Mit Daten des NASA-Weltraumteleskops Chandra wurde ein Band aus heißem Gas entdeckt, das einer Galaxie wie ein Schweif folgt. Dieser Röntgenschweif ist wahrscheinlich durch Gas entstanden, welches aus der Galaxie herausgerissen wurde, während sie sich durch eine ausgedehnte Wolke aus heißem, intergalaktischen Gas bewegt. Mit einer Länge von mindestens 250.000 Lichtjahren ist er wohl der größte Schweif dieser Art, der bislang beobachtet wurde.
Der Schweif befindet sich im Galaxienhaufen Zwicky 8338, der fast 700 Millionen Lichtjahre von der Erde entfernt ist. Die Länge des Schweifs ist größer als der doppelte Durchmesser der gesamten Milchstraßen-Galaxie. Er enthält Gas mit Temperaturen von ungefähr zehn Millionen Grad Celsius. Das ist etwa 20 Millionen Grad Celsius kühler als das intergalaktische Gas, aber immer noch heiß genug, um hell in Röntgenwellenlängen zu leuchten, die Chandra registrieren kann.
Die Wissenschaftler vermuten, dass der Schweif entstand, als sich eine Galaxie mit der Bezeichnung CGCG254-021 (oder vielleicht eine Galaxiengruppe, die von dieser großen Galaxie dominiert wird) durch das heiße Gas des Galaxienhaufens Zwicky 8338 bewegte. Durch den Druck, den die rasche Bewegung ausübt, wurde Gas aus der Galaxie herausgerissen.
Galaxienhaufen sind die größten Strukturen im Universum, die durch ihre Gravitation zusammengehalten werden. Sie bestehen aus hunderten oder sogar tausenden Galaxien, enormen Vorkommen heißer Gase und großen Mengen unbeobachteter Dunkler Materie.
„Weil Galaxienhaufen so riesig sind, spielen sie eine entscheidende Rolle für unser Verständnis dessen, wie sich unser Universum entwickelt“, sagte Gerrit Schellenberger von der Universität Bonn (Deutschland), der die Studie leitete. „Um Galaxienhaufen zu verstehen, müssen wir begreifen, wie ihre Galaxien sich mit der Zeit verändern, und diese Röntgenschweife bilden ein wichtiges Element dafür.“
Bilder des Weltraumteleskops Chandra und des Karl Jansky Very Large Array (VLA) der National Science Foundation (NSF) zeigen, dass sich die Galaxie CGCG254-021 (rechts) in Richtung des unteren Bildrandes zu bewegen scheint und der Schweif ihr folgt. Es gibt eine deutliche Lücke zwischen dem Röntgenschweif und der Galaxie – die größte bisher beobachtete.
„Die große Lücke zwischen der Galaxie und dem Schweif könnte uns verraten, dass das Gas vollständig aus der Galaxie herausgerissen wurde“, sagte der Co-Autor Thomas Reiprich von der Universität Bonn. „Infolgedessen wurde der Schweif von der Galaxie abgeschnitten.“
Die Astronomen waren außerdem in der Lage, mehr über die Wechselwirkungen des Systems zu erfahren, indem sie die Eigenschaften der Galaxie und ihres Schweifs sorgfältig untersuchten. Der Schweif besitzt einen helleren Fleck, der als sein „Kopf“ bezeichnet wird. Hinter seinem Kopf befindet sich der Schweif aus diffusen Röntgenemissionen. Das Gas im Kopf des Schweifs könnte kühler sein und im Vergleich zum Rest des Schweifs reicher an Elementen, die schwerer sind als Helium. Vor dem Kopf des Schweifs gibt es Anzeichen für einen Bow Shock, ähnlich der Schockwelle, die von einem Überschallflugzeug erzeugt wird. Vor der Schockwelle liegt die Galaxie CGCG254-021.
Unabhängige Forschungsarbeiten mit Bezug auf Beobachtungen in infraroten Wellenlängen sprechen dafür, dass CGCG254-021 die größte Masse aller Galaxien in Zwicky 8338 besitzt. Die Infrarotbeobachtungen deuten gemeinsam mit Modellen der Galaxienentwicklung darauf hin, dass CGCG254-021 in der jüngeren Vergangenheit mit Abstand die höchste Sternentstehungsrate der Galaxien in dem Galaxienhaufen hatte. Allerdings gibt es keine Hinweise auf neue Sternentstehungsprozesse, vermutlich weil das Gas fehlt, das jetzt den Schweif bildet.
Video-Link: https://youtu.be/abMr4_7w2L8
Videobeitrag über den Galaxienhaufen Zwicky 8338. (NASA / CXC / A. Hobart)
„Dieser Schweif ist ein anschauliches Beispiel dafür, wie dynamisch Galaxienhaufen sind. Wir könnten die Wandlung einer Galaxie beobachten, während sie sich durch den Galaxienhaufen bewegt“, sagte Schellenberger. „Darüber hinaus umfasst die Materie in dem Schweif nicht nur Wasserstoff, sondern auch schwerere Elemente, was die Entstehung neuer Sterngenerationen hinter der Galaxie auslösen könnte.“
Die Abhandlung, welche diese Ergebnisse beschreibt, wurde in der November-Ausgabe des Journals Astronomy and Astrophysics veröffentlicht und ist online verfügbar. Das Marshall Space Flight Center der NASA in Huntsville (Alabama) leitet das Chandra-Programm für das Science Mission Directorate in Washington. Das Smithsonian Astrophysical Observatory in Cambridge (Massachusetts) steuert die Wissenschafts- und Flugoperationen des Weltraumteleskops.
Quelle: http://chandra.harvard.edu/press/15_releases/press_122115.html
(THK)
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