Ein Rätsel um Kohlenstoffmonoxid in protoplanetaren Scheiben ist gelöst

Künstlerische Darstellung einer protoplanetaren Scheibe mit Kohlenstoffmolekülen in der Eisphase. (Credits: M.Weiss / Center for Astrophysics | Harvard & Smithsonian)
Künstlerische Darstellung einer protoplanetaren Scheibe mit Kohlenstoffmolekülen in der Eisphase. (Credits: M.Weiss / Center for Astrophysics | Harvard & Smithsonian)

Astronomen beobachten häufig Kohlenstoffmonoxid in planetaren Kinderstuben. Die chemische Verbindung ist ultrahell und kommt in protoplanetaren Scheiben extrem häufig vor, was sie zu einem Hauptziel für Wissenschaftler macht. Protoplanetare Scheiben sind Regionen aus Staub und Gas, in denen Planeten um junge Sterne entstehen.

Aber ungefähr seit den letzten zehn Jahren gab es eine Unklarheit, was die Beobachtungen von Kohlenstoffmonoxid betrifft, sagte Diana Powell, eine NASA Hubble-Stipendiatin vom Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics (CfA).

Ein großer Teil des Kohlenstoffmonoxids fehlt in allen Beobachtungen der protoplanetaren Scheiben, wenn die aktuellen Vorhersagen zur Häufigkeit korrekt sind. Jetzt hat ein neues Modell das Rätsel gelöst, bestätigt durch Beobachtungen mit dem Atacama Large Millimeter/submillimeter Array (ALMA): Das Kohlenstoffmonoxid versteckt sich in Eisformationen innerhalb der Scheiben. Die Ergebnisse wurden am 22. August 2022 im Journal Nature Astronomy veröffentlicht.

“Das ist vielleicht eines der größten ungelösten Probleme bezüglich planetenbildender Scheiben”, sagte Powell, die Studienleiterin. “Abhängig von dem beobachteten System ist der Kohlenstoffmonoxidanteil 3-100 Mal geringer als er sein sollte. Er liegt um einen wirklich großen Betrag daneben.” Und Ungenauigkeiten des Kohlenstoffmonoxidanteils könnten große Auswirkungen auf das Gebiet der Astrochemie haben.

“Kohlenstoffmonoxid wird im Grunde genutzt, um alles abzuleiten, was wir über die Scheiben wissen: ihre Massen, ihre Zusammensetzungen und ihre Temperaturen”, erklärte Powell. “Das könnte bedeuten, dass viele unserer Ergebnisse über die Scheiben verfälscht wurden und unsicher sind, weil wir die chemische Verbindung nicht gut genug verstehen.”

Verblüfft von dem Rätsel setzte Powell ihren Detektivhut auf und stützte sich auf ihr Fachwissen über die Physik hinter Phasenveränderungen – wenn Materie von einem Zustand in einen anderen übergeht; beispielsweise wenn ein Gas sich in einen Festkörper verwandelt. Einem Verdacht folgend führte Powell Änderungen an einem astrophysikalischen Modell durch, das momentan für die Untersuchung von Wolken auf Exoplaneten (Planeten jenseits unseres Sonnensystems) verwendet wird.

“Das wirklich Besondere an diesem Modell ist, dass es detaillierte physikalische Prozesse zur Bildung von Eis auf Teilchen enthält”, erklärte Powell. “Es beschreibt, wie Eis auf kleinen Teilchen entsteht und dann kondensiert. Das Modell verfolgt genau, wo Eis ist, auf welchen Teilchen es sich befindet, wie groß die Teilchen sind, wie klein sie sind und wie sie sich bewegen.”

Powell wandte das angepasste Modell auf protoplanetare Scheiben an und hoffte ein tiefgehendes Verständnis der Art und Weise zu erlangen, wie sich Kohlenstoffmonoxid im Laufe der Zeit in planetaren Kinderstuben entwickelt. Um die Validität des Modells zu prüfen, verglich Powell die Ergebnisse des Modells mit echten ALMA-Beobachtungen des Kohlenstoffmonoxids in vier gut untersuchten Scheiben: TW Hya, HD 163296, DM Tau und IM Lup.

Die Ergebnisse und Modelle funktionierten Powell zufolge wirklich gut. Das neue Modell stimmte mit jeder Beobachtung überein und zeigte, dass den vier Scheiben in Wirklichkeit gar kein Kohlenstoffmonoxid fehlte – es hatte sich nur in Eis umgewandelt, das mit einem Teleskop momentan nicht nachweisbar ist.

Radioobservatorien wie ALMA erlauben Astronomen die Beobachtung von Kohlenstoffmonoxid im Weltraum in seiner Gasphase, aber Eis ist laut Powell mit aktuellen Technologien viel schwerer nachzuweisen, insbesondere große Eisformationen.

Das Modell zeigt, dass Kohlenstoffmonoxid im Gegensatz zu der gängigen Denkweise auf großen Eisteilchen entsteht – größtenteils nach einer Million Jahren. Davor kommt gasförmiges Kohlenstoffmonoxid häufig vor und ist in Scheiben nachweisbar.

“Das verändert unsere Denkweise darüber, wie Eis und Gas in den Scheiben verteilt sind”, sagte Powell. “Es zeigt außerdem, dass detaillierte Modellierungen wie diese wichtig sind, um die grundlegenden Eigenschaften dieser Umgebungen zu verstehen.”

Powell hofft, dass ihr Modell mittels Beobachtungen des James Webb Space Telescope weiter validiert werden kann. Das Webb-Teleskop könnte leistungsfähig genug sein, um endlich Eis in den Scheiben zu registrieren, aber das bleibt abzuwarten. Powell liebt Phasenübergänge und die komplizierten Prozesse dahinter und sagt, sie habe Ehrfurcht vor deren Einfluss. “Die Physik der Eisbildung in kleinen Maßstäben beeinflusst die Entstehung der Scheiben und deren Entwicklung – das ist wirklich toll.”

Quelle

(THK)

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