Astronomen beobachten ungewöhnliche Aktivitäten bei einem Magnetar

Künstlerische Darstellung des aktiven Magnetars Swift J1818.0-1607. (Credits: Image by Carl Knox, OzGrav)
Künstlerische Darstellung des aktiven Magnetars Swift J1818.0-1607. (Credits: Image by Carl Knox, OzGrav)

Astronomen des ARC Centre of Excellence for Gravitational Wave Discovery (OzGrav) und des CSIRO haben ein bizarres, nie zuvor gesehenes Verhalten bei einem radiolauten Magnetar beobachtet. Magnetare sind ein seltener Neutronensterntyp und gehören zu den stärksten Magneten im Universum.

Ihre neuen Ergebnisse, veröffentlicht am 2. Februar 2021 in den Monthly Notices of the Royal Astronomical Society (MNRAS), sprechen dafür, dass Magnetare komplexere Magnetfelder besitzen als bisher angenommen. Das könnte Theorien über ihre Entstehung und zeitliche Entwicklung herausfordern.

Magnetare sind ein seltener Typ rotierender Neutronensterne mit den stärksten Magnetfeldern im Universum. Astronomen haben in der Milchstraßen-Galaxie und in dessen Nähe erst 30 dieser Objekte entdeckt. Die meisten von ihnen registrierte man mit Röntgenteleskopen nach einem hochenergetischen Ausbruch.

Eine Handvoll dieser Magnetare emittieren allerdings auch Radioimpulse ähnlich wie Pulsare. Pulsare sind die weniger magnetischen Cousins der Magnetare, die Radiowellen aus ihren Magnetpolen emittieren. Die Beobachtung, wie sich die Pulse dieser radiolauten Magnetare im Lauf der Zeit verändern, stellt ein einzigartiges Fenster zu ihrer Entwicklung und Geometrie dar.

Im März 2020 wurde ein neuer Magnetar namens Swift J1818.0-1607 (kurz J1818) entdeckt, nachdem er einen hellen Röntgenausbruch zeigte. Rasche Nachfolgebeobachtungen registrierten Radiopulse von dem Magnetar. Interessanterweise sahen die von J1818 emittierten Radiopulse anders aus als jene von anderen radiolauten Magnetaren.

Die meisten Radiopulse von Magnetaren halten eine konsistente Helligkeit über ein breites Frequenzspektrum. Die Pulse von J1818 waren in niedrigen Frequenzen jedoch viel heller als in hohen Frequenzen. Das ähnelt dem, was bei Pulsaren beobachtet wird – einem anderen bekannten Typ von Neutronensternen, die Radiowellen emittieren.

Um besser zu verstehen, wie J1818 sich mit der Zeit entwickeln wird, beobachtete ein Team unter Leitung von OzGrav-Forschern ihn zwischen Mai und Oktober 2020 achtmal mit dem CSIRO Parkes Radio Telescope (auch bekannt als Murriyang).

Während dieser Zeitspanne stellten die Forscher fest, dass der Magnetar in einer kurzen Identitätskrise steckte: Im Mai emittierte er noch die ungewöhnlichen pulsarähnlichen Pulse, die früher registriert wurden. Bis zum Juni hatte er allerdings angefangen, zwischen einem hellen und einem schwachen Zustand zu flackern. Dieses flackernde Verhalten erreichte im Juli einen Höhepunkt, als die Forscher ihn zwischen dem Abstrahlen von pulsarähnlichen und magnetarähnlichen Radiopulsen hin- und herspringen sahen.

Dieses bizarre Verhalten wurde bisher bei keinem anderen radiolauten Magnetar beobachtet”, erklärte der Doktorand Marcus Lower von der Swinburne University und dem CSIRO, der Studienleiter. “Es scheint nur ein kurzlebiges Phänomen gewesen zu sein, weil er bis zu unserer nächsten Beobachtung permanent zu diesem neuen magnetarähnlichen Zustand gekommen war.”

Die Wissenschaftler suchten auch nach Änderungen der Pulsform und -helligkeit in verschiedenen Radiofrequenzen und verglichen ihre Beobachtungen mit einem 50 Jahre alten theoretischen Modell. Dieses Modell sagt die erwartete Geometrie eines Pulsars voraus, basierend auf der verdrehten Richtung seines polarisierten Lichts. “Anhand unserer Beobachtungen stellten wir fest, dass die Magnetachse von J1818 nicht an seiner Rotationsachse ausgerichtet ist”, sagte Lower.

“Stattdessen scheint der radioemittierende Magnetpol in seiner südlichen Hemisphäre zu liegen, direkt südlich des Äquators. Die meisten anderen Magnetare haben Magnetfelder, die an ihren Rotationsachsen ausgerichtet sind, oder sie sind nicht eindeutig”, ergänzte er.

“Dies ist das erste Mal, dass wir definitiv einen Magnetar mit einem unausgerichteten Magnetpol gesehen haben.” Bemerkenswerterweise scheint diese magnetische Geometrie über die meisten Beobachtungen hinweg stabil zu sein. Das deutet darauf hin, dass Veränderungen des Pulsprofils einfach auf die Veränderungen der Höhe über der Oberfläche des Neutronensterns zurückzuführen sind, in der die Radiopulse emittiert werden.

Die Beobachtung vom 1. August 2020 ist jedoch eine kuriose Ausnahme. “Unser bestes geometrisches Modell für dieses Datum besagt, dass der Radiostrahl kurz zu einem ganz anderen Magnetpol in der nördlichen Hemisphäre des Magnetars sprang”, sagte Lower.

Das Fehlen jeglicher Veränderungen im Pulsprofil des Magnetars lässt darauf schließen, dass dieselben magnetischen Feldlinien, die die normalen Radiopulse auslösen, auch für die Pulse des anderen Magnetpols verantwortlich sein müssen.

Die Studie schlägt vor, dass dies ein Beleg dafür ist, dass die Radiopulse von J1818 aus magnetischen Feldlinienbögen stammen, die zwei nah beieinander liegende Pole miteinander verbinden – wie jene, welche die beiden Pole eines Hufeisenmagneten oder Sonnenflecken auf der Sonne verbinden. Das ist anders als bei den meisten gewöhnlichen Neutronensternen, bei denen man davon ausgeht, dass sie einen Nord- und Südpol an entgegengesetzten Seiten des Sterns besitzen, welche durch ein donutförmiges Magnetfeld verbunden sind.

Diese besondere Magnetfeldkonfiguration wird auch durch eine unabhängige Studie der Röntgenpulse von J1818 unterstützt, die vom NICER-Teleskop an Bord der Internationalen Raumstation registriert wurden. Die Röntgenstrahlen scheinen entweder aus einer einzelnen verzerrten Region von Magnetfeldlinien zu kommen, die von der Oberfläche des Magnetars ausgehen, oder von zwei kleineren aber eng benachbarten Regionen.

Diese Entdeckungen haben potenzielle Auswirkungen auf Computersimulationen zur Entstehungsweise von Magnetaren und deren Entwicklung über lange Zeitperioden, weil komplexere Magnetfeldgeometrien die Geschwindigkeit des Zerfalls ihrer Magnetfelder im Laufe der Zeit verändern werden. Außerdem werden Theorien, die vorschlagen, dass schnelle Radioblitze von Magnetaren stammen können, auch Radiopulse berücksichtigen müssen, die von verschiedenen aktiven Orten innerhalb ihrer Magnetfelder ausgehen.

Die Beobachtung eines Sprungs zwischen den Polen könnte auch die erste Gelegenheit nach sich ziehen, um das Magnetfeld eines Magnetars zu kartieren.

“Das Parkes Telescope wird den Magnetar im Verlauf des nächsten Jahres genau beobachten”, sagte der Co-Autor Simon Johnston vom CSIRO.

Quelle

(THK)

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