Astro-Bild der Woche: NGC 2174 – Ein kosmischer Van Gogh

NGC 2714, aufgenommen vom Wide-Field Infrared Survey Explorer (WISE). (NASA / JPL-Caltech / UCLA)
NGC 2714, aufgenommen vom Wide-Field Infrared Survey Explorer (WISE). (NASA / JPL-Caltech / UCLA)

Auf den ersten Blick könnte man meinen, dass das Weltraumteleskop WISE hier einen kosmischen Van Gogh gefunden hat. Zumindest erinnern die farbenprächtigen Gas- und Staubwolken ein wenig an die Werke des berühmten niederländischen Malers aus dem 19. Jahrhundert.

NGC 2174, so die Katalogbezeichnung des Nebels, befindet sich nah an der Grenze zwischen den beiden Sternbildern Orion und Gemini (Zwillinge), gehört formal aber zu ersterem. Er ist circa 6.400 Lichtjahre von unserem Sonnensystem entfernt – fast fünfmal weiter als der bekannte Orionnebel. Entdeckt wurde er von dem französischen Astronomen Édouard Jean-Marie Stephan im Jahr 1877 (übrigens ein paar Jahre vor der kreativen Malereiphase Van Goghs, die Anfang der 1880er Jahre begann, aber das nur nebenbei). Stephan nutzte für die Entdeckung ein für die damalige Zeit schon recht beeindruckendes Spiegelteleskop mit 80 Zentimetern Öffnung. Der Nebel kann allerdings auch schon mit wesentlich kleineren Amateurteleskopen beobachtet werden, wenn auch nicht so farbenprächtig, wie auf den WISE-Bildern dargestellt.

Der visuelle Blick live durch ein Teleskop ist zwar faszinierend, zeigt die fernen Nebel und Galaxien aber weitgehend in schwachen Graustufen. Der Farbeindruck kommt erst ab einer bestimmten Helligkeit und Belichtungszeit, die für Kamerasensoren zwar kein Problem sind, für das menschliche Auge hingegen schon. Im Fall der obenstehenden Aufnahme kommt noch hinzu, dass das Bild nicht im sichtbaren Wellenlängenbereich aufgenommen wurde. Der Wide-field Infrared Survey Explorer (WISE) registriert sozusagen die Wärmestrahlung der anvisierten Objekte: Infrarotwellen, die für das menschliche Auge unsichtbar sind. Um sie sichtbar zu machen, müssen den infraroten Wellenlängen bestimmte Farben des optischen Spektrums zugeordnet werden.

Grüne und rote Farbtöne repräsentieren die infraroten Wellenlängen bei zwölf und 22 Mikrometern. Es handelt sich dabei um interstellaren Staub, der durch die Strahlung der Sterne im Zentrum des Nebels erwärmt wird und Energie in Form von Infrarotlicht abgibt. Die blauen und blaugrünen Nuancen lassen auf Sterne schließen, die verglichen mit dem interstellaren Staub heißer sind und Infrarotlicht bei 3,4 und 4,6 Mikrometern Wellenlänge emittieren.

Wie man auf dem Bild erkennen kann, besitzt der Nebel eine blasenförmige Gestalt und erscheint wie ausgehöhlt. Das entspricht auch der Realität, denn der Nebel wird regelrecht abgetragen. Die energiereiche ultraviolette Strahlung der jungen Sterne in seinem Zentrum erodiert die Gasmoleküle. Dazu kommen starke Sternwinde, die den Nebel teilweise wegblasen. Dichte und weiter entfernte Nebelstrukturen können den Sternwinden und der Strahlung länger standhalten als weniger dichte und nahe gelegene Gaswolken. Auf diese Weise haben die Sterne die Gaswolken in ihrer näheren Umgebung ausgehöhlt und werden mit diesem Prozess auch fortfahren. NGC 2174 könnte in einigen Hundert Jahren daher ganz anders aussehen als jetzt.

Obwohl Weltraumteleskope wie WISE nur Momentaufnahmen machen, helfen sie Astronomen dabei, die Komplexität und Dynamik von Sternentstehungsregionen zu verstehen. Und manchmal schlagen sie auch einen Bogen zwischen Wissenschaft und Kunst – jeder darf selbst entscheiden, welchen Aspekt man höher gewichtet.

Eine größere Version der Aufnahme gibt es unter:
http://photojournal.jpl.nasa.gov/jpeg/PIA14091.jpg

Anmerkung der Redaktion
Die anderen drei Vorschläge für das Astro-Bild der Woche waren:
Bild 1: Der Himmelsausschnitt um den Sternhaufen NGC 2259
Bild 2: Emissionsnebel im Sternbild Perseus
Bild 4: Die Sternentstehungsregion SH 2-235 in Infrarot

(THK)

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