
Astronomen haben den ersten Beleg für riesige Schwarze Löcher in Zwerggalaxien auf Kollisionskurs gefunden. Dieses Ergebnis des Chandra X-ray Observatory hat wichtige Auswirkungen auf unser Verständnis dessen, wie die erste Welle Schwarzer Löcher und Galaxien im jungen Universum wuchs.
Kollisionen zwischen zwei Zwerggalaxien haben Gas in Richtung der riesigen Schwarzen Löcher in ihnen gezogen und die Schwarzen Löcher wachsen lassen. Letztendlich wird die wahrscheinliche Kollision der Schwarzen Löcher sie miteinander zu einem wesentlich größeren Schwarzen Loch verschmelzen lassen. Die beiden Galaxien werden ebenfalls zu einer verschmelzen.
Wissenschaftler vermuten, dass das Universum einige hundert Millionen Jahre nach dem Urknall mit Zwerggalaxien übersät war. Die meisten verschmolzen mit anderen in dem dichter besiedelten, kleineren Volumen des jungen Universums und lösten die Bildung immer größerer Galaxien aus, die wir jetzt im nahen Universum beobachten.
Zwerggalaxien enthalten per Definition Sterne mit einer Gesamtmasse von weniger als drei Milliarden Sonnenmassen, verglichen mit einer Gesamtmasse von rund 60 Milliarden Sonnenmassen bei der Milchstraßen-Galaxie.
Die jüngsten Zwerggalaxien sind mit aktuellen Technologien unmöglich zu beobachten, weil sie in ihren großen Distanzen außerordentlich schwach sind. Astronomen konnten zwei verschmelzende Zwerggalaxien in viel geringerer Entfernung zur Erde beobachten, aber sie zeigten keine Hinweise auf Schwarze Löcher in ihren Zentren.
„Astronomen haben in großen, relativ nahen Galaxien viele Beispiele für Schwarze Löcher auf Kollisionskurs gefunden“, sagte Marko Micic von der University of Alabama in Tuscaloosa, der Studienleiter. „Aber die Suche nach ihnen in Zwerggalaxien ist viel anspruchsvoller und war bis jetzt erfolglos.“
Die neue Studie überwand diese Hindernisse durch die Implementierung eines systematischen Surveys mit tiefen Chandra-Beobachtungen und Vergleiche mit Infrarotdaten des Wide Infrared Survey Explorer (WISE), sowie mit optischen Daten des Canada-France-Hawaii Telescope (CFHT).
Chandra war für diese Studie besonders wertvoll, weil Material, das Schwarze Löcher umkreist, auf Millionen Grad aufgeheizt werden kann und große Mengen Röntgenstrahlung produziert. Das Team suchte nach Paaren heller Röntgenquellen in kollidierenden Zwerggalaxien als Hinweise auf zwei Schwarze Löcher und fand zwei Beispiele.
„Wir haben die ersten beiden unterschiedlichen Paare aus zwei Schwarzen Löchern in kollidierenden Zwerggalaxien identifiziert“, sagte die Co-Autorin Olivia Holmes, ebenfalls von der University of Alabama in Tuscaloosa. „Mit diesen Systemen als Analoga für jene im jungen Universum können wir Fragen über die ersten Galaxien, ihre Schwarzen Löcher und die durch die Kollisionen ausgelösten Sternentstehungsprozesse angehen.“
Ein Paar liegt im Galaxienhaufen Abell 133 rund 760 Millionen Lichtjahre von der Erde entfernt. Das andere befindet sich im Galaxienhaufen Abell 1758S, der etwa 3,2 Milliarden Lichtjahre entfernt liegt. Beide Paare zeigen Strukturen, die charakteristische Anzeichen für Galaxienkollisionen darstellen.
Das Paar in Abell 133 scheint in den späten Stadien einer Verschmelzung zwischen den beiden Zwerggalaxien zu sein und besitzt einen langen Schweif, der durch Gezeiteneffekte der Kollision entstand. Die Autoren der Studie haben es „Mirabilis“ genannt, nach einer bedrohten Kolibri-Art, die für ihre außergewöhnlich langen Schwänze bekannt ist. Hier wurde nur ein Name gewählt, weil die Verschmelzung der beiden Galaxien zu einer fast abgeschlossen ist.
In Abell 1758S nannten die Forscher die verschmelzenden Zwerggalaxien „Elstir“ und Vinteuil“, nach fiktionalen Künstlern in Marcel Prousts „In Search of Lost Time“. Die Wissenschaftler denken, dass diese beiden Galaxien in den frühen Stadien einer Verschmelzung abgebildet wurden – sie besitzen eine Brücke aus Sternen und Gas, die sie miteinander verbindet.
Die Details verschmelzender Schwarzer Löcher und Zwerggalaxien könnten Einblicke in die Vergangenheit unserer eigenen Milchstraßen-Galaxie geben. Wissenschaftler vermuten, dass alle Galaxien als Zwerggalaxien oder andere Typen kleiner Galaxien begannen und im Laufe von Milliarden Jahren durch Verschmelzungen wuchsen.
„Die meisten Zwerggalaxien und Schwarzen Löcher im jungen Universum sind dank wiederholter Verschmelzungen bis jetzt wahrscheinlich viel größer geworden“, sagte die Co-Autorin Brenna Wells von der University of Alabama in Tuscaloosa. „In mancherlei Hinsicht sind Zwerggalaxien unsere galaktischen Vorfahren, die sich über Milliarden Jahre hinweg entwickelt haben, um größere Galaxien wie unsere Milchstraßen-Galaxie hervorzubringen.“
„Nachfolgebeobachtungen dieser beiden Systeme werden uns ermöglichen Prozesse zu untersuchen, die entscheidend für unser Verständnis von Galaxien und ihren Schwarzen Löchern in ihrer Jugend sind“, sagte der Co-Autor Jimmy Irwin von der University of Alabama in Tuscaloosa.
Video-Link: https://youtu.be/y2aV41CsVMM
Eine Studie, die diese Ergebnisse beschreibt, wird in der neuesten Ausgabe des Astrophysical Journal veröffentlicht. Das Marshall Space Flight Center der NASA betreibt das Chandra-Programm. Das Chandra X-ray Center am Smithsonian Astrophysical Observatory steuert die wissenschaftlichen Operationen von Cambridge (Massachusetts) und die Flugoperationen von Burlington (Massachusetts).
(THK)
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