Plasma und die Van-Allen-Gürtel sind das nächste Forschungsziel der NASA

Künstlerische Darstellung der beiden Van-Allen-Gürtel (grün). (NASA / T. Benesch, J. Carns)
Künstlerische Darstellung der beiden Van-Allen-Gürtel (grün). (NASA / T. Benesch, J. Carns)

Unser tägliches Leben existiert in einer Umgebung, die Physiker als elektrisch neutral bezeichnen würden. Schreibtische, Bücher, Stühle und Körper tragen im Normalfall keine Elektrizität und haften nicht an Magneten. Aber das Leben auf der Erde unterscheidet sich grundlegend von der sonstigen Umgebung. Außerhalb der schützenden Erdatmosphäre dominieren elektrisch geladene Teilchen das Geschehen und erstrecken sich bis in den gesamten interplanetaren Raum. Tatsächlich bestehen 99 Prozent des Universums aus diesem elektrisch geladenen Gas, Plasma genannt.

Zwei riesige donutförmige Strukturen aus diesem Plasma umgeben die Erde und sind innerhalb einer Region gefangen, die als Van-Allen-Strahlungsgürtel bekannt ist. Die Strahlungsgürtel liegen nah an der Erde, eingeschlossen zwischen Satelliten in geostationären Umlaufbahnen darüber und Satelliten in niedrigen Erdumlaufbahnen (low Earth orbit, LEO) darunter. Eine neue NASA-Mission namens Radiation Belt Storm Probes (RBSP), deren Start für den August 2012 geplant ist, wird unser Verständnis darüber verbessern, welche Prozesse das Plasma in diese elektrisch geladenen Gürtel hinein- und herausbewegen lassen.

“Wir entdeckten die Strahlungsgürtel in Beobachtungen des allerersten [US-amerikanischen] Satelliten, Explorer 1, im Jahr 1958”, sagt David Sibeck, ein Weltraumwissenschaftler am Goddard Space Flight Center der NASA in Greenbelt (Maryland) und zuständig für die NASA-Mission RBSP. “Die Beschreibung dieser mit gefährlichen Teilchen gefüllten Strahlungsgürtel war ein großer Erfolg des frühen Raumfahrtzeitalters, aber die Beobachtungen führten zu genauso vielen Fragen wie Antworten. Es sind faszinierende wissenschaftliche Fragen, aber auch praktische Fragen, weil wir Satelliten vor der Strahlung in den Gürteln schützen müssen.”

Der innere Strahlungsgürtel ist größtenteils stabil, aber die Anzahl der Teilchen in dem äußeren Gürtel kann um das Hundertfache oder mehr ansteigen und leicht eine Menge Kommunikationssatelliten und Forschungsinstrumente einhüllen, die die Erde umkreisen. Um herauszufinden, was diese Veränderungen in den Gürteln hervorruft, muss man verstehen, was das Plasma antreibt.

Plasmen brodeln mit komplexen Bewegungen. Sie fließen normalerweise entlang einer Skelettstruktur aus unsichtbaren magnetischen Feldlinien, während sie gleichzeitig mit ihren Bewegungen weitere Magnetfelder erzeugen. Die Regeln herauszuarbeiten, denen so eine fremde Umgebung unterliegt (eine Umgebung, die nur aus der Ferne studiert werden kann), bildet den Schlüssel zum Verständnis einer Reihe von Ereignissen, die das Weltraumwetter ausmachen – von gigantischen Explosionen auf der Sonne bis zu potenziell zerstörerischen hochenergetischen Teilchen in erdnahen Umgebungen.

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Video-Link: https://youtu.be/D4ADOfnGDWI

Diese Visualisierung basiert auf Daten der SAMPEX-Mission, die während eines starken Sonnensturms im Jahr 2003 geladene Teilchen in den Strahlungsgürteln beobachtet hat. Das Video zeigt deutlich, wie sehr der äußere Strahlungsgürtel wachsen kann. (NASA / Goddard Space Flight Center Scientific Visualization Studio)

Im Laufe der Jahre wurden viele Theorien über die Bewegung von Plasma in diesen erdnahen Umgebungen entwickelt. Um zwischen ihnen zu differenzieren haben die RBSP-Wissenschaftler eine Reihe von Instrumenten erdacht, mit denen drei wichtige Fragen beantwortet werden sollen.
– Woher kommen die zusätzliche Energie und die zusätzlichen Teilchen?
– Wohin verschwinden sie und was schickt sie auf ihren Weg?
– Wie beeinflussen diese Veränderungen den Rest der irdischen Magnetosphäre?
Neben dem breiten Instrumentenspektrum wird die RBSP-Mission außerdem Gebrauch von zwei Raumsonden machen, um die vollen räumlichen Dimensionen eines bestimmten Ereignisses und dessen zeitliche Veränderung besser zu kartieren.

Wissenschaftler wollen nicht nur den Ursprung der elektrisch geladenen Teilchen verstehen. Möglicherweise ist es der ständig von der Sonne ausgehende Sonnenwind, möglicherweise ist es eine Region in der äußeren Erdatmosphäre, der Ionosphäre. Sie wollen auch verstehen, welche Mechanismen den Teilchen ihre extreme Geschwindigkeit und Energie verleihen.

“Wir kennen Beispiele, wo ein Sturm aus eintreffenden Teilchen von der Sonne die beiden Strahlungsgürtel derart wachsen lassen kann, dass sie verschmelzen und einen einzigen Gürtel zu bilden scheinen”, sagt Shri Kanekal, stellvertretender RBSP-Projektwissenschaftler am Goddard Space Flight Center. “Dann gibt es andere Beispiele, wo ein großer Sonnensturm die Gürtel kaum beeinflusst hat und sogar Fälle, wo die Gürtel schrumpften. Weil die Auswirkungen so unterschiedlich sein können, gibt es den Scherz in der Gemeinschaft ‘Wenn du einen Sturm gesehen hast… hast du einen Sturm gesehen’. Wir müssen herausfinden, was die Unterschiede verursacht.”

Es gibt zwei umfassende Theorien darüber, wie die Teilchen Energie bekommen: durch radialen Transport oder an Ort und Stelle. Beim radialen Transport bewegen sich die Teilchen rechtwinklig zu den Magnetfeldern innerhalb der Gürtel von weit entfernten Gebieten geringer Magnetfeldstärke in erdnahe Regionen mit hoher Magnetfeldstärke. Die Gesetze der Physik diktieren, dass die Teilchenenergien mit der Stärke des Magnetfeldes korrelieren und ansteigen, wenn sie sich in Richtung Erde bewegen. Die andere Theorie schlägt vor, dass elektromagnetische Wellen die Teilchen anstoßen – wie regelmäßiges Anstoßen einer Schaukel -, was ihre Geschwindigkeit (und Energie) schrittweise erhöht.

Darin, wie die Teilchen die Strahlungsgürtel verlassen, stimmen die Wissenschaftler in zwei umfassenden Möglichkeiten überein: Die Teilchen bewegen sich nach oben oder nach unten. Vielleicht reisen sie entlang magnetischer Feldlinien aus den Gürteln hinaus in Richtung Erde in die Ionosphäre, wo sie als Teil des irdischen Magnetsystems verweilen und das Potenzial besitzen, irgendwann in die Gürtel zurückzukehren. Oder sie werden nach oben transportiert, auf einen Weg ohne Wiederkehr, auf dem sie die Magnetosphäre für immer verlassen und in den interplanetaren Weltraum eintreten.

“In der Realität könnte die letzte Antwort durchaus eine Kombination dieser grundlegenden Möglichkeiten sein”, sagt Sibeck. “Es könnte multiple Prozesse in mehreren Größenordnungen an unterschiedlichen Orten geben und wahrscheinlich gibt es sie auch. Deshalb wird RBSP sehr ausgedehnte Messungen vornehmen und zahlreiche Eigenschaften von Wellen und Teilchen beobachten, um zu sehen, wie sich jedes Ereignis auf die anderen auswirkt.”

Etwa so werden die RBSP-Sonden im Weltraum aussehen. (NASA / Goddard Space Flight Center)
Etwa so werden die RBSP-Sonden im Weltraum aussehen. (NASA / Goddard Space Flight Center)

Um zwischen der Vielzahl der möglichen Theorien (und ihrer Kombinationen) zu differenzieren, werden die Instrumente des RBSP ausgestattet, um ein breites Spektrum an Informationen zu messen. RBSP wird eine Unzahl verschiedener Teilchen messen, darunter Wasserstoff, Helium und Sauerstoff, sowie magnetische und elektrische Felder in den Gürteln registrieren, welche die Bewegungen dieser Teilchen lenken können.

RBSP wird auch einen weiten Energiebereich messen, von den kältesten Teilchen in der Ionosphäre bis zu den energiereichsten, gefährlichsten Teilchen. Informationen darüber, wie die Strahlungsgürtel wachsen und schrumpfen, werden helfen, die Modelle der irdischen Magnetosphäre als Ganzes zu verbessern.

“Teilchen aus den Strahlungsgürteln können in Satelliten eindringen und die Elektronik unterbrechen oder Kurzschlüsse und gestörten Speicher in Computern auslösen”, sagt Sibeck. “Diese Teilchen sind auch für Astronauten gefährlich, die durch die Region reisen. Wir brauchen Modelle, um bei der Vorhersage gefährlicher Ereignisse in den Gürteln zu helfen und jetzt im Moment sind wir nicht wirklich gut darin. RBSP wird helfen, das Problem zu lösen.”

Obwohl es der unmittelbare praktische Nutzen der Untersuchung der Strahlungsgürtel ist, das Weltraumwettersystem in der Nähe der Erde zu verstehen und Menschen und wertvolle Elektronik im Weltraum vor geomagnetischen Stürmen zu schützen, gibt es noch einen anderen Grund, warum Wissenschaftler an dieser Region interessiert sind. Es ist der nächstgelegene Ort, um das Material (das Plasma) zu untersuchen, das das gesamte Universum durchzieht. Diese für uns so fremdartige Umgebung zu verstehen ist entscheidend, um den Aufbau jedes Sterns und jeder Galaxie im fernen Universum zu verstehen.

Das Applied Physics Laboratory (APL) der Johns Hopkins University baute die Zwillingssonden der RBSP-Mission für das Living with a Star Program der NASA, das vom Goddard Space Flight Center für das Science Mission Directorate geleitet wird.

Quelle: http://www.nasa.gov/mission_pages/rbsp/news/electric-atmosphere.html

(THK)

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