
Der Kuipergürtel ist eine Scheibe aus kleinen, eishaltigen Himmelskörpern, von denen man annimmt, dass sie Überreste aus dem frühen Sonnensystem darstellen. Er umkreist die Sonne von der Umlaufbahn des Neptun (etwa 30 Astronomische Einheiten) aus bis in eine Entfernung von rund 50 Astronomischen Einheiten. Kuipergürtelobjekte kreisen relativ zur Ebene der planetaren Umlaufbahnen in Orbits mit hohen Inklinationswinkeln.
Innerhalb eines bestimmten Entfernungsbereichs von Neptun werden sie als klassische Kuipergürtelobjekte bezeichnet und eine Untergruppe – die sogenannten kalten, klassischen Kuipergürtelobjekte – besitzt sehr kleine Inklinationswinkel von weniger als sechs Grad. Astronomen vermuten, dass kalte, klassische Kuipergürtelobjekte an Ort und Stelle entstanden und nicht durch Neptun oder andere Prozesse in ihre Umlaufbahnen gestreut wurden. Ihre kleinen Inklinationswinkel spiegeln diese Geschichte wider.
Kalte, klassische Kuipergürtelobjekte haben infolge ihrer Zusammensetzung im Allgemeinen rötliche Farbtöne und fast 30 Prozent von ihnen liegen als weit getrennte Doppelsystemen vor. Kürzlich wurde eine seltene Untergruppe bei ihnen identifiziert, die eine bläulichere Farbe haben und alle davon existieren paarweise.
Die Astronomen Rosemary Pike, Mike Alexandersen und Matthew Lehner vom Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics (CfA) waren Mitglieder des Col-OSSOS-Teams (Colours of the Outer Solar System Origins Survey), das optische Farbmessungen von 98 Kuipergürtelobjekten vornahm. Die Gesamtzahl der kalten, klassischen Kuipergürtelobjekte erhöhte sich durch präzise photometrische Messungen von 87 auf 113. Mit der großen Stichprobe von Farben der kalten, klassischen Kuipergürtelobjekte konnte das Team eine Korrelation zwischen der Farbe und dem paarweisen Auftreten der Objekte feststellen.
Die Forscher argumentieren, dass diese bläulichen, kalten, klassischen Kuipergürtelobjekte „ausgestoßene Überlebende“ sind, die in die Region mit anderen klassischen Kuipergürtelobjekten gebracht wurden, als Neptun nach außen wanderte. Mit Simulationen und statistischen Hilfsmitteln schlussfolgerten sie, dass sich der Großteil der Objekte, die in der klassischen Region entstanden, als Paare bildeten und dass diese Paare zusammenblieben, obwohl sie weit voneinander getrennt und dadurch dynamisch anfällig sind.
Die Simulationen stärken die Ansicht, dass diese bläulichen Überlebenden fortkatapultiert wurden. Die Astronomen sagen, dass weitere Untersuchungen dieser bläulichen Objekte dabei helfen werden, die Details der Migration Neptuns in der Frühzeit des Sonnensystems zu enthüllen.
Abhandlung: „Col-OSSOS: The Distinct Color Distribution of Single and Binary Cold Classical KBOs“ von Wesley C. Fraser, Susan D. Benecchi, J. J. Kavelaars, Michaël Marsset, Rosemary E. Pike, Michele T. Bannister, Megan E. Schwamb, Kathryn Volk, David Nesvorny, Mike Alexandersen, Ying-Tung Chen, Stephen Gwyn, Matthew J. Lehner und Shiang-Yu Wang, Planetary Science Journal 2, 90, 2021.
(THK)
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