Biologen widerlegen eine lange bestehende Theorie über Delphine

Delphine im Meer. (Credits: NOAA / Unsplash)
Delphine im Meer. (Credits: NOAA / Unsplash)

Ein Delphin ist offensichtlich kein Golfball. Viele Wissenschaftler dachten jedoch, dass die Art und Weise, wie der eine durch das Wasser gleitet und der andere durch die Luft fliegt, auf die gleiche Ursache zurückzuführen ist: Ähnlichkeiten bei der Oberflächenstruktur und deren Auswirkungen auf den Widerstand und die Fortbewegung.

Eine bahnbrechende neue Studie, die am 17. Juli 2019 in den Royal Society Biology Letters erschien, hat einen Teil dieser Sichtweise umgekehrt. Sie demonstriert, dass sie zumindest hinsichtlich der Delphine auf fehlerhaften Vermutungen und Messungen basiert. Die Studie mit dem Titel “How smooth is a dolphin? The ridged skin of odontocetes“, an der der Biologieprofessor George V. Lauder als Co-Autor mitwirkte, macht Gebrauch von einer innovativen neuen Technik, um die frühere Sichtweise zu widerlegen.

Die Begründung hinter dem alten Vergleich war in Bezug auf die Fluiddynamik solide. “Golfbälle haben Dellen”, sagte Lauder, der die Forschung zusammen mit Dylan K. Wainwright, Frank E. Fish, Sam Ingersol, Terrie M. Williams, Judy St. Leger und Alexander J. Smits publizierte. “Das liegt daran, dass man den Luftwiderstand mit der richtigen Oberflächenbeschaffenheit beträchtlich reduzieren kann, so dass der Ball viel weiter fliegt.”

Diese Hypothese entstammt einer Arbeit aus dem Jahr 1936, in der der britische Zoologe Sir James Gray beschrieb, was als Grays Paradoxon bekannt wurde. Er vermutete, dass nur eine spezielle Eigenschaft der Haut eines Delphins ihm erlauben könnte, so schnell zu schwimmen, wie er es tut. Gray konnte allerdings nur unbewegliche Modelle der Meeressäugetiere studieren, und seine Ergebnisse basierten teilweise auf einer “fehlerhaften Theorie darüber, wie Muskeln beim Schwimmen Kraft erzeugen”, sagte Wainwright, ein Postdoktorand und Erstautor der neuen Studie.

Frühere Untersuchungen der Delphinhaut schienen Grays Theorie zu unterstützen, weil die meisten Proben eine gezahnte Oberfläche zeigen, welche als Schlüssel zur Reduzierung des Widerstands angesehen wurde. Viele dieser Proben wurden jedoch von den Meeressäugern abgetrennt, wodurch die Haut schrumpelte. Wainwright, Lauder und ihre Kollegen wussten, dass sie genauer betrachten mussten, wie die Haut wirklich funktioniert – indem sie sie an einem lebenden Tier untersuchen.

“Ein Großteil der Veranlassung, die Haut von lebenden Tieren zu betrachten, lag in der Frage begründet, was Tiere während des Schwimmens auf ihren Hautoberflächen wirklich erfahren”, sagte Wainwright. “Obwohl die Oberflächen und Haut große Barrieren sind, können ihre Struktur und Beschaffenheit leicht verändert werden. Man denke an die Oberflächen unserer Fingerkuppen, wenn wir zu lang im Wasser sind und sie schrumpelig werden”. Lauder sagt es anders: “Lebende Haut ist ‘unter Spannung’, also über Muskeln und Fett gespannt und schrumpft nicht zusammen.”

“Sogar kleine Unterschiede bei der Haut von Tieren können die Wechselwirkungen mit der umgebenden Flüssigkeit beeinflussen. Das bedeutet, wir möchten die Oberflächenstruktur wirklich in einem lebensechten Zustand untersuchen und eine möglichst präzise Methode benutzten”, sagte Wainwright.

Um das zu tun, verwendete das Team eine neue Modellierungstechnologie und brachte eine Abdruckmasse mit hoher Wiedergabegenauigkeit auf einem kleinen Hautstück auf einem lebenden Tier auf, ähnlich wie ein flüssiges Wundpflaster. Dann erstellten sie mittels gelbasierter Profilometrie und gesammelten Daten der Oberflächenmessungen ein 3D-Modell, um topografische Minikarten dieser Oberflächen zu erschaffen. In einer älteren Studie hatte man zwar die Haut von lebenden Delphinen untersucht, konnte aber nicht derart präzise Messungen oder Modellierungen durchführen.

Zusammen mit Forschern der University of California in Santa Cruz, der West Chester University und SeaWorld war die Gruppe in der Lage, die Haut verschiedener Tümmler und Weißstreifendelphine, Orcas, Pilotwale und Belugas zu modellieren. Alle Tiere waren darauf trainiert, für routinemäßige tierärztliche Untersuchungen kurz ans Ufer zu kommen. Die Haut dieser Meeressäugetiere (die danach wieder sanft ins Wasser entlassen wurden) wurde mit jener von anderen schwimmenden Tieren verglichen, beispielsweise Forellen und Mantarochen. Die Schlussfolgerung war, dass die meisten keine gezahnte Hautstruktur aufwiesen, obwohl manche Meeressäugetiere zumindest auf Teilbereichen ihrer Haut welche zeigten. “Größtenteils sind Delphine sehr sehr glatt”, sagte Lauder.

Warum dauerte es so lange, um genaue Messungen zu machen? Populäre Ansichten über Delphine könnten die Forschung gebremst haben. “Delphine sind für Menschen wie magische Kreaturen”, sagte Lauder. “Sie sind schön und freundlich, und Menschen wollen denken, dass sie spezielle Eigenschaften besitzen, die es ihnen ermöglichen, so schön im Meer zu schwimmen. Einer dieser Irrglauben war die Oberflächenstruktur der Haut. Aber das ist falsch.”

“Delphine und Wale schwimmen aus einfachen Gründen so gut wie sie es tun. Sie sind sehr muskulös. Sie sind sehr stromlinienförmig. Sie besitzen Sehnen im Schwanz, die in einer Art und Weise angeordnet sind, die ihnen viel Vortrieb liefert. Es hat einfach nicht viel mit der Haut zu tun. Die Natur hat vielerlei Lösungen gefunden, um sich schnell durch das Wasser zu bewegen”, schlussfolgerte Lauder.

Quelle

(THK)

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