Ein internationales Astronomenteam hat mit dem Atacama Large Millimeter/submillimeter Array (ALMA) den Moment eingefangen, als ein alter Stern erstmals beginnt, seine Umgebung zu verändern. Der Stern hat bipolare Jets mit hoher Geschwindigkeit ausgestoßen, die jetzt mit der umgebenden Materie kollidieren. Das Alter der beobachteten Jets wird auf weniger als 60 Jahre geschätzt. Diese Strukturen helfen Wissenschaftlern zu verstehen, wie die komplexen Formen von planetarischen Nebeln entstehen.
Sonnenähnliche Sterne entwickeln sich im letzten Stadium ihres Lebens zu aufgeblasenen Roten Riesen. Dann stößt der Stern Gas ab, um einen Überrest zu bilden, der als planetarischer Nebel bezeichnet wird. Hinsichtlich der Formen von planetarischen Nebeln gibt es eine breite Vielfalt: Manche sind kugelförmig, aber andere sind bipolar oder zeigen komplexe Strukturen. Astronomen sind an den Ursprüngen dieser Vielfalt interessiert, aber die von einem alten Stern abgestoßene Materie (Gas und Staub) verhüllt das System und macht es schwierig, die inneren Abläufe des Prozesses zu untersuchen.
Um dieses Problem anzugehen, richtete ein Astronomenteam unter Leitung von Daniel Tafoya von der Chalmers University of Technology (Schweden) ALMA auf W43A. W43A ist ein altes Sternsystem, das rund 7.000 Lichtjahre von der Erde entfernt in Richtung des Sternbildes Aquila (Adler) liegt.
Dank ALMAs hohem Auflösungsvermögen erhielt das Team einen sehr detaillierten Blick auf die Umgebung von W43A. „Die bemerkenswertesten Strukturen sind seine kleinen bipolaren Jets“, sagte Tafoya, der leitende Autor der Abhandlung, die in den Astrophysical Journal Letters veröffentlicht wurde. Das Team stellte fest, dass die Geschwindigkeit dieser Jets etwa 175 Kilometer pro Sekunde beträgt, was viel höher ist als frühere Schätzungen. Basierend auf dieser Geschwindigkeit und der Größe der Jets berechnete das Team das Alter der Jets auf weniger als die menschliche Lebensspanne.
„Wenn man das junge Alter der Jets mit der gesamten Lebensdauer eines Sterns vergleicht, kann man sicher sagen, dass wir den exakten Moment beobachten, in dem die Jets begannen, das umgebende Gas zu durchdringen“, erklärte Tafoya. „Die Jets durchdringen die umgebende Materie in nur 60 Jahren. Ein Mensch könnte deren Fortschritt während seines Lebens anschauen.“
Das ALMA-Bild kartiert in der Tat die Verteilung der Staubwolken, die von den Jets mitgerissen werden, was der verräterische Hinweis darauf ist, dass sie die Umgebung durchdringen.
Das Team vermutet, wie das Mitreißen der Schlüssel für die Bildung eines bipolaren planetarischen Nebels sein könnte. In ihrem Szenario stößt der alternde Stern das Gas ursprünglich kugelförmig aus und der Kern des Sterns verliert seine Hülle. Wenn der Stern einen Begleiter besitzt, gelangt Gas von dem Begleitstern auf den Kern des sterbenden Sterns und ein Teil dieses neuen Gases bildet die Jets. Die Feststellung, ob der alte Stern einen Begleiter hat oder nicht, ist daher ein wichtiger Faktor, um die Struktur des resultierenden planetarischen Nebels zu bestimmen.
„W43A ist eines der speziellen sogenannten Springbrunnen-Objekte“, sagte Hiroshi Imai von der Kagoshima University (Japan), ein Mitglied des Teams. „Das sind alte Sterne, die charakteristische Radioemissionen von Wassermolekülen zeigen. Unsere ALMA-Beobachtungen führen zur Sichtweise, dass das Wasser, welches erhitzt wurde, um die Radioemissionen zu produzieren, sich in der Region zwischen den Jets und der umgebenden Materie befindet. Vielleicht bestehen all diese Springbrunnen-Objekte aus einem zentralen Doppelsternsystem, das gerade einen neuen Doppeljet gestartet hat – genau wie W43A.“
Das Team arbeitet bereits an neuen ALMA-Beobachtungen für andere, vergleichbare Sterne. Die Forscher hoffen, neue Einblicke in die Entstehung von planetarischen Nebeln zu gewinnen und in die Zukunft von Sternen wie unserer Sonne.
„Es gibt bislang nur 15 identifizierte Springbrunnen-Objekte, trotz der Tatsache, dass in unserer Milchstraßen-Galaxie mehr als 100 Milliarden Sterne existieren“, erklärte José Francisco Gómez vom Instituto de Astrofísica de Andalucía (Spanien). „Das liegt wahrscheinlich daran, dass die Lebensdauer der Jets recht kurz ist, daher haben wir wirklich Glück, so seltene Objekte zu sehen.“
Abhandlung: „Shaping the envelope of the asymptotic giant branch star W43A with a collimated fast jet“ von D. Tafoya et al., Astrophysical Journal Letters, 13. Februar 2020.
(THK)
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