Bildveröffentlichung / Chandra: Junge stellare Objekte in der Kleinen Magellanschen Wolke

Junge stellare Objekte im Sternhaufen NGC 602a in der Kleinen Magellanschen Wolke. (X-ray: NASA / CXC / Univ. Potsdam / L. Oskinova et al; Optical: NASA / STScI; Infrared: NASA / JPL-Caltech)
Junge stellare Objekte im Sternhaufen NGC 602a in der Kleinen Magellanschen Wolke. (X-ray: NASA / CXC / Univ. Potsdam / L. Oskinova et al; Optical: NASA / STScI; Infrared: NASA / JPL-Caltech)

Die Kleine Magellansche Wolke (Small Magellanic Cloud, SMC) ist einer der nächstgelegenen galaktischen Nachbarn unserer Milchstraßen-Galaxie. Obwohl sie eine kleine sogenannte Zwerggalaxie ist, leuchtet die Kleine Magellansche Wolke so hell, dass sie von der südlichen Hemisphäre aus und nahe des Äquators mit dem bloßen Auge sichtbar ist. Viele Seefahrer, darunter auch ihr Namensgeber Ferdinand Magellan, benutzten sie, um den Kurs über die Meere zu finden.

Heutige Astronomen sind auch an der Beobachtung der Kleinen Magellanschen Wolke (und ihrem Cousin, der Großen Magellanschen Wolke) interessiert, allerdings aus ganz anderen Gründen. Weil die Kleine Magellansche Wolke so nah und hell ist, bietet sie eine Möglichkeit, um Phänomene zu studieren, die in weiter entfernten Galaxien nur schwer zu untersuchen sind.

Neue Chandra-Daten der Kleinen Magellanschen Wolke haben zu solch einer Entdeckung verholfen: den ersten Nachweis von Röntgenemissionen, die von jungen Sternen mit sonnenähnlichen Massen außerhalb unserer Milchstraßen-Galaxie stammen. Die neuen Chandra-Beobachtungen dieser massearmen Sterne wurden von einer Region erstellt, die als “Flügel” der Kleinen Magellanschen Wolke bekannt ist. Auf diesem Kompositbild des Flügels sind die Chandra-Daten violett gekennzeichnet, optische Daten des Hubble Space Telescope sind rot, grün und blau und die Infrarotdaten des Spitzer Space Teleskop werden in rot dargestellt.

Astronomen bezeichnen alle Elemente schwerer als Wasserstoff und Helium (also solche mit mehr als zwei Protonen in ihren Atomkernen) als “Metalle”. Der Flügel ist eine Region, von der man weiß, dass sie – verglichen mit den meisten Gebieten innerhalb der Milchstraßen-Galaxie – weniger Metalle enthält. Verglichen mit der Milchstraßen-Galaxie weist der Flügel relativ gesehen auch geringere Mengen an Gas, Staub und Sternen auf. Zusammengenommen machen diese Eigenschaften den Flügel zu einem ausgezeichneten Ort, um die Lebenszyklen von Sternen und des zwischen ihnen liegenden Gases zu untersuchen. Diese Bedingungen sind nicht nur typisch für irreguläre Zwerggalaxien wie die Kleine Magellansche Wolke, sondern sie ähneln auch jenen, die im frühen Universum existiert haben dürften.

Die meisten Sternentstehungsprozesse in der Nähe der Flügelspitze treten in einer kleinen Region namens NGC 602 auf, die mindestens drei Sternhaufen enthält. Einer von ihnen, NGC 602a, gleicht dem berühmten Sternhaufen im Orionnebel, was Alter, Masse und Größe angeht. Forscher haben NGC 602a untersucht, um zu sehen ob junge Sterne im Alter von nur wenigen Millionen Jahren andere Eigenschaften besitzen, wenn sie einen geringen Metallgehalt aufweisen, so wie es bei den Sternen in NGC 602a der Fall ist.

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Video-Link: https://youtu.be/SVZl7bFJ9WE

Video mit Informationen über NGC 602. (NASA / CXC / A. Hobart)

Mit Chandra entdeckten Astronomen großflächige Röntgenemissionen, die aus den beiden am dichtesten gepackten Gebieten in NGC 602a stammen. Die ausgedehnte Röntgenemissionswolke hat ihren Ursprung wahrscheinlich in der Population junger, massearmer Sterne in dem Sternhaufen, die bereits zuvor in infraroten und optischen Himmelsdurchmusterungen mit Spitzer und Hubble beobachtet worden waren. Diese Emission ist wahrscheinlich kein heißes Gas, das von massereichen Sternen fortgeblasen wird, weil der geringe Metallgehalt der Sterne in NGC 602a darauf hindeutet, dass diese Sterne schwache Winde haben sollten. Der erfolglose Nachweis von Röntgenemissionen des massereichsten Sterns in NGC 602a unterstützt diese Schlussfolgerung, weil Röntgenemissionen ein Indikator für die Stärke der Winde von massereichen Sternen sind. Es wurden keine individuellen, massearmen Sterne registriert, aber die überlagerten Emissionen vieler tausend Sterne sind hell genug, um beobachtet werden zu können.

Die Ergebnisse sprechen dafür, dass die jungen, metallarmen Sterne in NGC 602a Röntgenstrahlung auf ähnliche Weise produzieren wie die Sterne mit einem deutlich höheren Metallgehalt, die im Orion-Cluster vorgefunden werden. Wenn die Röntgeneigenschaften junger Sterne in unterschiedlichen Umgebungen miteinander vergleichbar sind, dann sind wahrscheinlich auch andere damit zusammenhängende Eigenschaften vergleichbar, so vermuten die Wissenschaftler. Dazu zählen beispielsweise die Entstehung und Entwicklung von Scheiben, in denen sich Planeten bilden.

Röntgenemissionen zeichnen die magnetische Aktivität junger Sterne nach und sind davon abhängig, wie effektiv deren magnetischen Dynamos arbeiten. Magnetische Dynamos erzeugen stellare Magnetfelder durch einen Prozess, an dem die Rotationsgeschwindigkeit des Sterns und seine Konvektion (das Aufsteigen und Absinken von heißem Gas in seinem Inneren) beteiligt sind.

Die kombinierten optischen, Infrarot- und Röntgendaten offenbarten auch erstmals Objekte außerhalb unserer Galaxie, die ein sogar noch jüngeres Entwicklungsstadium eines Sterns repräsentieren. Diese sogenannten “Young Stellar Objects” haben ein Alter von wenigen hunderttausend Jahren und sind noch in die Säulen aus Staub und Gas eingebettet, in denen Sterne entstehen, so wie in den berühmten “Säulen der Schöpfung” im Adlernebel.

Eine Abhandlung, die diese Ergebnisse beschreibt, wurde online veröffentlicht und erschien in der Ausgabe des The Astrophysical Journal vom 1. März 2013. Die Erstautorin ist Lidia Oskinova von der Universität Potsdam in Deutschland und die Co-Autoren sind Wei Sun (Nanjing University, China), Chris Evans (Royal Observatory Edinburgh, Großbritannien), Vincent Hénault-Brunet (University of Edinburgh, Großbritannien), You-Hua Chu (University of Illinois, in Urbana, Illinois), John Gallagher III (University of Wisconsin-Madison in Madison, Wisconsin), Martin Guerrero (Instituto de Astrofísica de Andalucía, Spanien), Robert Gruendl (University of Illinois in Urbana, Illinois), Manuel Güdel (University Wien, Österreich), Sergey Silich (Instituto Nacional de Astrofísica Optica y Electrónica in Puebla, Mexiko), Yang Chen (Nanjing University, China), Yael Nazé (Université de Liège in Liège, Belgien), Rainer Hainich (Universität Potsdam, Deutschland) und Jorge Reyes-Iturbide (Universidade Estadual de Santa Cruz in Ilhéus, Brasilien).

Das Marshall Space Flight Center in Huntsville (Alabama) betreibt das Chandra-Programm für das Science Mission Directorate in Washington. Das Smithsonian Astrophysical Observatory kontrolliert Chandras Wissenschafts- und Flugoperationen von Cambridge (Massachusetts) aus.

Eine größere Version der Kompositaufnahme gibt es unter:
http://chandra.harvard.edu/photo/2013/ngc602/ngc602_lg.jpg

Quelle: http://chandra.harvard.edu/photo/2013/ngc602/

(THK)

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