Sagittarius A* erwachte vor rund 200 Jahren

Beobachtungen von Sagittarius A*. Unten: IXPE-Daten (orange) und Chandra-Daten (blau). Oben: Ein wesentlich größeres Blickfeld mit dem Zentrum der Milchstraßen-Galaxie, wo Sagittarius A* liegt. (Credits: IXPE: NASA / MSFC / F. Marin et al; Chandra: NASA / CXC / SAO; Image Processing: L.Frattare, J.Major & K.Arcand)
Beobachtungen von Sagittarius A*. Unten: IXPE-Daten (orange) und Chandra-Daten (blau). Oben: Ein wesentlich größeres Blickfeld mit dem Zentrum der Milchstraßen-Galaxie, wo Sagittarius A* liegt. (Credits: IXPE: NASA / MSFC / F. Marin et al; Chandra: NASA / CXC / SAO; Image Processing: L.Frattare, J.Major & K.Arcand)

Sagittarius A*, das supermassive Schwarze Loch im Zentrum der Milchstraßen-Galaxie, ist weit weniger hell als andere Schwarze Löcher in den Zentren der Galaxien, die wir beobachten können. Das bedeutet, dass das zentrale Schwarze Loch unserer Galaxie nicht aktiv Materie aufnimmt. Dennoch sprechen neue Belege des Imaging X-ray Polarimetry Explorer (IXPE) dafür, dass der einst schlafende Riese kürzlich – vor 200 Jahren – erwachte, um Gas und andere kosmische Materie in seiner Reichweite zu verschlingen.

Sagittarius A* ist mehr als 25.000 Lichtjahre von der Erde entfernt – das uns nächstgelegene supermassive Schwarze Loch mit einer geschätzten Masse von mehreren Millionen Sonnen. Von Wissenschaftlern oft als Sgr A* (gesprochen “Sagittarius A Stern”) bezeichnet, liegt es in Richtung des Sternbildes Sagittarius (Schütze) direkt im Zentrum der Milchstraßen-Galaxie.

Wissenschaftler nutzten IXPE für einen genaueren Blick, als frühere Röntgenuntersuchungen relativ neue Röntgenemissionen von riesigen Gaswolken in der Nähe von Sagittarius A* registrierten. Im Hinblick darauf, dass die meisten kosmischen Wolken, sogenannte Molekülwolken, kalt und dunkel sind, sollten die Röntgensignaturen dieser Wolken schwach sein. Stattdessen leuchteten sie hell.

“Eines der Szenarien, um zu erklären, warum diese riesigen Molekülwolken leuchten, besagt, dass sie eigentlich einen längst vergangenen Röntgenblitz reflektieren, was darauf hindeutet, dass unser supermassives Schwarzes Loch vor einigen Jahrhunderten gar nicht so ruhig war”, sagte Frédéric Marin, ein Astronom vom Astronomical Observatory of Strasbourg in Frankreich und Hauptautor der neuen Studie, die im Journal Nature veröffentlicht wurde.

IXPE misst die Polarisation des Röntgenlichts (also die durchschnittliche Richtung und Intensität des elektrischen Feldes von Lichtwellen) und blickte im Rahmen zweier Beobachtungskampagnen im Februar und März 2022 auf diese Molekülwolken. Als die Astronomen die resultierenden Daten mit Bildern des Weltraumteleskops Chandra kombinierten und sie mit Archivbeobachtungen der ESA-Mission XMM-Newton verglichen, konnten sie das reflektierte Röntgensignal isolieren und seinen Ursprungsort lokalisieren.

“Der Polarisationswinkel agiert wie ein Kompass und weist uns in Richtung der rätselhaften, längst vergangenen Helligkeitsquelle”, sagte Riccardo Ferrazzoli, ein Astrophysiker am Italian National Institute of Astrophysics in Rom (Italien). “Und was liegt in dieser Richtung? Nichts anderes als Sagittarius A*.”

Bei der Analyse der Daten stellte das Team fest, dass die von den Molekülwolken emittierten Röntgenstrahlen reflektiertes Licht eines starken, kurzlebigen Ausbruchs waren, der von oder bei Sagittarius A* erzeugt wurde, möglicherweise verursacht von dem Schwarzen Loch, das plötzlich nahe Materie verschlang.

Die Daten halfen den Forschern auch bei der Abschätzung der Leuchtkraft und Dauer des ursprünglichen Ausbruchs. Demnach fand das Ereignis vor etwa 200 Erdjahren statt, grob zu Beginn des 19. Jahrhunderts.

Das nächste Ziel des Teams bestehe darin, die Beobachtungen zu wiederholen und die Unsicherheiten der Messung zu reduzieren, sagte der IXPE-Projektwissenschaftler Steven Ehlert vom Marshall Space Flight Center der NASA in Huntsville (Alabama).

Nachfolgebeobachtungen könnten die Schätzungen bezüglich des Ausbruchszeitpunktes und seiner Maximalstärke verbessern und werden helfen, die dreidimensionale Verteilung der Molekülwolken um das ruhige Schwarze Loch zu bestimmen.

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Video-Link: https://youtu.be/55dYUKCKelA


Am wichtigsten sei Ehlert zufolge, dass solche Studien die Wissenschaftler dabei unterstützen, neue Erkenntnisse über die physikalischen Prozesse zu gewinnen, die erforderlich sind, um das unruhig schlummernde Sagittarius A* wiederzuerwecken, wenn auch nur vorübergehend.

“IXPE spielt eine Schlüsselrolle, damit wir die Zeitskala besser verstehen, in der sich das Schwarze Loch im Zentrum unserer Galaxie verändert”, sagte Ehlert. “Wir wissen, dass Veränderungen bei aktiven Galaxien und supermassiven Schwarzen Löchern in menschlichen Zeitskalen ablaufen können. Wir erfahren mehr über das Verhalten, die Geschichte und die Ausbrüche dieses Schwarzen Lochs im Verlauf der Zeit und wir sind gespannt darauf, es weiter zu beobachten, um festzustellen, welche Veränderungen normal und welche einmalig sind.”

IXPE ist ein Gemeinschaftsprojekt zwischen der NASA und der Italian Space Agency mit Partnern und wissenschaftlichen Mitarbeitern in zwölf Ländern. Es wird vom Marshall Space Flight Center betrieben. Ball Aerospace in Broomfield (Colorado) steuert die Flugoperationen zusammen mit dem Laboratory for Atmospheric and Space Physics der University of Colorado in Boulder.

Quelle

(THK)

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