Der Großteil der Kernreaktionen, die die Nukleosynthese der Elemente in unserem Universum antreiben, finden unter sehr extremen Bedingungen in stellarem Plasma statt. Diese Umgebung im tiefen Innern von Sternen hat es für Wissenschaftler nahezu unmöglich gemacht, Messungen bei diesen Bedingungen durchzuführen – bis jetzt.
In einer einzigartigen interdisziplinären Zusammenarbeit auf den Gebieten der Plasmaphysik, Nuklearastrophysik und Laserfusion beschreibt ein Forschungsteam Experimente, die unter Bedingungen wie jenen in Sternen durchgeführt wurden. Zu dem Team gehören Forscher des Lawrence Livermore National Laboratory (LLNL), der Ohio University, des Massachusetts Institute of Technology (MIT) und des Los Alamos National Laboratory (LANL). Die Ergebnisse des Teams wurden am 7. August 2017 im Journal Nature Physics veröffentlicht.
Die Experimente sind die ersten thermonuklearen Messungen des Wirkungsquerschnitts von Kernreaktionen in Plasmabedingungen mit hohen Energiedichten, wie sie in den Kernen von Riesensternen mit 10-40 Sonnenmassen auftreten. Der Wirkungsquerschnitt ist eine Größe, welche die Wahrscheinlichkeit beschreibt, dass die Reaktionspartner eine Fusionsreaktion eingehen. Diese extremen Plasmabedingungen weisen Wasserstoffisotopdichten auf, die um den Faktor 1.000 komprimiert sind und der Dichte von festem Blei nahekommen. Die Temperaturen betragen dabei ungefähr 50 Millionen Kelvin. Dies sind die Bedingungen in Sternen, die zu Supernovae führen, den gewaltigsten Explosionen im Universum.
“Normalerweise werden derartige Nuklearastrophysik-Experimente in Beschleunigern im Labor durchgeführt, was bei den niedrigen Energien, die für die Nukleosynthese oft relevant sind, besonders anspruchsvoll wird”, sagte der Physiker Dan Casey vom LLNL, der Hauptautor der Abhandlung. “Weil der Wirkungsquerschnitt der Kernreaktion mit abnehmender Energie der Reaktionspartner schnell absinkt, werden Korrekturen des Abschirmungseffekts der gebundenen Elektronen entscheidend, und terrestrische und kosmische Hintergrundquellen werden eine große experimentelle Herausforderung.”
Die Arbeit wurde an der National Ignition Facility (NIF) am LLNL durchgeführt, der weltweit einzigen Einrichtung, die imstande ist, die Temperaturen und Druckverhältnisse in den Kernen von Sternen und Riesenplaneten zu erzeugen. Die NIF wurde verwendet, um eine gasgefüllte Kapsel implodieren zu lassen. Dabei werden Kapseln auf so hohe Temperaturen aufgeheizt und so stark komprimiert, dass Kernreaktionen stattfinden können.
“Eines der wichtigsten Ergebnisse ist, dass wir frühere Messungen reproduziert haben, die mit Beschleunigern in völlig anderen Bedingungen gemacht wurden”, sagte Casey. “Das stellt wirklich ein neues Hilfsmittel auf dem Gebiet der Nuklearastrophysik für die Untersuchung der verschiedenen Prozesse und Reaktionen dar, die auf andere Weise schwer zugänglich sein könnten.”
“Am wichtigsten ist vielleicht, dass diese Arbeit die Grundlage für potenzielle, experimentelle Tests von Phänomenen bereitstellt, die nur in den extremen Plasmabedingungen im Innern von Sternen gefunden werden können. Ein Beispiel dafür ist die Elektronenabschirmung im Plasma – ein Prozess der in der Nukleosynthese wichtig ist, aber noch nicht experimentell beobachtet wurde”, ergänzte Casey.
Jetzt da das Team eine Methode entwickelt hat, um diese Messungen durchzuführen, können andere Teams wie die von Maria Gatu Johnson am MIT geleitete Gruppe andere Kernreaktionen und Wege erforschen, um den Einfluss von Plasmaelektronen auf die Kernreaktionen zu messen.
Neben Casey wirkten an der Studie die Co-Autoren Daniel Sayre, Vladimir Smalyuk, Robert Tipton, Jesse Pino, Gary Grim, Bruce Remington, Dave Dearborn, Laura (Robin) Benedetti, Robert Hatarik, Nobuhiko Izumi, James McNaney, Tammy Ma, Steve MacLaren, Jay Salmonson, Shahab Khan, Arthur Pak, Laura Berzak Hopkins, Sebastien LePape, Brian Spears, Nathan Meezan, Laurent Divol, Charles Yeamans, Joseph Caggiano, Dennis McNabb, Dean Holunga, Marina Chiarappa-Zucca, Tom Kohut und Thomas Parham vom LLNL mit, außerdem Carl Brune von der Ohio University, Johan Frenje und Maria Gatu Johnson vom MIT, sowie George Kyrala vom LANL.
(THK)
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