Hubble-Daten erklären die fehlende Dunkle Materie in der Galaxie NGC 1052-DF4

Dieses Bild zeigt den Himmel um die ultraschwachen Galaxien NGC 1052-DF4 und NGC 1052-DF2. Es basiert auf Daten des Digitized Sky Survey 2. NGC 1052-DF2 ist auf diesem Bild praktisch nicht erkennbar. (Credits: ESA / Hubble, NASA, Digitized Sky Survey 2; Acknowledgement: Davide de Martin)
Dieses Bild zeigt den Himmel um die ultraschwachen Galaxien NGC 1052-DF4 und NGC 1052-DF2. Es basiert auf Daten des Digitized Sky Survey 2. NGC 1052-DF2 ist auf diesem Bild praktisch nicht erkennbar. (Credits: ESA / Hubble, NASA, Digitized Sky Survey 2; Acknowledgement: Davide de Martin)

Neue Daten des Weltraumteleskops Hubble liefern weitere Belege für Gezeitenstörungen in der Galaxie NGC 1052-DF4. Dieses Ergebnis erklärt eine frühere Entdeckung, laut der dieser Galaxie ein Großteil ihrer Dunklen Materie fehlt. Durch die Untersuchung des Lichts der Galaxie und der Verteilung ihrer Kugelsternhaufen sind Astronomen zu dem Schluss gekommen, dass die Gravitationskräfte der benachbarten Galaxie NGC 1035 die Dunkle Materie aus NGC 1052-DF4 herausrissen und die Galaxie jetzt auseinanderreißen.

Im Jahr 2018 entdeckte ein internationales Forschungsteam mit dem Weltraumteleskop Hubble und verschiedenen anderen Observatorien erstmals eine Galaxie in unserer kosmischen Nachbarschaft, der ein Großteil ihrer Dunklen Materie fehlt. Diese Entdeckung der Galaxie NGC 1052-DF2 war eine Überraschung für Astronomen, weil Dunkle Materie in aktuellen Modellen zur Galaxienentstehung und -entwicklung als ein Schlüsselbestandteil angesehen wird. Tatsächlich würde das primordiale Gas ohne die Präsenz von Dunkler Materie nicht genug Gravitationskraft für den anfänglichen Kollaps und die Entstehung neuer Galaxien aufweisen. Ein Jahr später wurde mit NGC 1052-DF4 eine weitere Galaxie entdeckt, der die Dunkle Materie fehlt. Das löste unter Astronomen neue Debatten über die Natur dieser Objekte aus.

Jetzt wurden neue Hubble-Daten verwendet, um die Ursache für die fehlende Dunkle Materie in NGC 1052-DF4 zu erklären, die rund 45 Millionen Lichtjahre entfernt ist. Mireia Montes von der University in New South Wales (Australien) leitete ein internationales Astronomenteam, um die Galaxie mittels tiefer optischer Bilder zu analysieren. Sie stellten fest, dass die fehlende Dunkle Materie durch die Effekte der Gezeitenstörung erklärt werden kann. Die Gravitationskräfte der benachbarten massereichen Galaxie NGC 1035 reißen NGC 1052-DF4 auseinander. Bei diesem Prozess geht zunächst die Dunkle Materie verloren, während die Sterne die Auswirkungen der Interaktion mit einer anderen Galaxie erst in einem späteren Stadium erfahren.

Bis jetzt war das Entfernen von Dunkler Materie auf diese Weise vor Astronomen verborgen geblieben, weil es nur mit extrem tiefen Aufnahmen beobachtet werden kann, die extrem schwache Strukturen offenbaren. “Wir nutzten Hubble auf zwei Arten, um zu entdecken, dass NGC 1052-DF4 einer Interaktion unterliegt”, erklärte Montes. “Das umfasst die Untersuchung des Lichts von der Galaxie und die Verteilung ihrer Kugelsternhaufen.”

Dank Hubbles hohem Auflösungsvermögen konnten die Astronomen die Population der Kugelsternhaufen in der Galaxie identifizieren. Das 10,4-Meter GTC-Teleskop (Grad Telescopio Canarias) und das IAC80-Teleskop auf den Kanarischen Inseln (Spanien) wurden ebenfalls verwendet, um die Hubble-Beobachtungen mit weiteren Daten zu ergänzen.

“Es reicht nicht aus, nur viel Zeit mit der Beobachtung des Objekts zu verbringen. Eine sorgfältige Analyse der Daten ist entscheidend”, erklärte das Teammitglied Raúl Infante-Sainz vom Instituto de Astrofisica de Canarias in Spanien. “Deshalb war es wichtig, dass wir nicht nur ein Teleskop beziehungsweise Instrument benutzen, sondern mehrere (sowohl auf dem Boden als auch im Weltraum), um die Forschungsarbeit durchzuführen. Mit der hohen Auflösung von Hubble können wir die Kugelsternhaufen identifizieren und dann mit der Photometrie des GTC die physikalischen Eigenschaften feststellen.”

Man vermutet, dass Kugelsternhaufen in den Phasen intensiver Sternentstehung gebildet werden, welche die Galaxien gestalten. Ihre kompakten Größen und ihre Helligkeiten machen sie leicht beobachtbar und damit zu guten Hinweisgebern, um die Eigenschaften ihrer Heimatgalaxien aufzudecken. So können Astronomen durch die Untersuchung und Charakterisierung der räumlichen Verteilung der Kugelsternhaufen in NGC 1052-DF4 Einblicke in den heutigen Zustand der Galaxie selbst gewinnen. Die Anordnung dieser Kugelsternhaufen spricht dafür, dass sie aus ihrer Heimatgalaxie herausgerissen wurden, und das untermauert die Schlussfolgerung, dass hier Gezeitenstörungen stattfinden.

Durch die Untersuchung des Lichts von der Galaxie fanden die Astronomen auch Belege für Gezeitenschweife, die dann entstehen, wenn Materie sich von NGC 1052-DF4 wegbewegt. Das unterstützt ebenso die Schlussfolgerung, dass es sich um ein Gezeitenstörungsereignis handelt. Weitere Analysen ergaben, dass die zentralen Bereiche der Galaxie unberührt blieben und sich nur etwa sieben Prozent der stellaren Masse der Galaxie in diesen Gezeitenschweifen befinden. Das bedeutet, dass die Dunkle Materie, die weniger konzentriert vorliegt als Sterne, früher und bevorzugt aus der Galaxie herausgerissen wurde, und jetzt auch die äußere stellare Komponente beginnt herausgerissen zu werden.

“Das Ergebnis ist ein guter Indikator dafür, dass die Sterne erst jetzt beginnen, die Auswirkungen des Gezeitenstörungsmechanismus zu erfahren, obwohl die Dunkle Materie bereits aus dem System herausgerissen wurde”, erklärte das Teammitglied Ignacio Trujilo vom Instituto de Astrofisica de Canarias in Spanien. “Mit der Zeit wird NGC 1052-DF4 von dem großen System um NGC 1035 verschlungen, wobei mindestens einige ihrer Sterne frei in den Weltraum katapultiert werden.”

Die Entdeckung von Hinweisen, um den Mechanismus der Gezeitenstörung als Erklärung für die fehlende Dunkle Materie in der Galaxie zu untermauern, hat nicht nur ein astronomisches Rätsel gelöst, sondern die Astronomen auch beruhigt. Ohne sie würden die Wissenschaftler unser Verständnis der Gravitationsgesetze neu überdenken müssen.

“Diese Entdeckung bestätigt das vorhandene Wissen darüber, wie Galaxien entstehen und sich gemäß der gängigsten kosmologischen Modelle entwickeln”, sagte Montes.

Quelle

(THK)

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