Der Exoplanet Fomalhaut b scheint zu verschwinden

Künstlerische Darstellung der Kollision zweier großer Himmelskörper im Orbit um den hellen Stern Fomalhaut. (Credits: ESA, NASA and M. Kornmesser)
Künstlerische Darstellung der Kollision zweier großer Himmelskörper im Orbit um den hellen Stern Fomalhaut. (Credits: ESA, NASA and M. Kornmesser)

Jetzt sieht man ihn und jetzt nicht. Was Astronomen für einen Planeten jenseits unseres Sonnensystems hielten, ist jetzt anscheinend verschwunden. In Science-Fiction-Geschichten wie der Explosion von Supermans Heimatplanet Krypton ist so etwas üblich, aber hier suchen Astronomen nach einer plausiblen Erklärung.

Eine Interpretation besagt, dass das erstmals im Jahr 2004 fotografierte Objekt kein planetares Objekt war, sondern stattdessen eine ausgedehnte, expandierende Staubwolke aus der Kollision zwischen zwei großen Himmelskörpern im Orbit um den nahen Stern Fomalhaut gewesen sein könnte. Mögliche Nachfolgebeobachtungen könnten diese außergewöhnliche Schlussfolgerung bestätigen.

“Diese Kollisionen sind sehr selten, deshalb ist es für uns eine große Sache, dass wir tatsächlich eine beobachten können”, sagte András Gáspár von der University of Arizona in Tucson. “Wir vermuten, dass wir zur richtigen Zeit am richtigen Ort waren, um mit dem Weltraumteleskop Hubble Zeugen eines so seltenen Ereignisses zu werden.”

“Das Fomalhaut-System ist das ultimative Testlabor für all unsere Theorien darüber, wie sich Exoplaneten und Sternsysteme entwickeln”, sagte George Rieke vom Steward Observatory der University of Arizona. “Wir haben Belege für solche Kollisionen in anderen Systemen, aber in unserem Sonnensystem wurde bislang keine Kollision dieser Größenordnung beobachtet. Das ist eine Blaupause dafür, wie Planeten sich gegenseitig zerstören.”

Das Objekt namens Fomalhaut b wurde im Jahr 2008 bekanntgegeben, basierend auf Daten aus den Jahren 2004 und 2006. Es war auf Hubble-Beobachtungen aus mehreren Jahren deutlich sichtbar und zeigte sich als wandernder Punkt. Bis dato wurden Belege für Exoplaneten hauptsächlich aus indirekten Methoden abgeleitet, beispielsweise aus dem “Wackeln” des Heimatsterns und anhand von transitbedingten Helligkeitsschwankungen.

Im Gegensatz zu anderen direkt abgebildeten Exoplaneten gab es um Fomalhaut b schon früh einige Rätsel. Das Objekt war in sichtbarem Licht ungewöhnlich hell, aber zeigte keine registrierbare Infrarotstrahlung. Astronomen schlussfolgerten, dass die zusätzliche Helligkeit von einer großen Staubhülle oder einem Staubring im Orbit um den Planeten stammt, möglicherweise in Zusammenhang mit einer Kollision. Die Umlaufbahn von Fomalhaut b schien ebenfalls ungewöhnlich und wahrscheinlich sehr exzentrisch zu sein.

Diese Grafik zeigt den zeitlichen Verlauf der Beobachtungen von Fomalhaut b. Man erkennt, dass das Objekt schwächer wird und sich anscheinend nicht auf einer elliptischen Umlaufbahn befindet.(Credits: NASA, ESA, and A. Gáspár and G. Rieke (University of Arizona))
Diese Grafik zeigt den zeitlichen Verlauf der Beobachtungen von Fomalhaut b. Man erkennt, dass das Objekt schwächer wird und sich anscheinend nicht auf einer elliptischen Umlaufbahn befindet.(Credits: NASA, ESA, and A. Gáspár and G. Rieke (University of Arizona))

“Unsere Studie, die alle verfügbaren Hubble-Archivdaten über Fomalhaut analysiert, offenbart mehrere Eigenschaften, die zusammen genommen ein Bild zeichnen, dass das planetengroße Objekt von Anfang an nicht existiert haben könnte”, sagte Gáspár.

Das Team betont, dass der letzte Sargnagel kam, als ihre Datenanalyse von Hubble-Aufnahmen aus dem Jahr 2014 zeigten, dass das Objekt zu ihrem Unglauben verschwunden war. Frühere Aufnahmen zeigten, dass das Objekt im Laufe der Zeit schwächer wurde. “Fomalhaut b tat eindeutig Dinge, die ein richtiger Planet nicht tun sollte”, sagte Gáspár.

Die Interpretation ist nun, dass Fomalhaut b eine langsam expandierende Staubwolke aufgrund einer Kollision ist. Unter Berücksichtigung aller verfügbaren Daten vermuten Gáspár und Rieke, dass die Kollision nicht lange vor den ersten Beobachtungen aus dem Jahr 2004 stattfand. Die Trümmerwolke, bestehend aus Staubteilchen von rund einem Mikrometer Durchmesser, liegt unterhalb von Hubbles Erfassungsgrenze. Man schätzt, dass die Staubwolke jetzt bis auf eine Größe expandiert ist, die mit der Umlaufbahn der Erde um die Sonne vergleichbar ist.

Gleichermaßen verwirrend ist die Erkenntnis des Teams, dass sich das Objekt eher auf einem Fluchtkurs befindet als auf einer elliptischen Umlaufbahn, wie sie bei Planeten erwartet wird. Das basiert auf späteren Beobachtungen und Bahnzeichnungen aus früheren Daten. “Eine kürzlich entstandene gewaltige Staubwolke, die beträchtliche Strahlungskräfte von ihrem Zentralstern Fomalhaut erfährt, würde sich auf solch einer Bahn befinden”, sagte Gáspár. “Unser Modell kann alle unabhängigen beobachteten Parameter des Systems erklären: seine Expansionsrate, seine Abschwächung und seine Bahn.”

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Video-Link: https://youtu.be/aBWwRQ4YIcs


Weil Fomalhaut b innerhalb eines ausgedehnten Trümmerrings um den Stern liegt, wären kollidierende Himmelskörper wahrscheinlich ein Gemisch aus Eis und Staub, wie die Kometen, die im Kuipergürtel in den Randgebieten unseres Sonnensystems existieren. Gáspár und Rieke schätzen, dass jeder dieser kometenähnlichen Himmelskörper rund 200 Kilometer groß ist, etwa halb so groß wie der Asteroid Vesta.

Den Autoren zufolge erklärt ihr Modell alle beobachteten Eigenschaften von Fomalhaut b. Moderne Simulationen der Staubdynamik auf einem Supercomputer an der University of Arizona zeigen, dass ein solches Modell zu allen Beobachtungen passen würde. Laut den Berechnungen der Autoren könnte in dem 25 Lichtjahre entfernten Fomalhaut-System vielleicht nur ein solches Ereignis alle 200.000 Jahre stattfinden.

Gáspár und Rieke sowie andere Mitglieder eines großen Teams werden das Fomalhaut-System auch mit dem James Webb Space Telescope der NASA in dessen ersten Betriebsjahr beobachten. Das Team wird die inneren, warmen Regionen des Systems direkt abbilden und erstmals die schwer zu beobachtende Asteroidengürtelkomponente eines Exoplanetensystems räumlich auflösen. Das Team wird auch nach richtigen Planeten um Fomalhaut suchen, welche die äußere Scheibe gravitativ gestalten könnten. Sie werden außerdem die chemische Zusammensetzung der Scheibe analysieren.

Die Abhandlung “New HST [Hubble] data and modeling reveal a massive planetesimal collision around Fomalhaut” wurde am 20. April 2020 in den Proceedings of the National Academy of Sciences veröffentlicht.

Das Weltraumteleskop Hubble ist ein Projekt internationaler Zusammenarbeit zwischen der NASA und der ESA. Das Goddard Space Flight Center der NASA in Greenbelt (Maryland) betreibt das Teleskop. Das Space Telescope Science Institute (STScI) in Baltimore (Maryland) führt die wissenschaftlichen Operationen Hubbles durch. Das STScI wird von der Association of Universities for Research in Astronomy in Washington, D.C. für die NASA geleitet.

Quelle

(THK)

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