EHT Collaboration zeigt das erste Bild von Sagittarius A*

Das supermassive Schwarze Loch im Zentrum unserer Milchstraßen-Galaxie, basierend auf Daten des Event Horizon Telescope. (Credits: EHT Collaboration)
Das supermassive Schwarze Loch im Zentrum unserer Milchstraßen-Galaxie, basierend auf Daten des Event Horizon Telescope. (Credits: EHT Collaboration)

Astronomen haben das erste Bild des supermassiven Schwarzen Lochs im Zentrum unserer eigenen Milchstraßen-Galaxie enthüllt. Dieses Ergebnis liefert überwältigende Belege dafür, dass das Objekt tatsächlich ein Schwarzes Loch, und gibt wertvolle Hinweise auf die Funktionsweise solch gigantischer Objekte, von denen man annimmt, dass sie sich in den Zentren der meisten Galaxien befinden. Das Bild wurde von einem globalen Forschungsteam, der Event Horizon Telescope (EHT) Collaboration, mit Beobachtungen aus einem weltweiten Netzwerk von Radioteleskopen erstellt.

Das Bild ist ein lang erwarteter Blick auf das massereiche Objekt, das sich genau im Zentrum unserer Galaxie befindet. Wissenschaftler hatten zuvor Sterne beobachtet, die um ein unsichtbares, kompaktes und sehr massereiches Objekt im Zentrum der Milchstraßen-Galaxie kreisen. Dies deutete stark darauf hin, dass dieses Objekt namens Sagittarius A* (Sgr A*) ein Schwarzes Loch ist, und das heutige Bild liefert den ersten direkten visuellen Beleg dafür.

Obwohl wir das schwarze Loch selbst nicht sehen können, weil es völlig dunkel ist, zeigt das umgebende, leuchtende Gas eine verräterische Signatur: eine dunkle, zentrale Region (Schatten genannt), die von einer hellen, ringförmigen Struktur umgeben ist. Dieser neue Blick zeigt das Licht, das durch die starke Schwerkraft des Schwarzen Lochs gebeugt wird. Das Schwarze Loch ist etwa vier Millionen Mal massereicher als unsere Sonne ist.

“Wir waren erstaunt, wie gut die Größe des Rings mit den Vorhersagen von Einsteins allgemeiner Relativitätstheorie übereinstimmte”, sagte der EHT-Projektwissenschaftler Geoffrey Bower vom Institute of Astronomy and Astrophysics der Academia Sinica in Taipeh. “Diese beispiellosen Beobachtungen haben unser Verständnis dessen, was im Zentrum unserer Galaxie geschieht, deutlich verbessert und geben neue Einblicke darin, wie diese riesigen schwarzen Löcher mit ihrer Umgebung interagieren.” Die Ergebnisse des EHT-Teams werden heute in einer Sonderausgabe der Astrophysical Journal Letters veröffentlicht.

Weil das Schwarze Loch ungefähr 27.000 Lichtjahre von der Erde entfernt liegt, erscheint es uns am Himmel etwa so groß wie ein Donut auf dem Mond. Um es abzubilden, konstruierte das Team das leistungsstarke Event Horizon Telescope, das acht bestehende Radioobservatorien auf der ganzen Welt zu einem einzigen virtuellen Teleskop von der Größe der Erde zusammenschließt [1]. Das EHT beobachtete Sgr A* im Verlauf mehrerer Nächte im Jahr 2017 und sammelte viele Beobachtungsstunden am Stück Daten, ähnlich wie bei einer Langzeitbelichtung mit einer Kamera.

Der Durchbruch folgt der Veröffentlichung der EHC Collaboration aus dem Jahr 2019, bei der es um das erste Bild eines Schwarzen Lochs im Zentrum der weiter entfernten Galaxie M87 ging.

Die beiden Schwarzen Löcher sehen einander bemerkenswert ähnlich, obwohl das Schwarze Loch in unserer Galaxie mehr als tausendmal kleiner und masseärmer ist als jenes in M87. “Wir haben zwei komplett verschiedene Galaxientypen und zwei sehr unterschiedliche Massen der Schwarzen Löcher, aber in der Nähe des Randes dieser Schwarzen Löcher sehen sie sich erstaunlich ähnlich”, sagt Sera Markoff, Co-Vorsitzende des EHT Science Council und Professorin für theoretische Astrophysik an der Universität von Amsterdam in den Niederlanden. ”Das sagt uns, dass die allgemeine Relativitätstheorie den Nahbereich dieser Objekte dominiert und alle Unterschiede, die wir in größeren Entfernungen sehen, auf Unterschiede hinsichtlich des Materials zurückzuführen sein müssen, das die Schwarzen Löcher umgibt.”

Dieses Ergebnis war deutlich schwieriger zu bewerkstelligen als bei M87*, obwohl Sgr A* viel näher liegt. Der EHT-Wissenschaftler Chi-kwan (‘CK’) Chan vom Steward Observatory und dem Department of Astronomy und dem Data Science Institute der University of Arizona, USA, erklärte: “Das Gas in der Nähe der Schwarzen Löcher bewegt sich mit der gleichen Geschwindigkeit – fast mit Lichtgeschwindigkeit – sowohl um Sgr A* als auch um M87*. Aber während das Gas Tage bis Wochen braucht, um das größere M87* zu umkreisen, umrundet es das viel kleinere Sgr A* in nur wenigen Minuten. Das bedeutete, dass sich die Helligkeit und das Muster des Gases um Sgr A* während der Beobachtungen schnell änderten. Es gleicht ein wenig dem Versuch, ein scharfes Bild von einem Welpen zu machen, der seinem eigenen Schwanz nachjagt.”

Die Forscher mussten komplexe neue Methoden entwickeln, um die Bewegungen des Gases um Sgr A* einzubeziehen. Während M87* ein einfacheres, ruhigeres Ziel war, bei dem fast alle Bilder gleich aussahen, war dies bei Sgr A* nicht der Fall. Das Bild des schwarzen Lochs Sgr A* ist ein Durchschnitt der verschiedenen von dem Team erstellten Bilder und offenbart endlich erstmals das riesige Objekt, das im Zentrum unserer Galaxie lauert.

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Video-Link: https://youtu.be/Zml0dZCjaFw

 

Dieser Erfolg wurde durch den Einfallsreichtum von mehr als 300 Forschern von 80 Instituten auf der ganzen Welt möglich gemacht, aus denen die EHT Collaboration besteht. Neben der Entwicklung komplexer Werkzeuge zur Bewältigung der Herausforderungen bei der Abbildung von Sgr A* hat das Team fünf Jahre lang sorgfältig gearbeitet und Supercomputer zur Kombination und Analyse ihrer Daten verwendet. Im Verlauf der Arbeiten erstellte es eine bislang beispiellose Bibliothek simulierter Schwarzer Löcher für Vergleiche mit den Beobachtungen.

Die Wissenschaftler freuen sich besonders darüber, dass sie endlich Bilder von zwei Schwarzen Löchern mit sehr verschiedenen Größen haben. Dadurch haben sie die Möglichkeit zu verstehen, worin sie vergleichbar sind und worin sie sich unterscheiden. Sie haben auch begonnen, die neuen Daten zu verwenden, um Theorien und Modelle dessen zu prüfen, wie sich Gas in der Umgebung supermassiver Schwarzer Löcher verhält. Dieser Prozess ist noch nicht ganz verstanden, aber man vermutet, dass ihm eine Schlüsselrolle bei der Entstehung und Entwicklung von Galaxien zukommt.

“Jetzt können wir die Unterschiede zwischen diesen beiden supermassiven Schwarzen Löchern untersuchen, um wertvolle, neue Anhaltspunkte darüber zu gewinnen, wie dieser wichtige Prozess funktioniert”, sagte der EHT-Wissenschaftler Keiichi Asada vom Institute of Astronomy and Astrophysics der Academia Sinica in Taipeh. “Wir haben Bilder von zwei Schwarzen Löchern – eines am oberen Ende und eines am unteren Ende des Massenbereichs von supermassiven Schwarzen Löcher im Universum. Damit können wir bei der Untersuchung des Verhaltens der Gravitation in diesen extremen Umgebungen viel weiter vorankommen als jemals zuvor.”

Die Fortschritte beim EHT gehen weiter: Eine große Beobachtungskampagne im März 2022 schloss mehr Teleskope ein als jemals zuvor. Die aktuelle Ausweitung des EHT-Netzwerks und entscheidende technologische Verbesserungen werden es den Wissenschaftlern erlauben, in naher Zukunft noch weitere beeindruckende Bilder und Filme von Schwarzen Löchern zu teilen.

Hauptartikel:
Artikel I: The Shadow of the Supermassive Black Hole in the Center of the Milky Way
Artikel II: EHT and Multi-wavelength Observations, Data Processing, and Calibration
Artikel III: Imaging of the Galactic Center Supermassive Black Hole
Artikel IV: Variability, Morphology, and Black Hole Mass
Artikel V: Testing Astrophysical Models of the Galactic Center Black Hole
Artikel VI: Testing the Black Hole Metric

Ergänzende Artikel:
Artikel VII: Selective Dynamical Imaging of Interferometric Data

Artikel VIII: Millimeter Light Curves of Sagittarius A* Observed during the 2017 Event Horizon Telescope Campaign
Artikel IX: A Universal Power Law Prescription for Variability from Synthetic Images of Black Hole Accretion Flows
Artikel X: Characterizing and Mitigating Intraday Variability: Reconstructing Source Structure in Accreting Black Holes with mm-VLBI

 

Quelle

(THK)

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