Magnetare, die dichten Überreste toter Sterne, die gelegentliche Ausbrüche hochenergetischer Strahlung zeigen, gehören zu den extremsten Objekten im Universum. Eine umfangreiche Beobachtungskampagne mit dem Chandra X-ray Observatory und mehreren anderen Satelliten zeigt, dass Magnetare möglicherweise vielfältiger sind und häufiger vorkommen als bislang angenommen.
Wenn ein massereicher Stern seinen Brennstoff aufgebraucht hat, kollabiert sein Kern und bildet einen Neutronenstern – ein ultradichtes Objekt mit einem Durchmesser von 16 bis 25 Kilometern. Die bei diesem Prozess freigesetzte Gravitationsenergie bläst die äußeren Schichten in einer Supernova-Explosion fort und lässt den Neutronenstern zurück.
Die meisten Neutronensterne rotieren schnell (ein paar Mal pro Sekunde), aber ein kleiner Prozentsatz weist eine relativ niedrige Rotationsrate von wenigen Sekunden auf, während die Sterne gelegentlich starke Röntgenstrahlenausbrüche erzeugen. Die einzige plausible Quelle der bei diesen Ausbrüchen emittierten Energie ist die magnetische Energie, die in dem Stern gespeichert ist. Deswegen werden diese Objekte als „Magnetare“ bezeichnet.
Die meisten Magnetare besitzen extrem starke Magnetfelder an ihren Oberflächen, die zehn- bis tausendmal stärker als jene eines durchschnittlichen Neutronensterns sind. Neue Beobachtungen zeigen, dass der Magnetar „SGR 0418+5729“ (kurz SGR 0418) nicht in dieses Muster passt. Er hat ein Oberflächenmagnetfeld, das mit gewöhnlichen Neutronensternen vergleichbar ist.
Video-Link: https://youtu.be/28eOn7b1tKY
Video mit Illustrationen und Erklärungen zu dem Magnetar SGR 0418. (NASA / CXC / J. DePasquale)
„Wir haben festgestellt, dass SGR 0418 ein viel schwächeres Oberflächenmagnetfeld besitzt als jeder andere Magnetar“, sagte Nanda Rea vom Institute of Space Science in Barcelona (Spanien). „Das hat bedeutende Auswirkungen auf unsere Denkweise darüber, wie sich Neutronensterne mit der Zeit entwickeln und auf unser Verständnis von Supernova-Explosionen.“
Die Forscher überwachten SGR 0418 über drei Jahre lang mit Chandra, dem ESA-Satelliten XMM-Newton und den NASA-Satelliten Swift und RXTE. Sie waren in der Lage, eine genaue Schätzung der Stärke des externen Magnetfeldes zu machen, indem sie Veränderungen der Rotationsgeschwindigkeit während eines Röntgenstrahlenausbruchs maßen. Diese Ausbrüche werden wahrscheinlich durch Brüche in der Kruste des Neutronensterns verursacht, ausgelöst durch den Aufbau von Spannungen in einem relativ starken, aufgewickelten Magnetfeld direkt unter der Oberfläche.
„Dieses schwache Oberflächenmagnetfeld macht dieses Objekt zu einer Anomalie unter Anomalien“, sagte Co-Autor GianLuca Israel vom National Institute of Astrophysics in Rom (Italien). „Ein Magnetar ist anders als typische Neutronensterne, aber SGR 0418 unterscheidet sich auch von anderen Magnetaren.“
Durch Rekonstruktion des Abkühlungsprozesses des Neutronensterns und seiner Kruste und durch die langsame Abschwächung seines Magnetfeldes schätzten die Wissenschaftler, dass SGR 0418 etwa 550.000 Jahre alt ist. SGR 0418 ist damit älter als die meisten anderen Magnetare und seine lange Lebensdauer hat dem Oberflächenmagnetfeld möglicherweise erlaubt, sich mit der Zeit abzuschwächen. Weil die Kruste schwächer wurde und das innere Magnetfeld relativ stark ist, konnten die Ausbrüche noch immer auftreten.
Der Fall von SGR 0418 könnte bedeuten, dass es viele andere ältere Magnetare mit starken Magnetfeldern unter ihren Oberflächen gibt, was darauf hindeutet, dass ihre Geburtsrate fünf- bis zehnmal höher ist als bisher gedacht.
„Unserem Modell von SGR 0418 zufolge denken wir, dass in jeder Galaxie einmal pro Jahr ein stiller Neutronenstern Magnetar-ähnliche Ausbrüche zeigen sollte“, sagte Josè Pons von der University of Alacant in Spanien. „Wir hoffen, viele weitere dieser Objekte zu finden.“
Eine andere Schlussfolgerung des Modells ist, dass das Oberflächenmagnetfeld von SGR 0418 bei seiner Geburt vor einer halben Million Jahren sehr stark gewesen sein sollte. Das und eine potenziell große Population vergleichbarer Objekte könnte bedeuten, dass die massereichen Vorläufersterne bereits starke Magnetfelder besaßen, oder dass diese Magnetfelder durch die schnell rotierenden Neutronensterne während des Kernkollaps erzeugt wurden, der Teil des Supernova-Ereignisses war.
Wenn eine große Anzahl Neutronensterne mit starken Magnetfeldern geboren wird, dann könnte ein entscheidender Prozentsatz der Gammastrahlenausbrüche durch die Entstehung von Magnetaren statt Schwarzen Löchern produziert werden. Auch wäre der Beitrag von Magnetar-Geburten an Gravitationswellensignalen – Verzerrungen der Raumzeit – größer als bislang angenommen.
Die Möglichkeit eines relativ schwachen Oberflächenmagnetfeldes für SGR 0418 wurde erstmals 2010 von einem Team bekanntgegeben, dem auch einige Mitglieder des aktuellen Teams angehörten. Damals konnten die Wissenschaftler allerdings nur eine obere Grenze für die Stärke des Magnetfeldes bestimmen und keine tatsächliche Schätzung abgeben, weil nicht genug Daten gesammelt wurden.
SGR 0418 liegt rund 6.500 Lichtjahre von der Erde entfernt in unserer Milchstraßen-Galaxie. Die neuen Ergebnisse über SGR 0418 erscheinen online und werden in der The Astrophysical Journal-Ausgabe vom 10. Juni 2013 veröffentlicht. Das Marshall Space Flight Center der NASA in Huntsville (Alabama) betreibt das Chandra-Programm für das Science Mission Directorate in Washington. Das Smithsonian Astrophysical Observatory kontrolliert Chandras Wissenschafts- und Flugoperationen von Cambridge (Massachusetts) aus.
Quelle: http://chandra.si.edu/press/13_releases/press_052313.html
(THK)
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