzt, um den wahrscheinlichen Auslöser der jüngsten Supernova in der Milchstraßen-Galaxie zu bestimmen. Sie wandten eine neue Technik an, die Auswirkungen auf das Verständnis anderer Typ-Ia-Supernovae haben könnte. Typ-Ia-Supernovae sind eine Klasse stellarer Explosionen, die von Forschern verwendet wird, um die Expansionsrate des Universums zu messen.
Astronomen hatten G1.9+0.3 zuvor als den Überrest der jüngsten Supernova in unserer Galaxie identifiziert. Sie fand vor schätzungsweise 110 Jahren in einer staubigen Region der Galaxie statt, die das sichtbare Licht daran hinderte, die Erde zu erreichen. G1.9+0.3 gehört zur Klasse der Typ-Ia-Supernovae – einer wichtigen Supernovaklasse, die verlässliche Helligkeitsmuster zeigt. Die Helligkeitsmuster machen sie zu wertvollen Hilfsmitteln für die Messung der Expansionsrate des Universums.
“Astronomen nutzen Typ-Ia-Supernovae als Entfernungsmesser quer durch das Universum, was uns dabei half zu entdecken, dass seine Expansion beschleunigt abläuft”, sagte Sayan Chakraborti, der Leiter der Studie von der Harvard University. “Falls es irgendwelche Unterschiede bezüglich dessen gibt, wie diese Supernovae explodieren und wie viel Licht sie produzieren, könnte sich das auf unser Wissen über die Expansion auswirken.”
Die meisten Wissenschaftler stimmen darin überein, dass Typ-Ia-Supernovae stattfinden, wenn Weiße Zwerge explodieren – das sind die dichten Überreste sonnenähnlicher Sterne, die ihren Brennstoff aufgebraucht haben. Allerdings gibt es Diskussionen darüber, was diese Explosionen der Weißen Zwerge auslöst. Zwei Haupttheorien sind die Ansammlung von Materie eines Begleitsterns auf einem Weißen Zwerg oder die Verschmelzung zweier Weißer Zwerge.
Die neue Forschungsarbeit mit archivierten Chandra- und VLA-Daten untersucht, wie der expandierende Supernova-Überrest G1.9+0.3 mit dem Gas und Staub in der Umgebung des Explosionsortes reagiert. Die resultierenden Radio- und Röntgenemissionen liefern Anhaltspunkte über den Ursprung der Explosion. Der theoretischen Arbeit von Chakrabortis Team zufolge wird ein Anstieg der Röntgen- und Radiohelligkeit des Supernova-Überrests im Verlauf nur dann erwartet, wenn eine Verschmelzung zweier Weißer Zwerge stattgefunden hat.
“Wir beobachteten, dass die Röntgen- und Radiohelligkeit mit der Zeit zunahm, daher deuten die Daten stark auf eine Kollision zweier Weißer Zwerge als Auslöser der Supernova-Explosion in G1.9+0.3 hin”, sagte Co-Autorin Francesca Childs, ebenfalls von der Harvard University. Das Ergebnis lässt darauf schließen, dass Typ-Ia-Supernovae entweder alle von Kollisionen zwischen Weißen Zwergen verursacht werden, oder dass sie sowohl von Kollisionen als auch durch den Mechanismus entstehen, bei dem ein Weißer Zwerg Materie von einem Begleitstern abzieht.
“Es ist wichtig, den Auslösemechanismus von Typ-Ia-Supernovae zu identifizieren, denn wenn es mehr als eine Ursache gibt, dann könnte sich der Beitrag jeder einzelnen davon im Laufe der Zeit verändern”, sagte Alicia Soderberg von der Harvard University, eine andere Co-Autorin der Studie. Das bedeutet, dass Astronomen vielleicht die eine oder andere Art und Weise rekalibrieren müssten, wie Typ-Ia-Supernova als Standardkerzen in der Kosmologie verwendet werden.”
Das Team machte außerdem eine neue Altersschätzung des Supernova-Überrests auf etwa 110 Jahre – jünger als bisherige Schätzungen von rund 150 Jahren. Weitere Fortschritte beim Verstehen des Auslösemechanismus sollten sich aus der Untersuchung von Typ-Ia-Supernovae in nahen Galaxien ergeben, nachdem das VLA kürzlich ein Update für verbesserte Empfindlichkeit erhalten hatte.
Eine Abhandlung, die diese Ergebnisse beschreibt, erschien in der Ausgabe des Astrophysical Journal vom 1. März 2016. Das Marshall Space Flight Center der NASA in Huntsville (Alabama) leitet das Chandra-Programm für das Science Mission Directorate in Washington. Das Smithsonian Astrophysical Observatory in Cambridge (Massachusetts) steuert Chandras Wissenschafts- und Flugoperationen.
(THK)
Antworten