Neue Entfernungsmessungen lösen wichtiges astronomisches Rätsel um Zwergnovae

Künstlerische Darstellung des Doppelsternsystems SS Cygni. Der Weiße Zwerg (rechts) zieht Materie von dem normalen roten Zwergstern ab, die sich in einer Akkretionsscheibe sammelt. Ausbrüche finden statt, wenn die Scheibe instabil wird. (Bill Saxton, NRAO / AUI / NSF)
Künstlerische Darstellung des Doppelsternsystems SS Cygni. Der Weiße Zwerg (rechts) zieht Materie von dem normalen roten Zwergstern ab, die sich in einer Akkretionsscheibe sammelt. Ausbrüche finden statt, wenn die Scheibe instabil wird. (Bill Saxton, NRAO / AUI / NSF)

Manchmal ist Astronomie wie eine Immobilie – wichtig ist der Standort, Standort, Standort: Astronomen haben ein wichtiges Problem für ihr Verständnis einer Klasse von regelmäßig ausbrechenden Sternen gelöst, indem sie die Entfernung zu einem berühmten Beispiel dieses Typs exakt maßen.

Die Forscher nutzten das Very Long Baseline Array (VLBA) der National Science Foundation und das European VLBI Network (EVN), um die Distanz zu dem Doppelsternsystem SS Cygni auf 370 Lichtjahre zu bestimmen. SS Cygni ist eines der meistbeobachteten Systeme am Himmel, das aus veränderlichen Sternen besteht. Diese neue Entfernungsmessung hatte zur Folge, dass eine Erklärung für die regelmäßigen Ausbrüche des Systems, welche für vergleichbare Paare gilt, auch auf SS Cygni zutrifft.

„Dies ist eines der am besten untersuchten Systeme seines Typs, aber nach unserem Wissen darüber, wie diese Vorgänge ablaufen, sollte es keine Ausbrüche zeigen. Die neue Entfernungsmessung bringt es mit der Standarderklärung in Einklang“, sagte James Miller-Jones von der Curtin University, die dem International Centre for Radio Astronomy Research in Perth (Australien) angehört.

SS Cygni im Sternbild Cygnus (Schwan) ist ein dichter Weißer Zwerg, der sich in einem engen Orbit mit einem weniger schweren roten Zwergstern befindet. Die starke Gravitation des Weißen Zwergs zieht Materie von seinem Begleiter ab, die sich in einer wirbelnden Scheibe um den Weißen Zwerg sammelt. Die beiden Sterne umkreisen einander in nur rund 6,6 Stunden. Durchschnittlich alle 49 Tage erhellt ein starker Ausbruch das System.

Dieser Sternsystem-Typ wird als Zwergnova bezeichnet und ausgehend von anderen Beispielen haben Wissenschaftler vermutet, dass die Ausbrüche aus Veränderungen der Rate resultieren, mit der die Materie aus der Scheibe auf den Weißen Zwerg fällt. Bei hohen Materie-Transferraten von dem roten Zwergstern bleibt die rotierende Scheibe stabil, aber wenn die Rate geringer ist, kann die Scheibe instabil werden und einen Ausbruch erfahren.

Dieser Mechanismus schien basierend auf vorherigen Entfernungsschätzungen für alle bekannten Zwergnovae zu gelten – bis auf SS Cygni. Messungen des Hubble Space Telescope in den Jahren 1999 und 2004 setzten SS Cygni in eine Entfernung von etwa 520 Lichtjahren. „Das war ein Problem. Bei dieser Distanz wäre SS Cygni die hellste Zwergnova am Himmel gewesen und sollte genug bewegte Masse in ihrer Scheibe besessen haben, um ohne Ausbrüche stabil zu bleiben“, sagte Miller-Jones.

Die mit den Radioteleskopen gemessene geringere Distanz bedeute, dass das System selbst weniger hell ist und damit jetzt den Eigenschaften der Standarderklärung für Ausbrüche von Zwergnovae entspreche, sagten die Wissenschaftler. Die Astronomen machten die neuen Entfernungsmessungen mit dem VLBA und dem EVN, die jeweils weit voneinander getrennte Radioteleskope verwenden, um als ein einziges, extrem präzises Teleskop zusammenzuarbeiten. Diese Systeme sind imstande, die exaktesten Positionsbestimmungen durchzuführen, die der astronomischen Forschung zur Verfügung stehen.

Durch die Beobachtung von SS Cygni, wenn sich die Erde an den gegenüberliegenden Positionen ihrer Umlaufbahn um die Sonne befindet, können Astronomen die geringe Verschiebung des Objekts vor dem Hintergrund der weiter entfernten Sterne messen. Dieser Effekt, Parallaxe genannt, erlaubt Wissenschaftlern, die Distanz zu einem Objekt direkt zu messen, indem sie simple trigonometrische Berechnungen anwenden (siehe Bild unten).

Illustration der Parallaxen-Methode zur Entfernungsbestimmung. Das Objekt scheint sich sich vor dem Hintergrund verschoben zu haben, wenn es von der Erde aus im Abstand von sechs Monaten beobachtet wird. Mit dem bekannten Durchmesser der Erdbahn und den gemessenen Winkeln lässt sich mittels Trigonometrie die Distanz bestimmen. (Bill Saxton, NRAO / AUI / NSF)
Illustration der Parallaxen-Methode zur Entfernungsbestimmung. Das Objekt scheint sich sich vor dem Hintergrund verschoben zu haben, wenn es von der Erde aus im Abstand von sechs Monaten beobachtet wird. Mit dem bekannten Durchmesser der Erdbahn und den gemessenen Winkeln lässt sich mittels Trigonometrie die Distanz bestimmen. (Bill Saxton, NRAO / AUI / NSF)

Den Astronomen war bekannt, dass SS Cygni während der Ausbrüche Radiowellen emittiert, also führten sie ihre Radioteleskop-Beobachtungen durch, nachdem sie Berichte von Amateur-Astronomen über einen bevorstehenden Ausbruch erhielten. Sie beobachteten das Objekt und dessen Ausbrüche zwischen 2010 und 2012.

Der Unterschied zwischen den Beobachtungen des Hubble-Teleskops in sichtbarem Licht und den Radio-Beobachtungen könne mehrere Ursachen haben, sagten die Forscher. Die Radio-Beobachtungen wurden gegen einen Hintergrund gemacht, der weit außerhalb unserer eigenen Milchstraßen-Galaxie liegt, wohingegen die Hubble-Beobachtungen Sterne innerhalb unserer Galaxie als Referenzpunkte verwendeten. Die weiter entfernten Objekte würden eine bessere, stabilere Referenz liefern, betonten die Astronomen. Die Radio-Beobachtungen seien zudem immun gegenüber anderen möglichen Fehlerquellen, ergänzten sie.

SS Cygni wurde 1896 entdeckt und ist ein beliebtes Objekt für Amateur-Astronomen. Der American Association of Variable Star Observers zufolge blieb seit der Entdeckung von SS Cygni nicht ein einziger Ausbruch unbeobachtet. Das System wurde fast eine halbe Million Male beobachtet und seine Helligkeitsveränderungen wurden sorgfältig aufgezeichnet, was es zu einem der meiststudierten astronomischen Objekte des vergangenen Jahrhunderts macht.

Miller-Jones arbeitete zusammen mit Gregory Sivakoff von der University of Alberta und der University of Virginia, Christian Knigge von der University of Southampton (Großbritannien), Elmar Kording von der Radboud University Nijmegen (Niederlande), sowie Matthew Templeton und Elizabeth Waagen von der American Association of Variable Star Observers in Cambridge (Massachusetts). Die Forscher veröffentlichten ihre Ergebnisse im Journal Science.

Das National Radio Astronomy Observatory ist eine Einrichtung der National Science Foundation und wird im Rahmen eines Kooperationsvertrags von Associated Universities, Inc. betrieben.

Quelle: http://www.nrao.edu/pr/2013/sscyg/

(THK)

Werbung

Ersten Kommentar schreiben

Antworten

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.


*