Fermi entdeckt die ersten Bedeckungen bei Spinnenpulsaren im Gammabereich

Ein umkreisender Stern beginnt seinen Partner, einen rasch rotierenden superdichten Pulsar, zu verdecken. Der Pulsar emittiert Strahlungsimpulse in verschiedenen Wellenlängen. (Credits: NASA / Sonoma State University, Aurore Simonnet)
Ein umkreisender Stern beginnt seinen Partner, einen rasch rotierenden superdichten Pulsar, zu verdecken. Der Pulsar emittiert Strahlungsimpulse in verschiedenen Wellenlängen. (Credits: NASA / Sonoma State University, Aurore Simonnet)

Wissenschaftler haben mit Daten des Fermi Gamma-ray Space Telescope die ersten Bedeckungen eines speziellen Doppelsterntyps im Gammabereich entdeckt. Diese sogenannten Spinnensysteme enthalten jeweils einen Pulsar (den superdichten, schnell rotierenden Überrest eines als Supernova explodierten Sterns), der seinen Begleiter langsam erodiert.

Ein internationales Forschungsteam sichtete ein Jahrzehnt Beobachtungsdaten von Fermi und fand sieben Spinnensysteme, die diese Bedeckungen zeigen. Sie treten auf, wenn der massearme Begleitstern aus unserer Perspektive vor dem Pulsar vorbeizieht. Die Daten erlaubten den Forschern zu berechnen, wie die Systeme relativ zu unserer Sichtlinie geneigt sind, und lieferten auch andere Informationen.

“Eines der wichtigsten Ziele der Untersuchung von Spinnensystemen besteht darin zu versuchen, die Massen der Pulsare zu messen”, sagte Colin Clark, ein Astrophysiker am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik in Hannover (Deutschland), der Leiter der Studie. “Pulsare sind im Grunde genommen Kugeln aus der dichtesten Materie, die wir messen können. Die maximale Masse, die sie erreichen können, begrenzt die Physik innerhalb dieser extremen Umgebungen, die auf der Erde nicht nachgebildet werden können.”

Eine Abhandlung über die Studie wurde am 26. Januar 2023 im Journal Nature Astronomy veröffentlicht.

Spinnensysteme entstehen, weil sich ein Stern in einem Doppelsternsystem schneller entwickelt als sein Begleiter. Wenn der massereichere Stern als Supernova explodiert, hinterlässt er einen Pulsar. Dieser stellare Überrest emittiert Strahlen aus Licht in verschiedenen Wellenlängen, darunter Gammastrahlung, die unser Blickfeld überstreicht. Auf diese Weise entstehen Pulse, die so regelmäßig sind, dass die mit der Präzision von Atomuhren konkurrieren.

Ein Spinnenpulsar “ernährt” sich von seinem Begleiter, indem er einen Strom aus Gas auf sich lenkt. Wenn sich das System weiterentwickelt, stoppt die Materieansammlung, weil der Pulsar schneller zu rotieren beginnt, was Teilchenabströmungen erzeugt, die mit ihrer Strahlung die ihm zugewandte Seite des Begleitsterns aufheizen und erodieren.

Wissenschaftler teilen Spinnensysteme in zwei Typen ein, die nach Spinnenarten benannt sind, deren Weibchen manchmal ihre kleineren Geschlechtspartner fressen. Schwarze-Witwen-Systeme enthalten Begleiter mit weniger als fünf Prozent der Sonnenmasse. Rotrückensysteme besitzen größere Begleiter, sowohl auf die Größe als auch auf die Masse bezogen, und weisen zwischen zehn und 50 Prozent der Sonnenmasse auf.

“Vor Fermi kannten wir nur eine Handvoll Pulsare, die Gammastrahlung emittieren”, sagte Elizabeth Hays, die Fermi-Projektwissenschaftlerin am Goddard Space Flight Center der NASA in Greenbelt (Maryland). Nach einem Jahrzehnt mit Beobachtungen hat die Mission mehr als 300 Exemplare identifiziert und einen umfassenden, fast ununterbrochenen Datensatz gesammelt, der der Gemeinschaft eine bahnbrechende Forschung erlaubt.”

Die Forscher können die Massen von Spinnensystemen berechnen, indem sie ihre Orbitalbewegungen messen. Beobachtungen in sichtbaren Wellenlängen können messen, wie schnell sich der Begleiter bewegt, während Radiomessungen die Geschwindigkeit des Pulsars offenbaren. Allerdings stützen sich diese auf die Bewegung auf uns zu und von uns weg. Für ein fast von oben betrachtetes System sind solche Veränderungen klein und möglicherweise irritierend. Dieselben Signale könnten von einem kleineren, langsamer kreisenden System produziert werden, das man von der Seite betrachtet. Den Neigungswinkel des Systems relativ zu unserer Sichtlinie zu kennen, ist entscheidend für die Messung der Masse.

Der Neigungswinkel wird normalerweise in sichtbaren Wellenlängen gemessen, aber diese Messungen kommen mit einigen möglichen Schwierigkeiten daher. Weil der Begleiter den Pulsar umkreist, gelangt seine superheiße Seite in das Blickfeld und verschwindet wieder, was eine Störung in sichtbaren Wellenlängen verursacht, die von dem Neigungswinkel abhängt. Astronomen lernen jedoch immer noch etwas über die Aufheizungsprozesse, und Modelle mit unterschiedlichen Aufheizungsmustern sagen manchmal verschiedene Pulsarmassen voraus.

Gammastrahlen werden dagegen nur von dem Pulsar erzeugt und haben so viel Energie, dass sie sich in einer geraden Linie fortbewegen und nicht von Trümmern beeinflusst werden, wenn sie nicht durch den Begleiter blockiert werden. Wenn Gammastrahlen aus den Daten eines Spinnensystems verschwinden, können Wissenschaftler daraus ableiten, dass der Begleiter den Pulsar verdeckte. Daraus können sie den Neigungswinkel des Systems relativ zu unserer Sichtlinie berechnen und ebenso die Geschwindigkeiten der Sterne und die Masse des Pulsars.

PSR B1957+20 – oder kurz B1957 – wurde 1988 entdeckt und war der erste bekannte Schwarze-Witwe-Pulsar. Frühere Modelle für dieses System, erstellt anhand Beobachtungen in sichtbaren Wellenlängen, bestimmten den Neigungswinkel relativ zu unserer Sichtlinie auf 65 Grad und die Masse des Pulsars auf 2,4 Sonnenmassen. Das würde B1957 zum schwersten bekannten Pulsar machen und die theoretische Massengrenze zwischen Pulsaren und Schwarzen Löchern überschreiten.

Durch die Betrachtung der Fermi-Daten fanden Clark und sein Team 15 fehlende Gammaphotonen. Das Timing der Gammapulse dieser Objekte ist so abhängig, dass 15 fehlende Photonen im Zeitraum von einem Jahrzehnt signifikant genug sind, so dass das Team sagen konnte, dass das System Bedeckungen erfährt. Sie berechneten dann, dass das System um 84 Grad geneigt ist und dass der Pulsar nur etwa 1,8 Sonnenmassen besitzt.

“Es gibt das Bestreben, massereiche Pulsare zu finden, und man vermutet, dass diese Spinnensysteme eine der besten Möglichkeiten sind, um sie zu finden”, sagte Matthew Kerr, ein Co-Autor der neuen Studie und Physiker am U.S. Naval Research Laboratory in Washington. “Sie haben einen sehr extremen Prozess der Massenübertragung von dem Begleiter auf den Pulsar durchlaufen. Wenn wir diese Modelle erst einmal kalibriert haben, wissen wir mit Sicherheit, ob diese Spinnensysteme massereicher sind als der Rest der Pulsarpopulation.”

Das Fermi Gamma-ray Space Telescope ist eine vom Goddard Space Flight Center geleitete Partnerschaft zwischen Astrophysik und Teilchenphysik. Fermi wurde in Zusammenarbeit mit dem US-Energieministerium entwickelt, mit wichtigen Beiträgen akademischer Institutionen und Partner in Frankreich, Deutschland, Italien, Japan, Schweden und den Vereinigten Staaten.

Quelle

(THK)

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