Astronomen finden eine weit entfernte „Dunkle-Materie-Galaxie“

Im Zentrum dieser Infrarot-Aufnahme liegt eine schwere, rote Galaxie, die als Gravitationslinse agiert (David Lagattuta/W. M. Keck Observatory)
Im Zentrum dieser Infrarot-Aufnahme liegt eine schwere, rote Galaxie, die als Gravitationslinse agiert (David Lagattuta/W. M. Keck Observatory)

Man glaubt, dass sich Galaxien wie unsere eigene Milchstraße über Milliarden Jahre durch das Zusammenkommen vieler kleinerer Galaxien bilden. Als Folge davon erwartet man, dass um die Milchstraße viele kleine Zwerggalaxien verstreut sein sollten. Allerdings wurden nur sehr wenige dieser winzigen übrig gebliebenen Galaxien beobachtet, was Astronomen zu der Schlussfolgerung führte, dass viele dieser Galaxien sehr wenig Sterne enthalten oder fast ausschließlich aus Dunkler Materie bestehen könnten.

In einer am 18. Januar 2011 bekannt gegebenen Entdeckung hat ein Forschungsteam mit Beteiligung eines Postdoktoranden vom MIT eine dunkle Zwerggalaxie gefunden, die zehn Milliarden Lichtjahre von der Erde entfernt liegt. Sie ist erst die zweite Galaxie dieser Art, die jemals außerhalb unserer lokalen Region des Universums beobachtet wurde und sie ist bei weitem die entfernteste.

Die neu entdeckte Zwerggalaxie ist ein Satellit, das bedeutet, sie hängt an dem Randbereich einer größeren Galaxie. „Aus verschiedenen Gründen war sie nicht in der Lage, viele Sterne zu bilden, und deshalb blieb sie dunkel“, sagt Simona Vegetti, eine Pappalardo-Stipendiatin am Department of Physics des MIT und leitende Autorin einer Studie über die Arbeit, die am 18. Januar in der Online-Ausgabe der Nature erschien.

Wissenschaftler theoretisieren über die Existenz von Dunkler Materie, um Beobachtungen zu erklären, die dafür sprechen, dass das Universum weit mehr Masse enthält als gesehen werden kann. Sie glauben, dass Dunkle Materie etwa 25 Prozent des Universums ausmacht. Aber die Teilchen, aus denen Dunkle Materie besteht, absorbieren und emittieren kein Licht, deswegen konnte man sie bislang unmöglich registrieren und identifizieren.

Computersimulationen deuten darauf hin, dass die Milchstraße rund 10.000 Satellitengalaxien besitzen sollte, aber nur 30 wurden beobachtet. „Es könnte sein, dass viele der der Satellitengalaxien aus Dunkler Materie bestehen, wodurch sie schwer zu entdecken sind, oder es könnte ein Problem mit unserer Sichtweise der Entstehung von Galaxien geben“, sagt Vegetti.

Für die neue Studie arbeitete Vegetti mit ihrem früheren Doktorvater Professor Leon Koopmans von der University of Groningen in den Niederlanden, David Lagattuta und Professor Christopher Fassnacht von der University of California in Davis, Matthew Auger von der University of California in Santa Barbara und John McKean vom Institute for Radio Astronomy in den Niederlanden zusammen.

Das Team wandte sich entfernteren Galaxien zu, um nach dunklen Satelliten zu suchen und verwendete die Methode des Gravitationslinseneffektes. Um diese Technik zu benutzen, brauchen die Forscher zwei Galaxien, die aus dem Blickwinkel der Erde aneinander ausgerichtet sind. Die entferntere Galaxie emittiert Lichtstrahlen, die von der näher gelegenen Galaxie (die als Linse agiert) abgelenkt werden. Durch Analyse der Muster der von der Vordergrund-Galaxie abgelenkten Lichtstrahlen können Forscher bestimmen, ob sich Satellitengalaxien in ihrer Umgebung befinden und messen, wie schwer sie sind.

„Es ist wirklich aufregend, dass wir nicht nur eine Methode haben, um Vorhersagen des Kalte-Dunkle-Materie-Modells zu überprüfen, sondern auch eine Entdeckung einer solchen massearmen dunklen Satellitengalaxie gemacht haben, die verglichen mit unserer lokalen Galaxiengruppe hunderte Male weiter entfernt im Universum liegt“, sagt Koopmans.

Die Wissenschaftler benutzten das Keck-II Teleskop auf Hawaii, um ihre Beobachtungen durchzuführen und machten sich ein spezielles Teil der optischen Ausrüstung zunutze, das scharfe Aufnahmen des Himmels liefert. Sie planen, mit derselben Methode nach weiteren Satellitengalaxien in anderen Regionen des Universums zu suchen, was ihnen zufolge helfen könnte Vorhersagen darüber zu bekräftigen oder herauszufordern, wie Dunkle Materie sich verhält.

„Jetzt haben wir einen dunklen Satelliten, aber wir vermuten, dass wir nicht genug von ihnen finden – dann werden wir die Eigenschaften von Dunkler Materie verändern müssen“, sagt Vegetti. „Oder wir könnten so viele Galaxien finden, wie wir in den Simulationen sehen und das wird uns sagen, dass Dunkle Materie die Eigenschaften hat, die wir annehmen.“

Weil die Temperatur die Masse und Anzahl der sich bildenden Satelliten bestimmt, könnte es beispielsweise notwendig sein, die aktuellen Temperaturschätzungen für Dunkle Materie anzupassen, falls die Anzahl der dunklen Satelliten niedriger ist als vorausgesagt.

„Die Existenz dieser massearmen dunklen Galaxie liegt genau in den von uns erwarteten Grenzen, falls das Universum aus Dunkler Materie besteht, die eine kalte Temperatur aufweist. Allerdings werden weitere dunkle Satelliten gefunden werden müssen, um diese Schlussfolgerung zu bestätigen“, sagt Vegetti.

Der Dozent für Astronomie und Astrophysik Andrey Kravtsov sagt, dass die neue Studie ein „sehr wertvoller Beitrag“ zu der laufenden Überprüfung der Vorhersage ist, dass kleine Klumpen Dunkler Materie um die Randbereiche großer Galaxien herum verstreut sein sollten. „Diese Unsicherheiten sind immer noch recht groß, aber bislang stimmt die Häufigkeit solcher Zusammenballungen mit den Erwartungen von Strukturmodellen überein, welche auf dem Kalte-Dunkle-Materie-Szenario basieren“, sagt Kravtsov, der nicht an der Forschungsarbeit beteiligt war.

Quelle: http://web.mit.edu/newsoffice/2012/dark-dwarf-galaxy-0119.html

(THK)

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