Hubble fotografiert stellare Feuerwerke in der Zwerggalaxie Kiso 5639

Die sternbildende Zwerggalaxie Kiso 5639, aufgenommen vom Weltraumteleskop Hubble. Die Beschriftungen zeigen die Farben der verwendeten Filter an und geben einen Größenvergleich. (NASA, ESA, and Z. Levay (STScI))
Die sternbildende Zwerggalaxie Kiso 5639, aufgenommen vom Weltraumteleskop Hubble. Die Beschriftungen zeigen die Farben der verwendeten Filter an und geben einen Größenvergleich. (NASA, ESA, and Z. Levay (STScI))

Feuerwerke sind nicht nur auf den irdischen Himmel begrenzt: Das Weltraumteleskop Hubble hat ein spektakuläres Feuerwerk in einer kleinen, nahen Galaxie fotografiert, das an eine Feuerwerksrakete zum 4. Juli erinnert.

Ein Feuersturm aus Sternentstehungsprozessen erhellt das eine Ende der kleinen Galaxie Kiso 5639. Die Zwerggalaxie sieht eigentlich wie ein flacher Pfannkuchen aus, aber weil man sie von der Seite betrachtet, erinnert ihr Erscheinungsbild an eine Feuerwerksrakete mit einem hell leuchtenden Kopf und einem langen, sternbesetzten Schweif.

Kiso 5639 ist ein seltenes, nahes Beispiel für längliche Galaxien, die in größeren Entfernungen häufiger auftreten, wo wir das Universum in früheren Zeitperioden beobachten. Astronomen vermuten, dass die intensiven Sternentstehungsprozesse an dem einen Ende der Galaxie durch intergalaktisches Gas genährt werden, das in die Galaxie eindringt, während sie durch den Weltraum treibt.

“Ich denke, Kiso 5639 ist ein schönes, nahes Beispiel für etwas, das vor langer Zeit alltäglich gewesen sein muss”, sagte die leitende Wissenschaftlerin Debra Elmegreen vom Vassar College in Pughkeepsie (New York). “Die aktuelle Sichtweise besagt, dass Galaxien im frühen Universum durch die Ansammlung von Gas aus der umgebenden Nachbarschaft wuchsen. Es ist ein Stadium, das Galaxien – unsere Milchstraßen-Galaxie eingeschlossen – durchlaufen müssen, wenn sie wachsen.”

Beobachtungen des frühen Universums wie beispielsweise das Hubble Ultra Deep Field enthüllen, dass etwa zehn Prozent aller Galaxien eine längliche Form besitzen; gemeinsam werden sie als “Kaulquappen-Galaxien” bezeichnet. Aber Studien des nahen Universums haben nur wenige dieser ungewöhnlichen Galaxien gefunden, darunter Kiso 5639. Die Entwicklung der nahen, sternbildenden “Kaulquappen-Galaxien” hinkt allerdings hinter jener ihrer Artgenossen hinterher, die Milliarden Jahre damit verbracht haben, sich zu den heute beobachteten Spiralgalaxien aufzubauen und zu entwickeln.

Elmegreen nutzte Hubbles Wide Field Planetary Camera 3 (WFPC3), um eine detaillierte Bildstudie von Kiso 5649 durchzuführen. Die Bilder in verschiedenen Filtern geben Informationen über das Objekt preis, indem sein Licht in seine Komponenten zerlegt wird. Die scharfe Auflösung Hubbles half Elmegreen und ihrem Team dabei, die riesigen sternbildenden Knoten in Kiso 5639 zu analysieren und die Massen und Alter der Sternhaufen zu bestimmen.

Das internationale Forschungsteam wählte Kiso 5639 aus einer spektroskopischen Durchmusterung von zehn nahen “Kaulquappen-Galaxien” aus, die von J. Sánchez Almeida und Mitarbeitern am Instituto de Astrofísica de Canarias mit dem Grand Canary Telescope auf La Palma (Spanien) beobachtet wurden. Die Beobachtungen zeigten, dass die Gaszusammensetzung in den meisten der Galaxien nicht gleichmäßig ist, auch in Kiso 5639 nicht.

Das helle Gas im Kopf der Galaxie enthält weniger schwere Elemente (sogenannte “Metalle”) wie Kohlenstoff und Sauerstoff als der Rest der Galaxie. Sterne bestehen hauptsächlich aus Wasserstoff und Helium, aber produzieren andere schwerere Elemente. Wenn die Sterne sterben, setzen sie ihre schweren Elemente frei, die das umgebende Gas anreichern.

“Die Metallizität spricht dafür, dass es dort fast reines Gas geben muss, das vorwiegend aus Wasserstoff besteht und in die sternbildende Region der Galaxie eindringt, weil der intergalaktische Weltraum mehr unberührtes, wasserstoffreiches Gas enthält”, erklärte Elmegreen. “Ansonsten müsste die Sternentstehungsregion reich an schweren Elementen sein wie der Rest der Galaxie.”

Hubble bietet einen detailreichen Einblick in die Sternentstehungsprozesse der Galaxie. Das Teleskop identifizierte mehrere Dutzend Sternhaufen in dem sternbildenden Kopf der Galaxie, dessen Durchmesser 2.700 Lichtjahre beträgt. Diese Sternhaufen sind durchschnittlich weniger als eine Million Jahre alt, und ihre Massen sind 3-6 Mal größer als die Massen der Sternhaufen im Rest der Galaxie. In der gesamten Galaxie finden weitere Sternentstehungsprozesse statt, allerdings in einer viel geringeren Größenordnung. Die Sternhaufen im Rest der Galaxie sind zwischen mehreren Millionen und wenigen Milliarden Jahre alt.

“Im Kopf der Galaxie finden deutlich mehr Sternentstehungsprozesse statt, als man bei einer so winzigen Galaxie erwarten würde”, sagte das Teammitglied Bruce Elmegreen vom IBM Thomas J. Watson Research Center in Yorktown Heights (New York). “Und wir denken, dass die Sternentstehungsprozesse durch die laufende Akkretion von metallarmem Gas auf einen Teil einer ansonsten ruhigen Zwerggalaxie ausgelöst werden.”

Hubble offenbarte außerdem riesige Löcher, die innerhalb des sternbildenden Galaxienkopfes verstreut sind. Diese Leerräume verleihen dem Galaxienkopf das Aussehen eines Schweizer Käses, weil zahlreiche Supernova-Explosionen Blasen aus superheißem Gas ausgehöhlt haben. Die Galaxie liegt 82 Millionen Lichtjahre entfernt und brauchte Milliarden Jahre für ihre Entwicklung, weil sie durch eine isolierte “Wüste” im Universum driftet, wo es nicht viel Gas gibt.

Was löste den Starburst in einer so abgelegenen Galaxie aus? Basierend auf Simulationen von Daniel Ceverino vom Zentrum für Astronomie an der Universität Heidelberg (Deutschland) und anderen Teammitgliedern deuten die Beobachtungen darauf hin, dass die Frontseite von Kiso 5639 vor weniger als einer Million Jahren auf ein Gasfilament traf. Das Filament ließ eine große Materieansammlung auf die Galaxie prallen und rief so die intensive Sternbildung hervor.

Debra Elmegreen geht davon aus, dass sich andere Bereiche der Galaxie in Zukunft an dem sternbildenden Feuerwerk beteiligen werden. “Galaxien rotieren, und wenn sich Kiso 5639 weiterdreht, könnte ein anderer Teil der Galaxie eine Infusion mit neuem Gas aus diesem Filament erhalten, was eine neue Runde mit Sternentstehungsprozessen einläuten würde”, sagte sie.

Die Ergebnisse des Teams wurden zur Veröffentlichung im Astrophysical Journal freigegeben. Zu dem Team gehörten außerdem noch Casiana Muñoz-Tuñón und Mercedes Filho (Instituto de Astrofísica de Canarias, Kanarische Inseln), Jairo Mendez-Abreu (University of St. Andrews, Vereinigtes Königreich), John Gallagher (University of Wisconsin-Madison) und Marc Rafelski (NASA Goddard Space Flight Center, Greenbelt (Maryland, USA)).

Quelle: http://hubblesite.org/newscenter/archive/releases/2016/23/full/

(THK)

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