Das Weltraumteleskop Hubble hat einem internationalen Astronomenteam geholfen festzustellen, dass ein ungewöhnliches Objekt im Asteroidengürtel tatsächlich aus zwei Asteroiden besteht, die sich gegenseitig umkreisen und kometenähnliche Merkmale zeigen. Dazu gehören ein heller Materiehalo (Koma genannt) und ein langer Schweif aus Staub.
Hubble wurde verwendet, um im September 2016 den Asteroiden mit der Katalogbezeichnung 300163 (2006 VW139) abzubilden, kurz bevor er den sonnennächsten Punkt seiner Bahn erreichte. Hubbles scharfe Bilder offenbarten, dass das Objekt in Wirklichkeit nicht aus einem Asteroiden besteht, sondern aus zwei Asteroiden von fast gleicher Größe und Masse, die sich im Abstand von etwa 96 Kilometern umkreisen.
Der Asteroid 300163 (2006 VW139) wurde im November 2006 von Spacewatch entdeckt, und die mögliche Kometenaktivität wurde im November 2011 von PanSTARRS beobachtet. Spacewatch und PanSTARRS sind Asteroidensuchprojekte des Near Earth Object Observations Program der NASA. Nach den PanSTARRS-Beobachtungen wurde dem Objekt auch eine Kometenbezeichnung gegeben: 288P. Das macht es zum ersten bekannten Doppelasteroiden, der außerdem als Hauptgürtelkomet klassifiziert ist.
Neuere Hubble-Beobachtungen zeigten Aktivitäten in dem Doppelsystem. “Wir registrierten deutliche Hinweise auf die Sublimation von Wassereis aufgrund ansteigender Erwärmung durch die Sonne. Auf ähnliche Weise entsteht der Schweif eines Kometen”, sagte die Teamleiterin Jessica Agarwal vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung in Göttingen (Deutschland).
Die kombinierten Eigenschaften des Doppelasteroiden – großer Abstand, nahezu gleiche Größe, stark exzentrischer Orbit und kometenähnliche Aktivität – machen ihn einzigartig unter den wenigen bekannten Doppelasteroiden, die einen großen Abstand ihrer Einzelkomponenten aufweisen. Seinen Ursprung und seine Entwicklung zu verstehen, könnte neue Einblicke in die Frühzeit des Sonnensystems liefern. Hauptgürtelkometen könnten bei der Beantwortung der Frage helfen, wie vor Milliarden Jahren Wasser auf eine knochentrockene Erde gelangte.
Das Team vermutet, dass 2006 VW139/288P erst seit etwa 5.000 Jahren als Doppelsystem existiert. Das wahrscheinlichste Entstehungsszenario ist ein Auseinanderbrechen aufgrund einer zu schnellen Rotation. Danach könnten sich die Fragmente durch die Folgen der Eissublimation weiter voneinander entfernt haben. Die Sublimation von Eis würde auf einen Asteroiden eine geringe Kraft in eine Richtung ausüben, weil die Wassermoleküle in die entgegengesetzte Richtung abgestoßen werden.
Die Tatsache, dass 2006 VW139/288P sich so von allen anderen bekannten Doppelasteroiden unterscheidet, wirft einige Fragen darüber auf, wie häufig solche Systeme im Asteroidengürtel vorkommen. “Wir brauchen mehr theoretische und beobachtende Arbeiten und mehr Objekte, die diesem Objekt ähneln, um eine Antwort auf diese Fragen zu finden”, schlussfolgerte Agarwal.
Zeitraffer des Doppelasteroiden 300163 (2006 VW139). (Credits: Video: NASA, ESA, and J. DePasquale and Z. Levay (STScI); Science: NASA, ESA, and J. Agarwal (Max Planck Institute for Solar System Research)
Die Forschungsarbeit wird in einer Abhandlung vorgestellt, die diese Woche im Journal Nature erscheint.
Das Hubble Space Telescope ist ein Projekt internationaler Zusammenarbeit zwischen der NASA und der ESA. Das Goddard Space Flight Center der NASA in Greenbelt (Maryland) betreibt das Teleskop. Das Space Telescope Science Institute (STScI) in Baltimore (Maryland) führt die wissenschaftlichen Operationen Hubbles durch. Das STScI wird von der Association of Universities for Research in Astronomy, Inc. in Washington, D.C. für die NASA geleitet.
(THK)
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