Neue Studie findet im Tarantelnebel mehr massereiche Sterne als vermutet

Hubble-Aufnahme des Tarantelnebels. (Credits: NASA, ESA, E. Sabbi (STScI))
Hubble-Aufnahme des Tarantelnebels. (Credits: NASA, ESA, E. Sabbi (STScI))

Ein internationales Astronomenteam hat eine erstaunliche Häufigkeit massereicher Sterne in einer benachbarten Galaxie festgestellt. Die Entdeckung in der riesigen Sternentstehungsregion 30 Doradus in der Großen Magellanschen Wolke hat weitreichende Folgen für unser Verständnis dessen, wie Sterne das junge Universum in jenes verwandelten, in dem wir heute leben. Die Ergebnisse wurden im Journal Science veröffentlicht.

Der Hauptautor Fabian Schneider, Hintze-Forschungsstipendiat am Department of Physics der University of Oxford, sagte: „Wir waren verblüfft, als wir erkannten, dass 30 Doradus viel mehr massereiche Sterne gebildet hat als erwartet.“

Als Teil des VLT-FLAMES Tarantula Survey (VFTS) verwendete das Team das Very Large Telescope (VLT) der Europäischen Südsternwarte (ESO), um fast 1.000 massereiche Sterne in 30 Doradus zu beobachten. Dabei handelt es sich um eine gigantische stellare Kinderstube, die auch unter dem Namen Tarantelnebel bekannt ist. Das Team nutzte detaillierte Analysen von etwa 250 Sternen mit Massen zwischen 15 und 200 Sonnenmassen, um die Verteilung von massereichen Sternen in 30 Doradus festzustellen – die sogenannte ursprüngliche Massenfunktion (initial mass function, IMF).

Massereiche Sterne sind wegen ihres Einflusses auf ihre Umgebungen für Astronomen besonders interessant. Sie können am Ende ihres Lebens in spektakulären Supernovae explodieren und dabei einige der exotischsten Objekte im Universum bilden: Neutronensterne und Schwarze Löcher.

Der Co-Autor Hugues Sana von der University of Leuven in Belgien sagte: „Wir waren nicht nur von der schieren Anzahl massereicher Sterne überrascht, sondern auch davon, dass ihre ursprüngliche Massenfunktion bis auf 200 Sonnenmassen ansteigt.“ Bis jetzt war die Existenz von Sternen mit bis zu 200 Sonnenmassen sehr umstritten, und die Studie zeigt, dass der Maximalwert für die Geburtsmasse von Sternen bei 200-300 Sonnenmassen liegt und als wahrscheinlich erscheint.

In den meisten Regionen des Universums, die von Astronomen bisher untersucht wurden, kommen Sterne seltener vor, je massereicher sie sind. Die ursprüngliche Massenfunktion sagt voraus, dass die meiste stellare Masse in massearmen Sternen zu finden ist und dass weniger als ein Prozent aller Sterne mit mehr als zehn Sonnenmassen geboren werden. Die Messung des Anteils von massereichen Sternen ist extrem schwierig – hauptsächlich wegen ihrer Seltenheit. Es gibt nur eine Handvoll Orte im lokalen Universum, wo solche Messungen vorgenommen werden können.

Das Team wandte sich 30 Doradus zu, der größten lokalen Sternentstehungsregion, die einige der massereichsten Sterne hervorgebracht hat, die jemals entdeckt wurden. Die Forscher bestimmten die Massen der massereichen Sterne mit einzigartigen Beobachtungen sowie theoretischen und statistischen Hilfsmitteln. Diese umfangreiche Probe erlaubte den Wissenschaftlern, das bislang präziseste Hochmassensegment der ursprünglichen Massenfunktion abzuleiten und zu zeigen, dass massereiche Sterne viel häufiger sind als bisher angenommen.

Chris Evans vom UK Astronomy Technology Centre des Science and Technology Facilities Council, leitender Wissenschaftler des VFTS und Co-Autor der Studie, sagte: „Unsere Ergebnisse lassen tatsächlich darauf schließen, dass der Großteil der stellaren Masse nicht länger in massearmen Sternen zu finden ist, sondern dass sich ein wesentlicher Anteil in massereichen Sternen befindet.“

Sterne sind kosmische Maschinen und haben die meisten chemischen Elemente produziert, die schwerer als Helium sind – vom Sauerstoff, den wir jeden Tag atmen, bis zum Eisen in unserem Blut. Im Laufe ihres Lebens produzieren massereiche Sterne große Mengen ionisierender Strahlung und kinetischer Energie durch starke Sternwinde. Die ionisierende Strahlung von massereichen Sternen war entscheidend für die Wiederaufhellung des Universums nach dem sogenannten Dunklen Zeitalter und ihr Einfluss steuert die Entwicklung von Galaxien.

Philipp Podsiadlowski, ein Co-Autor der Studie von der University of Oxford, sagte: „Um all diese Feedbackmechanismen quantitativ zu verstehen – und dadurch die Rolle der massereichen Sterne im Universum – müssen wir wissen, wie viele dieser Giganten geboren werden.“

„Unsere Ergebnisse haben weitreichende Folgen für unser Verständnis des Universums: Es könnte 70 Prozent mehr Supernovae geben, eine Verdreifachung der produzierten chemischen Elemente und fast die vierfache Menge ionisierender Strahlung von Populationen massereicher Sterne. Auch die Entstehungsrate schwarzer Löcher könnte um 180 Prozent ansteigen und direkt zu einem entsprechend höheren Anzahl von Doppelsystemen führen, deren Verschmelzungen kürzlich durch ihre Gravitationswellensignale registriert wurden“, ergänzte Schneider.

Die Forschung des Teams lässt viele Fragen offen, die die Wissenschaftler in der Zukunft ergründen wollen: Wie allgemeingültig sind die Ergebnisse und was sind ihre Folgen für die Entwicklung unseres Universums und das Auftreten von Supernovae und Gravitationswellenereignissen?

Quelle

(THK)

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