Der Ursprung von kosmischen Strahlen, hochenergetischen Teilchen, die ständig aus dem Weltraum auf die Erde treffen, gehört zu den drängendsten offenen Fragen in der Astrophysik. Eine jetzt im Journal Monthly Notices of the Royal Astronomical Society veröffentlichte Forschungsarbeit wirft neues Licht auf den Ursprung dieser energiereichen Teilchen.
Kosmische Strahlen wurden vor mehr als 100 Jahren entdeckt und als potenzielles Gesundheitsrisiko für Flugzeugbesatzungen und Astronauten angesehen. Man vermutet, dass sie von Schockwellen erzeugt werden, beispielsweise von solchen, die aus Supernova-Explosionen hervorgehen. Die energiereichsten kosmischen Strahlen, die das Universum durcheilen, besitzen 10-100 Millionen Mal mehr Energie als die Energiemenge, die von Teilchenbeschleunigern wie dem Large Hadron Collider am CERN erzeugt wird.
Der Krebsnebel, der Überrest einer Supernova-Explosion, die vor fast 1.000 Jahren (1054 n. Chr.) beobachtet wurde, ist eines der am besten untersuchten Objekte in der Geschichte der Astronomie und eine bekannte Quelle kosmischer Strahlen. Er emittiert Strahlung über das gesamte elektromagnetische Spektrum – von Gammastrahlen, ultraviolettem und sichtbarem Licht bis hin zu Infrarot- und Radiowellen. Das meiste, was wir sehen, stammt von sehr energiereichen Teilchen (Elektronen), und Astrophysiker können detaillierte Modelle erstellen, um die Strahlung nachzubilden, die diese Teilchen emittieren.
Die neue Studie von Federico Fraschetti von der University of Arizona (USA) und Martin Pohl von der Universität Potsdam (Deutschland) offenbart, dass die elektromagnetische Strahlung, die aus dem Krebsnebel kommt, einen anderen Ursprung haben könnte, als Wissenschaftler bisher annahmen: Die gesamte Strahlung könnte von einer einzigen Elektronen-Population stammen – eine Hypothese, die bislang für unmöglich gehalten wurde.
Dem allgemein akzeptierten Modell zufolge prallen die Teilchen aufgrund der magnetischen Turbulenzen viele Male hin und her, nachdem sie die Schockwellengrenze erreicht haben und an ihr abgeprallt sind. Während dieses Prozesses gewinnen sie Energie, ähnlich wie ein Tennisball, der zwischen zwei Tennisschlägern hin- und hergeschlagen wird, die sich stetig aufeinander zubewegen. So kommen sie der Lichtgeschwindigkeit immer näher. Solch ein Modell folgt einer Theorie, die 1949 von dem italienischen Physiker Enrico Fermi aufgestellt wurde.
“Die aktuellen Modelle berücksichtigen nicht, was passiert, wenn die Teilchen ihre höchste Energie erreichen”, sagte Fraschetti, ein Wissenschaftler am Department of Planetary Sciences, Astronomy and Physics der University of Arizona. “Nur wenn wir einen anderen Beschleunigungsmechanismus einschließen, durch den die Anzahl von Teilchen mit höherer Energie schneller abnimmt als bei geringerer Energie, können wir das gesamte von uns beobachtete elektromagnetische Spektrum erklären. Das verrät uns, dass der Mechanismus ein anderer sein muss, obwohl die Schockwelle die Quelle für die Beschleunigung der Teilchen ist.”
“Das neue Ergebnis stellt einen wichtigen Fortschritt für unser Wissen über die Teilchenbeschleunigung in kosmischen Objekten dar und hilft uns, den Ursprung der energiereichen Teilchen zu enträtseln, die fast überall im Universum beobachtet werden”, ergänzte der Co-Autor Martin Pohl.
Die Autoren schlussfolgern, dass ein besseres Verständnis über die Art und Weise der Beschleunigung in kosmischen Quellen erforderlich ist und darüber, wie die Beschleunigung funktioniert, wenn die Energie der Teilchen sehr groß wird. Mehrere NASA-Missionen, darunter ACE, STEREO und WIND, widmen sich der Untersuchung von vergleichbaren Eigenschaften der Schockwellen von Plasmaexplosionen auf der Oberfläche der Sonne, während selbige zur Erde reisen. Dadurch könnten sie in naher Zukunft wichtige Einblicke in diese Effekte liefern.
(THK)
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