
Im Juni 2018 registrierten Teleskope auf der ganzen Welt einen hellen blauen Blitz aus dem Spiralarm einer 200 Millionen Lichtjahre entfernten Galaxie. Der gewaltige Ausbruch schien zunächst eine Supernova zu sein, obwohl er viel schneller und viel heller als jede andere Sternexplosion war, die von Wissenschaftlern beobachtet wurde. Das Signal wurde als AT2018cow bezeichnet und wird seitdem einfach als „the Cow“ („die Kuh“) genannt. Astronomen haben es als Fast Blue Optical Transient (FBOT) klassifiziert – ein helles kurzlebiges Ereignis unbekannten Ursprungs.
Jetzt hat ein Team unter Leitung des Massachusetts Institute of Technology (MIT) deutliche Belege für die Quelle des Signals gefunden. Neben einem hellen optischen Blitz registrierten die Wissenschaftler einen stroboskopähnlichen Puls hochenergetischer Röntgenstrahlung. Sie verfolgten hunderte Millionen solcher Röntgenimpulse zurück zu AT2018cow und stellten fest, dass die Pulse im Zeitraum von 60 Tagen regelmäßig alle 4,4 Millisekunden auftraten.
Basierend auf der Frequenz der Impulse berechnete das Team, dass die Röntgenstrahlen von einem Objekt stammen mussten, das nicht größer als 1.300 Kilometer ist und weniger als 850 Sonnenmassen aufweist. In astrophysikalischen Maßstäben betrachtet, würde man ein solches Objekt als kompakt bezeichnen, so wie ein kleines Schwarzes Loch oder einen Neutronenstern.
Ihre Ergebnisse wurden am 13. Dezember 2021 im Journal Nature Astronomy veröffentlicht und deuten stark darauf hin, dass AT2018cow wahrscheinlich die Folge eines sterbenden Sterns war, der beim Kollaps ein kompaktes Objekt wie ein Schwarzes Loch oder einen Neutronenstern bildete. Das neu entstandene Objekt verschlang weiterhin umgebende Materie und fraß den Stern von innen heraus – ein Prozess, der eine enormen Energieausbruch freisetzte.
„Wir haben wahrscheinlich die Geburt eines kompakten Objekts in einer Supernova entdeckt“, sagte der Co-Autor Dheeraj „DJ“ Pasham vom Kavli Institute for Astrophysics and Space Research am MIT. „Das passiert in einer normalen Supernova, aber wir haben es nie zuvor beobachtet, weil es ein komplexer Prozess ist. „Wir vermuten, dass dieser neue Beleg Möglichkeiten eröffnet, um junge Schwarze Löcher oder junge Neutronensterne zu finden.“
Der Kern der „Kuh“
AT2018cow ist einer von vielen astronomischen Transients, die im Jahr 2018 entdeckt wurden. Das „cow“ in der Bezeichnung ist ein Zufall des astronomischen Benennungsprozesses. Beispielsweise bezieht sich „aaa“ auf den ersten astronomischen Transient, der im Jahr 2018 gefunden wurde. Das Signal gehört zu wenigen Dutzend FBOTs und ist eines von wenigen solchen Signalen, die in Echtzeit beobachtet wurden. Sein starker Blitz – bis zu 100 Mal heller als eine typische Supernova – wurde von einem Himmelsdurchmusterungsprojekt auf Hawaii registriert, das sofort Observatorien weltweit alarmierte.
„Es war spannend, weil sich große Datenmengen auftürmten“, sagte Pasham. „Die Energiemenge war um mehrere Größenordnungen höher als bei einer typischen Kernkollaps-Supernova. Und die Frage lautete: Was war die Quelle der zusätzlichen Energie?“
Video-Link: https://youtu.be/NSZIewPb0zU
Astronomen haben verschiedene Szenarien vorgeschlagen, um das superhelle Signal zu erklären. Zum Beispiel könnte es die Folge eines bei einer Supernova erschaffenen Schwarzen Lochs sein. Oder es könnte das Resultat eines mittelschweren Schwarzen Lochs sein, das Materie von einem vorbeiziehenden Stern abzieht. Die von den optischen Teleskopen gesammelten Daten haben die Quelle des Signals jedoch nicht aufgelöst, so dass es keine definitive Schlussfolgerung gab.
Pasham fragte sich, ob in den Röntgendaten eine Antwort gefunden werden könnte. „Dieses Signal war nah und auch hell im Röntgenbereich, was meine Aufmerksamkeit erregte.“, sagte er. „Mir kam zuerst in den Sinn, dass ein wirklich energiereiches Phänomen Röntgenstrahlung erzeugt. Daher wollte ich die Theorie überprüfen, dass es dort ein Schwarzes Loch oder ein kompaktes Objekt im Kern von AT2018cow gibt.“
Einen Impuls finden
Das Team sichtete Röntgendaten des Neutron Star Interior Composition Explorer (NICER), einem Röntgenteleskop der NASA an Bord der Internationalen Raumstation ISS. NICER begann mit der Beobachtung von AT2018cow etwa fünf Tage nach der ersten Beobachtung von optischen Teleskopen und überwachte das Signal für die nächsten 60 Tage. Diese Daten wurden in einem öffentlich zugänglichen Archiv gespeichert, das Pasham und seine Kollegen herunterluden und analysierten.
Das Team durchsuchte die Daten, um Röntgensignale nahe AT2018cow zu identifizieren und bestätigte, dass die Emissionen nicht von anderen Quellen stammten, etwa dem Instrumentenrauschen oder kosmischen Hintergrundphänomenen. Die Forscher konzentrierten sich auf die Röntgenstrahlen und stellten fest, dass AT2018cow Ausbrüche mit einer Frequenz von 225 Hertz zu emittieren schien – also alle 4,4 Millisekunden.
Pasham schaute sich den Impuls genauer an und erkannte, dass seine Frequenz genutzt werden konnte, um die Größe des pulsierenden Objekts direkt zu bestimmen. In diesem Fall konnte die Größe des pulsierenden Objekts nicht größer sein als die Distanz, die das Licht in 4,4 Millisekunden zurücklegen kann. Damit berechnete er, dass das Objekt nicht größer als 1,3*108 Zentimeter oder etwa 1.300 Kilometer sein konnte.
„Das Einzige, was so klein sein kann, ist ein kompaktes Objekt – entweder ein Neutronenstern oder ein Schwarzes Loch“, sagte Pasham. Das Team berechnete außerdem auf Grundlage der von AT2018cow emittierten Energie, dass es nicht schwerer als 850 Sonnenmassen sein kann. „Das schließt die Theorie aus, dass das Signal von einem mittelschweren Schwarzen Loch stammt.“
Pasham sagte, dass die Studie neben der Lokalisierung dieser besonderen Signalquelle auch demonstriere, dass Röntgenanalysen von FBOTs und anderen ultrahellen Phänomenen ein neues Hilfsmittel bei der Erforschung junger Schwarzer Löcher sein könnten.
„Wann immer es ein neues Phänomen gibt, herrscht Aufregung, weil es uns etwas Neues über das Universum verraten könnte“, sagte Pasham. „Im Fall von FBOTs haben wir gezeigt, dass wir ihre Pulsationen detailliert auf eine Art und Weise untersuchen können, die im optischen Bereich nicht möglich ist. Deswegen ist dies eine neue Möglichkeit, um diese neu geborenen kompakten Objekte zu verstehen.“
Die Studie wurde teilweise von der NASA unterstützt.
(THK)
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