Die vier Planeten des Systems Kepler-223 schienen wenig mit den heutigen Planeten unseres eigenen Sonnensystems gemeinsam zu haben. Aber eine neue Studie mit Daten des Weltraumteleskops Kepler schlägt eine mögliche Gemeinsamkeit in der fernen Vergangenheit vor: Die Planeten des Systems Kepler-223 umkreisen ihren Stern in der gleichen Konfiguration, die Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun in der Frühgeschichte unseres Sonnensystems gehabt haben könnten, bevor sie an ihre aktuellen Positionen migrierten.
„Wie und wo genau Planeten entstehen ist eine offene Frage in der Planetenforschung“, sagte Sean Mills, Doktorand für Astronomie und Astrophysik an der University of Chicago in Illinois und Hauptautor der Studie. „Unsere Arbeit testet im Wesentlichen ein Modell der Planetenentstehung für einen Planetentyp, den wir in unserem Sonnensystem nicht haben.“
Die Gasplaneten im Orbit um Kepler-223 sind alle viel massereicher als die Erde und befinden sich nahe an ihrem Stern. „Deshalb gibt es große Diskussionen darüber, wie sie entstanden, wie sie dorthin gelangten und warum wir keinen vergleichbaren Planeten in unserem Sonnensystem haben“, sagte Mills.
Mills und seine Mitarbeiter nutzten Daten von Kepler (dessen Mission jetzt als K2 bezeichnet wird), um zu analysieren, wie die vier Planeten das Licht ihres Sterns abschwächen und gegenseitig ihre Umlaufbahnen beeinflussen. Diese Informationen lieferten den Forschern auch die Größen und Massen der Planeten. Das Team führte numerische Simulationen der planetaren Migration durch, welche die derzeitige Konfiguration des Systems hervorbringen – vergleichbar mit der Migration, die für die Gasriesen des Sonnensystems angenommen wird. Diese Berechnungen werden in der Onlineausgabe des Journals Nature vom 11. Mai 2016 beschrieben.
Die Orbitalkonfiguration unseres eigenen Sonnensystems scheint sich seit seiner Entstehung vor 4,6 Milliarden Jahren weiterentwickelt zu haben. Die vier bekannten Planeten des viel älteren Systems Kepler-223 haben jedoch eine einzige Orbitalkonfiguration über eine viel längere Zeit beibehalten.
Astronomen bezeichnen die Planeten von Kepler-223 als Subneptune. Wahrscheinlich bestehen sie aus einem festen Kern und einer Hülle aus Gas, und sie umkreisen ihren Stern mit Umlaufperioden die lediglich zwischen sieben und 19 Tagen liegen. Sie sind der häufigste Planetentyp in der Galaxie, auch wenn sich nichts Ähnliches im Orbit um die Sonne befindet.
Die Planeten um Kepler-223 weisen auch ein Resonanzverhalten auf, was bedeutet, dass ihre gravitativen Auswirkungen aufeinander eine periodische Beziehung zwischen ihren Umlaufbahnen erzeugen. Planeten sind in einer Resonanz, wenn beispielsweise einer von ihnen einmal die Sonne umkreist, während der nächste genau zwei Umrundungen macht. Drei der größten Jupitermonde, an denen das Phänomen entdeckt wurde, zeigen Resonanzen.
Kepler-223 ist der erste Fall, bei dem vier Planeten in einem Exoplanetensystem ein bestätigtes Resonanzverhalten aufweisen. „Dies ist das extremste Beispiel des Phänomens“, sagte Daniel Fabrycky, ein Assistenzprofessor für Astronomie und Astrophysik an der University of Chicago und Co-Autor der Studie.
Video-Link: https://youtu.be/Bi-TFHNVfwY
Diese Animation zeigt eine Simulation der Umlaufbahnen des Systems Kepler-223 im Verlauf der Zeit. (Daniel Fabrycky and Cezary Migazewski)
Entstehungsszenarien
„Das System Kepler-223 liefert alternative Szenarien zur Entstehung und Migration von Planeten in einem System, das sich von unserem eigenen unterscheidet“, sagte der Co-Autor Howard Isaacson, Astronom an der University of California in Berkeley und Mitglied des California Planet Search Teams.
„Daten von Kepler und dem Keck Telescope waren diesbezüglich absolut entscheidend“, sagte Isaacson. Dank Beobachtungen von Kepler-223 und anderen Exoplanetensystemen „kennen wir jetzt Systeme, die anders als unser Sonnensystem sind: Sie besitzen heiße Jupiter, oder Planeten, die näher an ihrem Stern liegen als Merkur an der Sonne, oder Planeten im Größenbereich zwischen Erde und Neptun. Solche Planeten gibt es in unserem Sonnensystem nicht. Andere Planetentypen kommen sehr häufig vor.“
An manche Stadien der Planetenentstehung können brachiale Prozesse beteiligt sein. Aber während anderer Stadien können sich Planeten auf ruhige Art und Weise aus Gasscheiben entwickeln, was vermutlich auf die Subneptune des Systems Kepler-223 zutrifft. „Wir denken, dass zwei Planeten durch diese Scheibe migrieren, hängenbleiben und dann gemeinsam weiter migrieren. Sie finden einen dritten Planeten, bleiben hängen und migrieren zusammen weiter, bis sie einen vierten Planeten finden und wieder hängenbleiben“, erklärte Mills.
Dieser Prozess unterscheidet sich völlig von dem, der nach Ansicht der Wissenschaftler zur Entstehung von Merkur, Venus, Erde und Mars führte: Sie entstanden wahrscheinlich an ihren derzeitigen Positionen. Die Erde bildete sich im Rahmen eines brachialen und chaotischen Prozesses aus kollidierenden Himmelskörpern von der Größe des Mars oder des Mondes. Wenn sich Planeten auf diese Weise bilden, sind ihre endgültigen Umlaufperioden nicht in einer Resonanz.
Erhebliche Wanderung
Allerdings vermuten Wissenschaftler, dass die größeren, entfernteren Planeten des Sonnensystems – Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun – während ihrer Entstehung deutlich wanderten. Sie könnten aus einer Resonanz herausgerissen worden sein, die einst der von Kepler-223 ähnelte, möglicherweise durch Wechselwirkungen mit zahlreichen Asteroiden und kleinen Planetesimalen.
„Diese Resonanzen sind extrem empfindlich“, sagte Fabrycky. „Falls Himmelskörper herumflogen und miteinander kollidierten, hätten sie die Planeten aus der Resonanz gebracht.“ Aber die Planeten um Kepler-223 haben es irgendwie geschafft, dieser Streuung zu widerstehen.
Das Ames Research Center der NASA in Moffett Field (Kalifornien) leitet die Kepler- und K2-Missionen für das Science Mission Directorate. Das Jet Propulsion Laboratory (JPL) der NASA in Pasadena (Kalifornien) leitete die Entwicklung der Kepler-Mission. Die Ball Aerospace & Technologies Corporation steuert das Flugsystem mit Unterstützung des Laboratory for Atmospheric and Space Physics an der University of Colorado in Boulder.
Quelle: https://www.nasa.gov/feature/jpl/kepler-223-system-clues-to-planetary-migration
(THK)
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