Sie sind hell und blau – und ein bisschen seltsam. Sie sind ein neuer Typ stellarer Explosionen, der kürzlich von einem Astronomenteam unter der Leitung des California Institute of Technology (Caltech) entdeckt wurde. Diese neue Klasse von Supernovae zählen zu den hellsten im Kosmos und könnten Forschern helfen, die Entstehung von Sternen und entfernten Galaxien besser zu verstehen und herauszufinden, wie das frühe Universum ausgesehen haben mag.
“Wir lernen etwas über eine völlig neue Klasse von Supernovae, die vorher nicht bekannt war”, sagt Robert Quimby, Postdoktorand am Caltech und leitender Autor einer Studie, die heute (9.Juni 2011) im Journal Nature veröffentlicht wird. Neben der Entdeckung von vier Explosionen dieses Typs zeigte das Team auch, dass zwei bereits bekannte Supernovae, deren Natur die Astronomen rätseln ließ, ebenfalls zu dieser neuen Klasse gehören.
Quimby machte erstmals im Jahr 2007 Schlagzeilen, als er Student an der University of Texas in Austin war und die bislang hellste jemals beobachtete Supernova entdeckte: 100 Milliarden Mal heller als die Sonne und zehn Mal heller als die meisten anderen Supernovae. Das Objekt mit der Bezeichnung 2005ap war schon ein wenig sonderbar. Erstens war sein Spektrum – der chemische Fingerabdruck, der Astronomen sagt, woraus die Supernova besteht, wie weit entfernt sie ist und was bei der Explosion geschah – wie kein jemals beobachtetes Spektrum zuvor. Es zeigte auch keine Anzeichen von Wasserstoff, der normalerweise in den meisten Supernovae gefunden wird.
Ungefähr zur selben Zeit entdeckten Astronomen mit dem Hubble Space Telescope eine rätselhafte Supernova namens SCP 06F6. Diese Supernova hatte auch ein eigenartiges Spektrum, auch wenn nichts darauf hindeutete, dass diese kosmische Explosion mit 2005ap vergleichbar war.
Shri Kulkarni, der John D. und Catherin T. MacArthur Professor für Astronomie und Planetenwissenschaften am Caltech und Co-Autor der Studie stellte Quimby als Gründungsmitglied der Palomar Transient Factory (PTF) ein. Die PTF ist ein Projekt, das den Himmel nach Lichtblitzen absucht, die vorher nicht da waren – Lichtblitze die auf flüchtige Objekte hinweisen, viele von ihnen sind Supernovae. Als Teil der PTF benutzten Quimby und seine Kollegen das 1,2-Meter-Samuel-Oschin-Telescope des Palomar Observatoriums, um vier neue Supernovae aufzufinden. Nach der Anfertigung von Spektren mit dem 10-Meter-Keck-Telescope auf Hawaii, dem 5,1-Meter-Teleskop des Palomar Observatoriums und dem 4,2-Meter-William-Herschel-Telescope auf den Kanarischen Inseln fanden die Astronomen heraus, dass alle vier Objekte eine ungewöhnliche spektrale Signatur besaßen.
Quimby erkannte dann, dass eine leichte Verschiebung des Spektrums von 2005ap – der Supernova, die er ein paar Jahre später fand – sie wie diese vier neuen Objekte aussehen ließ. Das Team fügte sämtliche Spektren zusammen. “Boom – es war eine perfekte Übereinstimmung”, erinnert er sich.
Die Astronomen stellten bald fest, dass die Verschiebung des Spektrums von SCP 06F6 das Objekt mit den anderen in Beziehung setzte. Am Ende zeigte sich, dass alle sechs Supernovae derselben Klasse angehören und dass sie alle sehr blaue Spektren besitzen – mit den hellsten Wellenlängen im Ultraviolettbereich.
Quimby zufolge sahen die zwei Supernovae 2005ap und SCP 06F6 anders aus, weil 2005ap drei Milliarden Lichtjahre entfernt war, während SCP 06F6 acht Milliarden Lichtjahre entfernt war. Entferntere Supernovae weisen eine stärkere kosmologische Rotverschiebung auf, ein Phänomen, bei dem das expandierende Universum die Wellenlänge des emittierten Lichts streckt und die Spektren von Supernovae in den roten Bereich des Spektrums verschiebt.
Die vier neuen Entdeckungen, deren Eigenschaften mit 2005ap und SCP 06F6 vergleichbar waren, lagen in einer durchschnittlichen Entfernung und lieferten das fehlende Bindeglied, das die zwei zuvor unerklärlichen Supernovae miteinander verband. “Das war das Aufregendste dabei – dass sie alle einer unbekannten Klasse angehören”, sagt Mansi Kasliwal, ein Student am Caltech und Co-Autor der Nature-Studie.
Obwohl die Astronomen wissen, dass diese Supernovae artverwandt sind, können sie nicht viel mehr sagen. “Wir haben eine völlig neue Objektklasse, die von keinem bekannten Modell erklärt werden kann”, sagt Quimby. “Was wir definitiv über sie wissen, ist, dass sie hell und heiß sind – 10.000 bis 20.000 Kelvin, dass sie sehr schnell mit 10.000 Kilometern pro Sekunde expandieren, dass ihnen Wasserstoff fehlt, und dass sie rund 50 Tage benötigen, um abzuklingen – viel länger als die meisten Supernovae, deren Helligkeit oft durch radioaktiven Zerfall gespeist wird. Also müssen ein paar andere Mechanismen beteiligt sein, die sie so hell machen.”
Ein denkbares Modell, das eine Explosion mit solchen Eigenschaften erzeugen würde, beschreibt einen pulsierenden Stern von 90 bis 130 Sonnenmassen. Die Pulsationen blasen Wasserstofffreie Hüllen in den Raum und wenn der Stern seinen Brennstoff verbraucht hat und als Supernova explodiert, heizt die Explosion diese Hüllen auf die beobachteten Temperaturen und Helligkeiten auf.
Ein zweites Modell erfordert einen Stern, der als Supernova explodiert, aber einen so genannten Magnetar hinterlässt – ein schnell rotierendes Objekt mit einem starken Magnetfeld. Das rotierende magnetische Feld verlangsamt den Magnetar, wenn es mit der Fülle geladener Teilchen in seiner Umgebung interagiert und Energie freisetzt. Die Energie heizt das zuvor durch die Supernova abgestoßene Material auf und kann die Helligkeit dieser Ereignisse auf natürliche Weise erklären.
Die neu entdeckten Supernovae traten in schwachen, kleinen Gemeinschaften von wenigen Milliarden Sternen auf, genannt Zwerggalaxien. (Unsere Milchstraße umfasst 200-400 Milliarden Sterne.) Die Supernovae, die fast hundertmal heller als ihre Galaxien sind, erhellen ihre Umgebungen wie entfernte Straßenlaternen eine dunkle Straße. Sie agieren als eine Art Hintergrundleuchten und ermöglichen es Astronomen, das Spektrum des interstellaren Gases und die Zusammensetzung der Zwerggalaxie zu messen, in der sich die Supernova ereignete. Wenn eine beobachtete Supernova ein paar Monate später abklingt, können Astronomen die Zwerggalaxie direkt untersuchen, die unentdeckt geblieben sein könnte, wenn die Supernova nicht explodiert wäre.
Diese Supernovae könnten auch enthüllen, wie alte Sterne ausgesehen haben mögen, weil sie am wahrscheinlichsten aus Sternen hervorgehen, die hundertmal schwerer als die Sonne sind – Sterne, die mit den ersten Sternen im Universum vergleichbar gewesen sein könnten.
“Es ist wirklich erstaunlich, wie reichhaltig der Nachthimmel immer noch ist”, sagt Kulkarni. “Neben den Supernovae macht die Palomar Transient Factory auch große Fortschritte in der stellaren Astronomie.”
Neben Quimby, Kasliwal und Kulkarni leisteten 24 andere Autoren – darunter 11 vom Caltech – weitere Beiträge zu der in der Nature-Studie beschriebenen Arbeit, A new class of hydrogen-poor super-luminous stellar explosions. Die Forschungsarbeit wurde von der National Science Foundation, den United States-Israel Binational Science Foundations, der Israeli Science Foundation, dem Department of Energy, der Gordon & Betty Moore Foundation, Gary und Cynthia Bengier, dem Richard and Rhoda Goldman Fund, und der Royal Society unterstützt. Die Palomar Transient Factory ist eine Kollaboration zwischen dem Caltech, der Columbia University, dem Las Cumbres Observatory Global Telescope, dem Lawrence Berkeley Laboratory, der UC Berkeley, der University of Oxford und dem Weizmann Institute of Science in Israel.
Quelle: http://media.caltech.edu/press_releases/13425
(THK)
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