CERN: ISOLDE weist einen weiteren birnenförmigen Atomkern nach

Schematische Darstellung der birnenförmigen Gestalt des Radium-224-Kerns. (Image: CERN)
Schematische Darstellung der birnenförmigen Gestalt des Radium-224-Kerns. (Image: CERN)

Die meisten Atomkerne sind rund oder haben die Form eines Rugbyballes. Aber Kernphysik-Theorien sagen voraus, dass bestimmte Atomkerne eine etwas exotischere Form mit mehr Masse an einem Ende als an dem anderen haben könnten. Im Jahr 2013 zeigte ein Forschungsteam an der ISOLDE-Einrichtung am CERN, dass der Kern des Radiumisotops 224Ra birnenförmig ist und machte ihn zum zweiten bekannten Beispiel für diese spezielle Klasse von Atomkernen. Das erste war 226Ra, das vor etwa 25 Jahren von einer Kollaboration unter Leitung der GSI entdeckt wurde.

Andere Studien am Argonne National Laboratory haben seitdem vermutet, dass eine Reihe Bariumisotope ebenfalls birnenförmig sein könnten. Eine neue Studie an der ISOLDE-Einrichtung hat dieser exklusiven Atomkernklasse nun einen weiteren Atomkern hinzugefügt. Die Studie wurde von dem selben Forschungsteam durchgeführt, das auch das Isotop 224Ra untersuchte.

Um nach einer birnenähnlichen Atomkernform zu suchen, messen die Forscher normalerweise die Wahrscheinlichkeiten, dass bestimmte Übergänge zwischen Kernzuständen auftreten werden, sogenannte Oktupol-Übergänge. Diese Wahrscheinlichkeiten sind im Fall eines birnenförmigen Kerns höher. Genau das sahen das ISOLDE-Team und andere Forschungsgruppen in ihren früheren Experimenten.

In ihrer neuesten Arbeit war das ISOLDE-Team in der Lage, die Wahrscheinlichkeiten für verschiedene Oktupol-Übergänge von 222Ra und 228Ra zu messen. Das gelang dank eines kürzlichen Upgrades des ISOLDE-Beschleunigersystems, das jetzt Strahlen aus radioaktiven Isotopen auf bislang unerreichte Energien beschleunigen kann. Anhand dieser Messungen schlussfolgerten die Wissenschaftler, dass 222Ra eine stabile Birnenform besitzt, während 228Ra zwischen einer Birnenform und deren Spiegelbild hin- und herschwingt.

“Unser Ergebnis erlaubte uns die Schlussfolgerung, dass in der Natur bislang nur drei Fälle vorkommen (222Ra, 224Ra und 226Ra), wo es unumstößliche Belege für birnenförmige Atomkerne gibt”, sagte der leitende Forscher dieser Studie, Peter Butler von der University of Liverpool in Großbritannien.

Warum ist die Entdeckung eines weiteren birnenförmigen Kerns interessant? Je mehr, desto besser, weil diese exotischen Kerne nützlich für die Überprüfung existierender Theorien sind. Außerdem könnten sie verwendet werden, um in Teilchen nach einem elektrischen Dipolmoment zu suchen.

Das elektrische Dipolmoment beschreibt die Trennung des Ladungszentrums vom Massezentrum eines Teilchens. Das Standardmodell der Teilchenphysik sagt voraus, dass es nicht Null, aber sehr klein sein sollte, jedoch sagen Theorien jenseits des Standardmodells normalerweise einen viel höheren Wert voraus. Wenn ein nukleares elektrisches Dipolmoment existiert, sollte es in birnenförmigen Atomkernen leichter zu messen sein. Daher könnten birnenförmige Atomkerne eine empfindliche Möglichkeit darstellen, um Varianten des Standardmodells zu prüfen und neue physikalische Phänomene zu untersuchen.

Quelle

(THK)

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