Fermi findet rekordbrechenden Doppelstern in der Großen Magellanschen Wolke

LMC P3 (Kreis) liegt in einem Supernova-Überrest namens DEM L241 in der Großen Magellanschen Wolke. (NOAO / CTIO / MCELS, DSS)
LMC P3 (Kreis) liegt in einem Supernova-Überrest namens DEM L241 in der Großen Magellanschen Wolke. (NOAO / CTIO / MCELS, DSS)

Mit Hilfe von Daten des Fermi Gamma-ray Space Telescope und anderen Einrichtungen hat ein internationales Forschungsteam den ersten Gammadoppelstern in einer anderen Galaxie gefunden – und den bislang hellsten. Das Doppelsternsystem namens LMC P3 enthält einen massereichen Stern und einen kollabierten stellaren Kern, die miteinander interagieren, um eine zyklische Flut aus Gammastrahlen zu produzieren, der energiereichsten Form von Licht.

“Fermi hat nur fünf Systeme dieser Art in unserer eigenen Galaxie entdeckt, daher ist der Fund eines so hellen und fernen Exemplars ziemlich aufregend”, sagte der leitende Wissenschaftler Robin Corbet vom Goddard Space Flight Center der NASA in Greenbelt (Maryland). Gammadoppelsterne sind von Bedeutung, weil sich die Menge der emittierten Gammastrahlen während jeder Umkreisung deutlich verändert, manchmal auch über längere Zeitspannen hinweg. Diese Veränderung lässt uns viele der Emissionsprozesse detailliert untersuchen, die bei anderen Gammaquellen ablaufen.”

Diese seltenen Systeme enthalten entweder einen Neutronenstern oder ein Schwarzes Loch und geben den Großteil ihrer Energie in der Form von Gammastrahlen ab. Bemerkenswerterweise ist LMC P3 das hellste dieser Systeme, das in Gammastrahlen, Röntgenstrahlen, Radiowellen und sichtbarem Licht bekannt ist. Und es ist erst das zweite, das mit Fermi entdeckt wurde. Eine Abhandlung, die die Entdeckung beschreibt, wird in der Astrophysical Journal-Ausgabe vom 1. Oktober 2016 veröffentlicht und ist online verfügbar.

LMC P3 liegt inmitten der expandierenden Überreste einer Supernova-Explosion in der Großen Magellanschen Wolke (Large Magellanic Cloud, LMC), einer kleinen Nachbargalaxie, die etwa 163.000 Lichtjahre entfernt ist. Im Jahr 2012 fanden Wissenschaftler mit dem Chandra X-ray Observatory der NASA eine starke Röntgenquelle in dem Supernova-Überrest und zeigten, dass sie einen heißen, jungen Stern mit vielen Sonnenmassen umkreiste. Die Forscher schlussfolgerten, dass das kompakte Objekt entweder ein Neutronenstern oder ein Schwarzes Loch ist und klassifizierten das System als einen massereichen Röntgendoppelstern.

Im Jahr 2015 begann Corbets Team in Fermi-Daten nach neuen Gammadoppelsternen zu suchen, indem die Forscher nach den periodischen Veränderungen Ausschau hielten, die für diese Systeme charakteristisch sind. Die Wissenschaftler entdeckten eine zyklische Veränderung im Abstand von 10,3 Tagen, die auf eine von mehreren Gammapunktquellen zentriert war, welche kürzlich in der Großen Magellanschen Wolke identifiziert wurden. Eine von ihnen, P3 genannt, stand nicht in Zusammenhang mit Objekten, die in anderen Wellenlängenbereichen beobachtet wurden, lag aber nahe des massereichen Röntgendoppelsterns. Waren sie dasselbe Objekt?

Um das herauszufinden, beobachtete Corbets Team den Doppelstern mit dem NASA-Satelliten Swift im Röntgenbereich, mit dem Australian Telescope Compact Array in der Nähe von Narrabi in Radiowellenlängen und mit dem 4,1-Meter Southern Astrophysical Research Telescope auf dem Cerro Pachón (Chile) sowie dem 1,9-Meter-Teleskop des South African Astronomical Observatory nahe Kapstadt (Südafrika) in sichtbaren Wellenlängen.

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Video-Link: https://youtu.be/6sL7_65lMLk

Visualisierung des Doppelsternsystems LMC P3. (NASA / Goddard Space Flight Center / Scott Wiessinger, producer)

Die Swift-Beobachtungen offenbaren deutlich den gleichen 10,3-Tage-Emissionszyklus, der von Fermi im Gammabereich registriert wurde. Sie sprechen zudem dafür, dass die hellsten Röntgenemissionen entgegengesetzt zur Gamma-Spitzenhelligkeit liegen: Wenn die Röntgenemissionen ihr Maximum erreicht haben, befinden sich die Gammaemissionen an ihrem Minimum und umgekehrt. Die Radiodaten zeigen die gleiche Periode und phasenverschobene Beziehung mit der Gamma-Spitzenhelligkeit, was bestätigt, dass LMC P3 tatsächlich dasselbe System ist, das zuvor von Chandra untersucht wurde.

“Die optischen Beobachtungen zeigen Veränderungen aufgrund der Orbitalbewegung des Doppelsternsystems, aber weil wir nicht wissen, wie die Umlaufbahn zu uns geneigt ist, können wir die einzelnen Massen nur schätzen”, sagte das Teammitglied Jay Strader, ein Astrophysiker an der Michigan State University in East Lansing. “Der Stern besitzt 25-40 Sonnenmassen, und wenn wir das System in einem Winkel mittig zwischen Kanten- und Frontalstellung sehen (was am wahrscheinlichsten ist), dann ist sein Begleiter ein Neutronenstern mit etwa der doppelten Sonnenmasse. “Wenn wir das System allerdings fast frontal sehen, dann muss der Begleiter entscheidend mehr Masse haben und ein Schwarzes Loch sein.

Beide Objekte entstehen, wenn ein massereicher Stern seinen Brennstoff verbraucht hat und unter seiner eigenen Schwerkraft kollabiert und als Supernova explodiert. Der kollabierte Kern könnte ein Neutronenstern werden, der die Masse von einer halben Million Erden in einer Kugel vereinigt, die nicht größer als Washington, D.C. ist. Oder er könnte noch weiter zu einem Schwarzen Loch kollabieren, welches ein so starkes Gravitationsfeld besitzt, dass nicht einmal das Licht entkommen kann.

Die Oberfläche des Sterns im Zentrum von LMC P3 hat eine Temperatur von über 33.000 Grad Celsius – das ist mehr als das Sechsfache der Oberflächentemperatur unserer Sonne. Der Stern ist so leuchtstark, dass der Druck des von ihm abgestrahlten Lichts sogar Materie von der Oberfläche mitreißt und Teilchenströme mit Geschwindigkeiten von mehreren Millionen Kilometern pro Stunde erzeugt.

Beobachtungen mit Fermis Large Area Telescope (LAT) zeigen, dass die Gammaemissionen von LMC P3 über einen Zeitraum von 10,3 Tagen zyklisch ansteigen und abfallen. Die Bilder im oberen Teil der Grafik demonstrieren, wie sich die veränderliche Position des Neutronensterns auf den Zyklus der Gammaemissionen auswirkt. (NASA / Goddard Space Flight Center)
Beobachtungen mit Fermis Large Area Telescope (LAT) zeigen, dass die Gammaemissionen von LMC P3 über einen Zeitraum von 10,3 Tagen zyklisch ansteigen und abfallen. Die Bilder im oberen Teil der Grafik demonstrieren, wie sich die veränderliche Position des Neutronensterns auf den Zyklus der Gammaemissionen auswirkt. (NASA / Goddard Space Flight Center)

Man nimmt an, dass der kompakte Teil von Gammadoppelsternen selbst einen “Wind” erzeugt, der aus Elektronen besteht, welche fast bis auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigt wurden. Die wechselwirkenden Ausströmungen produzieren Röntgenstrahlen und Radiowellen im Laufe einer Umkreisung, aber diese Emissionen werden am stärksten registriert, wenn sich der kompakte Begleiter auf seiner Umlaufbahn am nächsten zur Erde befindet.

Durch einen anderen Mechanismus emittiert der Elektronenwind auch Gammastrahlung. Wenn Licht des Sterns mit hochenergetischen Elektronen kollidiert, erhält es eine Beschleunigung auf Gammawerte. Dieser Prozess wird als inverse Compton-Streuung bezeichnet und erzeugt mehr Gammastrahlung, wenn der kompakte Begleiter aus unserer Perspektive betrachtet auf der fernen Seite seiner Umlaufbahn den Stern passiert.

Vor dem Start Fermis hielt man Gammadoppelsterne für häufiger als sich letztlich herausstellte. Hunderte massereiche Röntgendoppelsterne sind katalogisiert, und man vermutet, dass diese Systeme aus Gammadoppelsternen hervorgingen, nachdem die Supernova das kompakte Objekt gebildet hatte.

“Es ist sicherlich eine Überraschung, einen Gammadoppelstern in einer anderen Galaxie nachzuweisen, bevor wir mehr von ihnen in unserer eigenen Galaxie finden”, sagte Guillaume Dubus, ein Teammitglied am Institute of Planetology and Astrophysics in Grenoble (Frankreich). “Eine Möglichkeit ist, dass die von Fermi registrierten Gammadoppelsterne seltene Fälle darstellen, bei denen eine Supernova einen Neutronenstern mit außergewöhnlich schneller Rotationsgeschwindigkeit bildete. Das würde die Produktion von beschleunigten Teilchen und Gammastrahlen erhöhen.”

Das Fermi Gamma-ray Space Telescope der NASA ist eine Partnerschaft aus Astrophysik und Teilchenphysik. Es wurde in Zusammenarbeit mit dem US-Energieministerium und mit wichtigen Beiträgen von akademischen Institutionen und Partnern in Frankreich, Deutschland, Italien, Japan, Schweden und den Vereinigten Staaten entwickelt.

Quelle: https://www.nasa.gov/feature/goddard/2016/nasas-fermi-finds-record-breaking-binary-in-galaxy-next-door

(THK)

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