Neue Analysen von einem Astrophysiker der University of Texas in Dallas liefern neue Erkenntnisse über das energiereichste Ereignis im Universum: der Verschmelzung zweier rotierender, einander umkreisender Schwarzer Löcher zu einem viel größeren Schwarzen Loch. Die Arbeit von Dr. Michael Kesden, einem Assistenzprofessor für Physik an der UT Dallas, und seinen Kollegen zeigt erstmals Lösungen für Jahrzehnte alte Gleichungen auf, welche die Bedingungen beschreiben, wenn zwei Schwarze Löcher einander in einem Doppelsystem umkreisen und bis zur Kollision aufeinanderzuspiralen. Die Abhandlung ist online verfügbar und wurde in der Ausgabe der Physical Review Letters vom 27. Februar 2015 veröffentlicht.
Kesden sagte, die Lösungen würden nicht nur großen Einfluss auf die Untersuchung von Schwarzen Löchern haben, sondern auch auf die Suche nach Gravitationswellen im Universum. Albert Einsteins allgemeine Relativitätstheorie sagt voraus, dass sich zwei einander umkreisende, massereiche Objekte in einem Doppelsystem aufeinanderzubewegen sollten, wobei das System Gravitationswellen emittiert. “Eine beschleunigende Ladung, etwa ein Elektron, erzeugt elektromagnetische Strahlung, darunter sichtbare Lichtwellen. Analog dazu kann jede beschleunigende Masse Gravitationswellen erzeugen”, sagte Kesden.
“Die durch Gravitationswellen verlorene Energie lässt die Schwarzen Löcher näher und näher aufeinanderzuspiralen, bis sie miteinander verschmelzen, was das energiereichste Ereignis im Universum darstellt”, sagte er. “Diese Energie wird weniger in Form sichtbaren Lichts abgegeben, was leicht zu sehen ist, sondern mehr in Form von Gravitationswellen, die sehr schwach und viel schwieriger nachzuweisen sind.” Obwohl Einsteins Theorien die Existenz von Gravitationswellen vorhersagen, wurden sie bislang nicht direkt beobachtet. Aber die Fähigkeit, Gravitationswellen zu “sehen”, würde ein neues Fenster zur Beobachtung und Untersuchung des Universums öffnen.
Optische Teleskope können Bilder von sichtbaren Objekten wie Sternen und Planeten machen, und Radioteleskope sowie Infrarotteleskope können zusätzliche Informationen über unsichtbare, energiereiche Ereignisse enthüllen. Gravitationswellen würden ein weiteres Medium darstellen, durch das astrophysikalische Phänomene erforscht werden können, sagte Kesden.
“Mit Gravitationswellen als Hilfsmittel für die Beobachtung kann man etwas über die Eigenschaften der Schwarzen Löcher erfahren, welche diese Wellen vor Milliarden Jahren emittierten – Informationen wie ihre Massen und Massenverhältnisse”, sagte er. “Das sind wichtige Daten, um die Entwicklung und die Natur des Universums umfassender zu verstehen.”
In diesem Jahr zielt ein großes Physik-Experiment namens Laser Interferometer Gravitational-Wave Observatory (LIGO) darauf ab, Gravitationswellen erstmals direkt nachzuweisen. LIGO ist eines der größten Projekte, die von der National Science Foundation finanziert werden.
“Die von uns gelösten Gleichungen werden helfen, die Eigenschaften der Gravitationswellen vorherzusagen, die LIGO erwartungsgemäß bei Verschmelzungen zweier Schwarzer Löcher registrieren würde”, sagte Kesden. “Wir freuen uns darauf, unsere Lösungen mit den Daten zu vergleichen, die LIGO sammelt.” Die von Kesden gelösten Gleichungen beschäftigen sich insbesondere mit dem Drehimpuls von Schwarzen Löchern in einem Doppelsystem und mit einem Phänomen, das als Präzession bezeichnet wird.
Der Eigendrehimpuls ist ein Maß für die Rotation, die ein sich drehendes Objekt besitzt. Er umfasst die Rotationsgeschwindigkeit und die Richtung, in die die Rotationsachse zeigt. Bei einem einfachen Objekt wie einem sich drehenden Eiskunstläufer würde die Richtung des Eigendrehimpulses nach oben zeigen. Eine andere Art Drehimpuls, der Bahndrehimpuls, wird auf ein System angewandt, in dem Objekte sich gegenseitig umkreisen. Der Bahndrehimpuls besitzt ebenfalls einen Wert für die Stärke und eine Richtung.
In einer astrophysikalischen Umgebung wie einem System aus zwei Schwarzen Löchern, verändern sich die einzelnen Arten der Drehimpulse mit der Zeit – sie präzedieren. “In diesen Systemen hat man drei Drehimpulse, die ihre Richtungen in Bezug zur Ebene der Umlaufbahn verändern: die beiden Eigendrehimpulse und den einen Bahndrehimpuls”, sagte Kesden. “Die Lösungen, die wir jetzt haben, beschreiben die Richtungen der präzedierenden Rotationen von den Schwarzen Löchern.”
Neben der Lösung existierender Gleichungen leitete Kesden auch Gleichungen ab, die Wissenschaftlern erlauben werden, die Präzession der Rotation von Schwarzen Löchern von der Entstehung bis zur Verschmelzung viel effizienter und schneller statistisch zu erfassen. “Wir können das jetzt Millionen Mal schneller, als es vorher möglich war”, sagte er. “Mit diesen Lösungen können wir Computersimulationen erstellen, welche die Entwicklung von Schwarzen Löchern über Milliarden Jahre verfolgen. Eine Simulation, die bisher Jahre in Anspruch genommen hätte, kann jetzt in Sekunden durchgeführt werden. Aber es ist nicht nur schneller. Es gibt Dinge, die wir aus diesen Simulationen lernen können, die wir auf andere Art einfach nicht in Erfahrung bringen konnten.”
Zu der Abhandlung trugen auch Forscher der University of Cambridge, des Rochester Institute of Technology und der University of Mississippi bei. Die Wissenschaftler wurden teilweise von der National Science Foundation und der University of Texas in Dallas unterstützt.
(THK)
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