Covid-19 und dessen Folgen haben die Gesellschaft fest im Griff. Das gilt nicht nur für die Wirtschaft und den Gesundheitssektor, sondern auch für die Ausübung von Hobbys. Das ist ein Aspekt, der praktisch jeden in irgendeiner Form betrifft und womit man sich möglichst gut arrangieren muss. Zumindest wenn man bei seinen Hobbys mit anderen Menschen interagiert und sich nicht allein auf eine Expedition zum Nordpol wagt.
Astronomie und Astrofotografie sind Hobbys, bei denen man zwangsläufig in Kontakt mit anderen Menschen kommt, seien es andere Leute, die das Hobby ebenfalls teilen, oder Leute, auf die man angewiesen ist, um das Hobby ausüben zu können – beispielsweise die Betreiber von Campingplätzen.
Nachdem das diesjährige Internationale Teleskoptreffen Vogelsberg (ITV) 2020 aufgrund der Corona-Krise abgesagt werden musste (was zu dem Zeitpunkt auch zweifellos die richtige Entscheidung war), wuchs der Wunsch nach einer Alternative. Eine kleinere Alternative natürlich und im Rahmen dessen, was die coronabedingten Beschränkungen erlauben. Was wäre standesgemäßer als Astro-Camping im Campingpark Gedern, dem Standort des regulären ITV? Versuch macht kluch.
Nun gut, unser Stammplatz war zwar belegt, aber die Zeltwiesen sind bekanntlich groß genug. Diesmal schlugen wir unser Zelt direkt auf der ersten Wiese auf, unterhalb des Stammplatzes vom COMA-Haufen (Gruß an selbigen). Ein großer Nachteil des gesamten Standortes ist seit eh und je die schlechte Netzanbindung: Mit Edge kann man daten- und geschwindigkeitstechnisch keine großen Sprünge machen, sodass in der Zeit auch die zwischenzeitliche Veröffentlichung von Wissenschaftsnachrichten leider reines Wunschdenken blieb.
So konnte ich mich aber besser darauf konzentrieren, mir beim Zeltaufbauen den obligatorischen Sonnenbrand einzufangen, was auch hervorragend funktionierte. Nebensächlichkeiten. Kommen wir mal zu den wichtigen Dingen: Bereits am zweiten Abend waren in Richtung Nordwesten leuchtende Nachtwolken zu sehen. Dieser Wolkentyp entsteht in wesentlich größeren Höhen als normale Wolken. In 80-85 Kilometern Höhe können sie auch noch von der Sonne angestrahlt werden, wenn sie schon untergegangen ist, daher die Bezeichnung leuchtende Nachtwolke. Charakteristisch für diese Wolken sind wellenartige Strukturen und zarte Bänder.
Kurze Zeit später fand ein weiteres lohnenswertes Spektakel statt: Eine Konjunktion von Saturn, Jupiter und dem fast vollen Mond. Mit einer Brennweite von 135 Millimetern passte das Naturschauspiel schön ins Bild, umrahmt von Wolken und ein paar Bäumen.
Das Wetter am nächsten Abend war eher durchwachsen, aber die Wolkenlücken reichten zumindest für einen kurzen Blick auf Jupiter. Auch eine Gruppe Abiturienten, die mittags ihre Zelte neben uns aufgeschlagen hatten, war von dem majestätischen Anblick des Gasriesen fasziniert. Trotz des schlechten Seeings waren die beiden Hauptwolkenbänder sichtbar. Der berühmte Große Rote Fleck, ein gigantisches Sturmsystem, war visuell kaum auszumachen, weil die Luft in Horizontnähe relativ unruhig war. Nach der Nachbearbeitung der aufgenommenen Rohdaten in Form eines Videos war der Große Rote Fleck aber doch erkennbar. Verwaschen zwar, aber eindeutig vorhanden.
Das wechselhafte Wetter setzte sich am nächsten Tag fort. Jetzt stand die Sonne auf dem Plan, allerdings nicht mit dem Maksutov-Teleskop, sondern mit dem 130er-Newton. Dank durchziehender Wolken waren mehrere Versuche nötig, um die Aufnahmen für ein kleines Mosaik fertigzustellen. Die Sonne zeigt momentan kaum Aktivität im Weißlicht, so dass das Mosaik recht strukturlos erscheint. Die Granulation, also die Unterteilung der Sonnenoberfläche in riesige Konvektionszellen, ist nur zu erahnen.
Das Gebiet um den Gederner See ist übrigens nicht nur für Astrofotogafen und Fans der visuellen Astronomie interessant, sondern auch für Vogelbeobachter. Morgens wird man von Singvögeln in den Hecken und Bäumen geweckt, am See hört man die Wasservögel und regelmäßig kreisen auch große Greifvögel über dem See und den umliegenden Wiesen und Feldern. Mit Teleobjektiven und etwas Glück kann man schöne Schnappschüsse machen.
Was nun folgte, war gewissermaßen ein Schönwetterkataströphchen. Die Wetterdienste kündigten eine recht klare und trockene Nacht an, was uns und einigen anderen Gästen sehr gelegen kam. Das aufgebaute Equipment hatte zwischenzeitlich nämlich das Interesse einiger Gäste erregt, mit denen wir schnell ins Gespräch kamen. Und selbstverständlich hatten wir eine Menge zu gucken, nachdem der Abendhimmel dunkel genug war.
Jupiter mit seinen tanzenden Monden und Saturn, der “Herr der Ringe”, beeindruckten trotz der ungünstigen Bedingungen nicht nur die oben erwähnten Abiturienten (Gruß an Romy, Paula & Co), sondern auch die regelmäßig vorbeischauenden Nachtwächter. Letztere mussten eine – nennen wir es mal ganz ganz beschönigend “Partygruppe” – erst einmal davon überzeugen, etwas leiser zu sein und die Stroboskopdiskolampen auszuschalten.
Die gleichen Reaktionen der Beobachter beim Blick durch das Maksutov-Teleskop auf die Planeten gab es auch beim Blick auf verschiedene Deepsky-Objekte durch das 130er Newton-Teleskop. Aufgrund des schnellen Öffnungsverhältnis und der damit einhergehenden Lichtstärke eignet es sich sehr gut für die Beobachtung von Nebel oder (schwachen) Galaxien. Die Andromeda-Galaxie M31, der Kugelsternhaufen M13 oder der Ringnebel M57 verursachten pures Erstaunen, teilweise gepaart mit Ausrufen wie “Wow!” und “Krass!”.
Nachdem die letzten “Mitgucker” gegen 01:30 Uhr gegangen waren, blieb noch genug Zeit, um Vorbereitungen für die kommenden Stunden zu treffen, bis es wieder hell wird. Der Überflug der ISS stand auf dem Plan, ebenso wie Jupiter, Mars und ein neues Mond-Mosaik.
Wir fangen mit dem Überflug der Internationalen Raumstation ISS an, den ich fast verpasst hätte, weil ich mich bei den Uhrzeiten der App verguckt hatte. Shit happens – deswegen nur ein Schnappschuss mit knapp 30 Sekunden Belichtungszeit und keine vollständige Strichspur.
Mars und Jupiter zeigten wegen ihrer geringen Höhe über dem Horizont nur wenig Details. Mars ließ seine helle Polkappe erahnen und auf Jupiter waren einige Wolkenbänder zu sehen. Leider werden die Planeten in den kommenden paar Jahren weiterhin recht tief am Horizont stehen, was die Beobachtungen zumindest hier in Deutschland nicht einfacher machen wird.
Das Mond-Mosaik basiert auf 6 Ausschnitten, wobei jeder Ausschnitt das Ergebnis eines Stacks aus knapp 2.000 Einzelbildern ist. Beim Stacking werden die Einzelbilder per Software analysiert, so dass die störenden Auswirkungen der Luftunruhe herausgemittelt werden können. Das klappt mal gut und mal weniger gut, abhängig von vielen Faktoren wie Brennweite, Öffnungsdurchmesser und Stärke der Turbulenzen. Das resultierende Mond-Mosaik hatte in diesem Fall noch “Luft nach oben”, wie man so schön sagt, aber es gab auch schon deutlich schlechtere Versuche. Genauere Informationen zur Vorgehensweise beim Stacking gibt es in diesem Tutorial.
Der Morgen darauf begann früh, denn ein paar Kinder und deren Väter (vermutlich eher die Kinder) wollten unbedingt den Mond mit seinen Kratern sehen, was in der Nacht davor an der Müdigkeit (vermutlich an der der Väter) scheiterte. Mondbeobachtungen am Tag sind aufgrund des sehr hellen Himmels leider immer kontrastarm im Vergleich zu nächtlichen Mondbeobachtungen. Dennoch waren die Kinder zufrieden mit dem Anblick, der sich im Teleskop bot: Ein heller, bläulicher Mond mit einigen großen Kratern.
Der letzte Tag für produktive Beobachtungen endete mit einem kleinen Highlight: Zum Sonnenuntergang zeigte sich eine schwache, aber sichtbare Nebensonne. Dieses zu den Halo-Erscheinungen zählende Phänomen entsteht durch Brechung des Sonnenlichts an Eiskristallen in der Erdatmosphäre und kann – je nach Stärke und Ausprägung – ein echter Hingucker sein. Dieses Exemplar war offenbar noch zu schüchtern.
Und dann war die Mission Astro-Camping abgeschlossen – sogar ziemlich erfolgreich. Erfolgreicher als manches Teleskoptreffen, was die Anzahl der Bilder und Beobachtungen angeht. Nach dem Ausfall des ITV war das eine kleine aber feine Genugtuung (mit einem virtuellen Stinkefinger in Richtung Corona, könnten böse Zungen jetzt behaupten). Wie dem auch sei: Wir freuen uns auf das nächste ITV 2021, dann hoffentlich wieder unter normalen Umständen.
(THK)
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