Die meisten Galaxien befinden sich in Galaxienhaufen, die ein paar bis hin zu tausenden anderen Galaxien enthalten. Beispielsweise gehört unsere Milchstraßen-Galaxie zur Lokalen Gruppe aus etwa 50 Galaxien, deren anderes großes Mitglied, die Andromeda-Galaxie, rund 2,4 Millionen Lichtjahre entfernt ist. Galaxienhaufen sind die massereichsten gravitativ gebundenen Objekte im Universum und bilden (aktuellen Theorien zufolge) aufbauende Strukturen. Dabei entwickeln sich zunächst kleinere Strukturen, und die Dunkle Materie spielt eine wichtige Rolle. Wie genau sie wachsen und sich entwickeln, hängt jedoch von verschiedenen, rivalisierenden, physikalischen Prozessen ab, darunter dem Verhalten des heißen Intracluster-Gases.
Die Galaxie Abell 2597 liegt nahe des Zentrums eines gleichnamigen Galaxienhaufens, ungefähr eine Milliarde Lichtjahre entfernt in einem heißen Nebel des Intracluster-Mediums. Das Gas ist zig Millionen Grad heiß. Astronomen haben lange vermutet, dass intergalaktische Materie wie das Plasma um Abell 2597 auf Galaxien zustürzen, sich abkühlen und neue Materie für die Sternentstehungsprozesse in der Galaxie bereitstellen kann. Allerdings haben sie auch die gegenteilige Aktivität entdeckt: Die zentralen supermassiven Schwarzen Löcher in Galaxien stoßen Materiejets in das heiße Intracluster-Medium ab.
Ein Astronomenteam unter Leitung des Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics (CfA) untersuchte das Verhalten des heißen Gases in diesen konkurrierenden Prozessen in Abell 2597 mithilfe umfassender Beobachtungen, darunter neue Daten und Archivdaten des Atacama Large Millimeter/submillimeter Array (ALMA), optische Spektroskopie und Bilder des Röntgenteleskops Chandra. Zu dem Team gehörten Grant Tremblay, Paul Nulsen, Esra Bulbul, Laurence David, Bill Forman, Christine Jones, Ralph Kraft, Scott Randall und John ZuHone vom CfA sowie einige andere Kollegen.
Die empfindlichen und umfassenden Datensätze erlaubten den Wissenschaftlern, die thermodynamischen Eigenschaften und die Bewegungen des heißen Gases zu untersuchen, sowohl die einfallenden als auch die abgestoßenen Gasströme. Außerdem konnten sie so die kalten, sternbildenden Wolken in der Galaxie und die relative, räumliche Anordnung all dieser Bestandteile beobachten.
Die Forscher fanden unterstützende Belege für die Modelle – sowohl für die einfallende, heiße Materie in Richtung der Galaxie und ihre nachfolgende Umwandlung in neue Sterne, als auch für das abströmende Gas von den Jets des zentralen supermassiven Schwarzen Lochs. Die Ergebnisse zeigen, dass die warme und kalte Materie in dieser Galaxie gemeinsam vorkommen, wenn auch mit unterschiedlichen Dichten. Wolken aus kaltem Gas nähren wahrscheinlich das Schwarze Loch und stehen scheinbar mit den gewaltigen Jets in Zusammenhang, die der Nukleus emittiert.
Dem Ergebnis zufolge ist der molekulare, ionisierte Nebel im Herzen von Abell 2597 etwas, das die Forscher als galaktischen “Springbrunnen” bezeichnen: Kaltes Gas gelangt in das Reservoir, das von der Präsenz des Schwarzen Lochs im Zentrum geschaffen wurde, und versorgt die abströmenden Jets, die wiederum später abkühlen und zurück in Richtung des Schwarzen Lochs “regnen”. Weil die abströmende Materie sich nicht schnell genug bewegt, um der Gravitation der Galaxie zu entkommen, schlussfolgern die Wissenschaftler, dass dieser spektakuläre, galaktische Springbrunnen wahrscheinlich langlebig ist. Er könnte auch ein häufiges Merkmal in diesen massereichen Galaxienhaufen sein und helfen, die kosmische Entwicklung von Galaxien zu erklären.
Abhandlung: “A Galaxy-scale Fountain of Cold Molecular Gas Pumped by a Black Hole” von G. R. Tremblay et al. ApJ 865, 13, 2018.
(THK)
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