Die Bahn eines Lichtstrahls wird durch die Anwesenheit von Masse gebeugt – das ist ein Effekt, der durch die allgemeine Relativität erklärt wird. Ein massereicher Körper kann daher wie eine Linse agieren – eine sogenannte Gravitationslinse -, um das Bild eines hinter ihm liegenden Objekts zu verzerren. Wissenschaftler bestätigten diese Vorhersage quantitativ erstmals während der berühmten totalen Sonnenfinsternis vom 29. Mai 1919, indem sie Sternlicht beobachteten, das durch die Masse der Sonne gebeugt wurde.
Eine “Mikrogravitationslinse” ist die Bezeichnung für ein verwandtes Phänomen: Ein kurzes Aufblitzen, das entsteht, wenn ein kosmischer Himmelskörper als Gravitationslinse agiert und die Intensität des sichtbaren Lichts eines weiter entfernten Hintergrundsterns verändert, während er sich zufällig vor dem Objekt im Hintergrund vorbeibewegt.
Vor etwa 30 Jahren sagten Wissenschaftler voraus, dass eine Parallaxenmessung die Distanz des dunklen Objekts feststellen würde, falls es jemals möglich werden sollte, das Aufblitzen einer Mikrogravitationslinse von zwei weit auseinanderliegenden Beobachtungspunkten aus zu beobachten. Das Weltraumteleskop Spitzer umkreist momentan die Sonne in der gleichen Entfernung wie die Erde, folgt ihr auf ihrer Umlaufbahn aber im Winkelabstand von etwa 90 Grad.
Vor einem Jahr leitete die Astronomin Jennifer Yee vom Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics (CfA) ein Team, um die erste Parallaxenmessung eines Mikrogravitationslinseneffekts an einem kleinen, stellaren Objekt zu machen. Dafür nutzte das Team Beobachtungen des Weltraumteleskops Spitzer und bodenbasierter Teleskope. Eine Schwierigkeit bestand darin, dass Messungen mit nur zwei Beobachtungspunkten eine mögliche Unsicherheit im Ergebnis hinterlassen – aber eine Messung mit drei Beobachtungspunkten würde diese Unsicherheit eliminieren.
In einer neuen Abhandlung berichten Yee und ein großes Kollegenteam über den ersten Mikrogravitationslinseneffekt, der aus drei weit voneinander getrennten Positionen beobachtet wurde: Spitzer, die Erde und die Kepler “K2” Mission. Letztere hat eine mit Spitzer vergleichbare Umlaufbahn, läuft der Erde aber im Winkelabstand von ungefähr 60 Grad hinterher.
Die Mikrogravitationslinse mit der Bezeichnung MOA-2016-BLG-290 wurde anhand dieser Messungen als extrem massearmer Stern von rund 0,07 Sonnenmassen bestimmt, was ungefähr 77 Jupitermassen entspricht. Ihre Entfernung beträgt circa 22.000 Lichtjahre. Neben dem Nachweis eines Objekts, dessen Masse im Bereich zwischen Sternmassen und Planetenmassen liegt, demonstriert das Ergebnis die Leistungsfähigkeit von Mikrolinsen-Parallaxenmessungen, die vor Jahrzehnten vorausgesagt wurden.
Abhandlung: “An Isolated Microlens Observed from K2, Spitzer, and Earth” von Wei Zhu et al., ApJL 849, L31 2017.
(THK)
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