Potenzielle NASA-Mission würde die Herzen untoter Sterne enthüllen

Illustration eines Pulsars, der Materie von einem nahen Stern abzieht (NASA)
Illustration eines Pulsars, der Materie von einem nahen Stern abzieht (NASA)

Neutronensterne werden auch die „Zombies des Kosmos“ genannt, weil sie leuchten, obwohl sie technisch gesehen tot sind und sich gelegentlich von einem benachbarten Stern ernähren, wenn er zu nahe kommt.

Sie werden geboren, wenn einem massereichen Stern der Brennstoff ausgeht und er unter seiner eigenen Gravitation kollabiert, wobei er die Materie in seinem Kern zusammenpresst und seine äußeren Schichten in einer Supernova-Explosion absprengt, die heller als eine Milliarde Sonnen sein kann.

Der Kern, durch Gravitation zu unvorstellbarer Dichte komprimiert (ein Teelöffel würde auf der Erde eine Milliarde Tonnen wiegen), lebt als Neutronenstern weiter. Obwohl die Feuer der Kernfusion, welche seinen Vorläuferstern am Leben erhielten, versiegt sind, leuchtet er immer noch. Er tut dies aufgrund der Hitze, die von seiner explosiven Entstehung übrig blieb und aufgrund von Strahlung, die durch sein Magnetfeld erzeugt wird, das extrem verstärkt wurde, als der Kern kollabierte – es kann über eine Billiarde Mal stärker sein als das irdische Magnetfeld.

Obwohl sein Vorläuferstern leicht einen Durchmesser von über 1,6 Millionen Kilometern gehabt haben könnte, ist ein Neutronenstern nur so groß wie eine Stadt. Seine Gravitation macht ihn allerdings zur ultimativen Presse, denn er vereinigt in seinem Volumen eine erstaunliche Menge Materie – mehr als 1,4 Sonnenmassen oder mindestens 460.000 Erden.

„Ein Neutronenstern befindet sich genau an der Grenze, wo Materie existieren kann – wenn er noch dichter wird, dann wird er zu einem Schwarzen Loch“, sagt Dr. Zaven Arzoumanian vom Goddard Space Flight Center der NASA in Greenbelt (Maryland).

Arzoumanian ist stellvertretender wissenschaftlicher Leiter einer vorgeschlagenen Mission namens „Neutron Star Interior Composition Explorer“ (NICER), die das dunkle Herz eines Neutronensterns enthüllen würde. „Wir haben keine Möglichkeit, das Innere eines Neutronensterns auf der Erde herzustellen, deshalb ist es ein Rätsel, was mit Materie unter solch unglaublichem Druck passiert – es gibt viele Theorien darüber, wie sie sich verhält. Mittels Teilchenbeschleunigern, die Atome mit annähernd Lichtgeschwindigkeit kollidieren lassen, kommen wir am nächsten an die Simulation derartiger Bedingungen heran. Diese Kollisionen sind jedoch kein exakter Ersatz – sie dauern nur einen Sekundenbruchteil und sie erzeugen Temperaturen, die viel höher sind als innerhalb von Neutronensternen.“

Wenn die NASA die Konstruktion genehmigt, wird die Mission bis zum Sommer 2016 gestartet werden und per Roboter an der Internationalen Raumstation (ISS) angebracht. Im September 2011 wählte die NASA NICER als eine mögliche Explorer Mission of Opportunity aus. Die Mission wird 250.000 US-Dollar erhalten, um eine elfmonatige Konzeptstudie zur Implementierung durchzuführen. Es wurden fünf Vorschläge für eine Mission of Opportunity aus 20 Einlieferungen ausgewählt. Den detaillierten Studien folgend, plant die NASA im Februar 2013, eine oder mehrere der fünf Vorschläge zur weiteren Entwicklung auszuwählen.

NICERs 56 Teleskope werden Röntgenstrahlen sammeln, die von Hotspots auf der Oberfläche eines Neutronensterns und von seinem starken Magnetfeld erzeugt werden. Auf einem Neutronenstern gibt es zwei Hotspots an gegenüberliegenden Seiten, einen an jedem magnetischen Pol – der Ort, an dem das intensive Magnetfeld des Neutronensterns die Oberfläche durchstößt. Hier regnen Partikel herab, welche in dem Magnetfeld gefangen sind und erzeugen Röntgenstrahlen, wenn sie die Oberfläche treffen. Röntgenstrahlung ist eine energetische Form von Licht, die für das menschliche Auge unsichtbar ist, aber von speziellen Instrumenten registriert werden kann. Wenn der Hotspot in unser Blickfeld rotiert, produziert er einen Lichtpuls, wie der Strahl eines Leuchtturms, was die andere Bezeichnung solcher Sterne erklärt: Pulsar.

Viele Pulsare blinken mehrfach pro Sekunde, weil sie die schnelle Rotation bei ihrer Geburt übernommen haben. Alle Sterne rotieren und wenn der Kern eines Vorläufersterns schrumpft, dreht er sich schneller, wie eine Eiskunstläuferin, die ihre Arme anzieht. Die starke Gravitation eines Neutronensterns kann auch Gas von einem benachbarten Stern abziehen, wenn sie sich zu nah umkreisen. Dieses einfallende Gas kann die Rotation eines Neutronensterns zu noch höheren Geschwindigkeiten beschleunigen; manche rotieren mehrere hundert Mal pro Sekunde.

Der Schlüssel zum Verständnis, wie Materie sich innerhalb eines Neutronensterns verhält, ist es, die korrekte Zustandsgleichung (Equation of State, EOS) zu finden, die am genausten beschreibt, wie Materie auf steigenden Druck reagiert. Zurzeit gibt es viele vorgeschlagene EOS und jede vermutet, dass Materie innerhalb von Neutronensternen zu einem unterschiedlichen Grad komprimiert werden kann. Man stelle sich vor, dass man zwei gleich große Kugeln hält, aber eine besteht aus Schaum und die andere aus Holz. Man kann die Schaumkugel zu einer kleineren Größe zusammendrücken als die Holzkugel. In derselben Weise wird eine EOS, nach der Materie hochgradig kompressibel ist, eine geringere Größe für einen Neutronenstern mit gegebener Masse vorhersagen als eine EOS, nach der Materie weniger kompressibel ist.

Wenn Forscher also die Masse eines Neutronensterns kennen, müssen sie nur noch herausfinden, wie groß er ist, um die korrekte EOS zu bekommen und das Geheimnis zu lüften, was Materie unter extremer Gravitation tut. „Das Problem ist, dass Neutronensterne klein sind und viel zu weit entfernt liegen, um ihre Größen direkt messen zu können“, sagt der leitende Wissenschaftler von NICER, Dr. Keith Gendreau vom Goddard Space Flight Center. NICER wird allerdings die erste Mission sein, die genügend Empfindlichkeit und zeitliche Auflösung besitzt, um die Größe eines Neutronensterns indirekt herauszufinden. Der Schlüssel ist, präzise zu messen, wie sich die Helligkeit der Röntgenstrahlung ändert, während der Neutronenstern rotiert.“

Diese Helligkeitsveränderung mit der Zeit wird als Lichtkurve eines Sterns bezeichnet und sie erscheint als eine gewellte Linie auf einem Diagramm.

Weil Neutronensterne so viel Masse in einem so winzigen Volumen vereinen, erzeugen sie eine starke Gravitation, die den Raum beugt (und die Zeit verzerrt), in Übereinstimmung mit Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie. Diese Krümmung des Raumes ermöglicht Forschern, die Masse eines Neutronensterns zu bestimmen, wenn er einen nahen Begleiter hat, entweder einen anderen Neutronenstern oder einen Weißen Zwerg – ein weniger dichtes Objekt, welches der Kernüberrest eines weniger schweren Sterns ist. Neutronensterne mit diesen Begleitern kommen recht häufig vor.

Künstlerische Darstellung des NICER-Instruments an Bord der Internationalen Raumstation ISS (NASA)
Künstlerische Darstellung des NICER-Instruments an Bord der Internationalen Raumstation ISS (NASA)

Die Raumkrümmung produziert Effekte wie eine orbitale Verschiebung, Präzession genannt, welche die Umlaufbahn wie einen Hula-Hoop-Reifen um einen Tänzer kreisen lässt. Außerdem erzeugen sie Kräuselungen im Raum, Gravitationswellen genannt, wenn sich der Neutronenstern und sein Begleiter gegenseitig umkreisen. Diese Wellen tragen Orbitalenergie fort, wodurch sich der Neutronenstern und sein Begleiter langsam aufeinander zu bewegen und ihr Orbit schrumpft. NICER wird diese Effekte über die Zeit messen und je größer diese Effekte sind, desto mehr Masse besitzt der Neutronenstern.

Der gekrümmte Raum wird das NICER-Team auch die Größe eines Neutronensterns herausfinden lassen. Angenommen, wir haben einen Neutronenstern, der so ausgerichtet ist, dass wir nur einen Hotspot sehen können, denjenigen auf der uns zugewandten Seite. Wenn er in unser Blickfeld rotiert, steigt die Helligkeit an, bis der Hotspot direkt auf uns zeigt. Danach fällt die Helligkeit ab, während er aus dem Blickfeld rotiert.

Diese Ausrichtung macht die Helligkeit des Sterns hochgradig veränderlich – er ist sehr hell, wenn der Hotspot auf uns zeigt und sehr schwach, wenn der Hotspot außer Sichtweite auf der abgewandten Seite ist. Die drastische Helligkeitsveränderung erzeugt eine Lichtkurve mit großen Wellen und tiefen Tälern, wenn der Stern schwach leuchtet.

Licht muss jedoch den Konturen des Raumes folgen, gekrümmter Raum beugt Licht. Der verzerrte Raum um einen Neutronenstern beugt das Licht so stark, dass man Teile der abgewandten Seite sehen kann, inklusive den anderen Hotspot. Wenn der zweite Hotspot zumindest zeitweise in Sicht kommt, ist der Stern öfter hell, weswegen die Helligkeit sich nicht so stark verändert. Dadurch erscheint die Lichtkurve sanfter, mit kleineren Wellen.

Wenn eine Frau mit Stilettos auf einem Trampolin geht, wird sie die Oberfläche mehr dehnen als mit Schneeschuhen. Nach demselben Prinzip wird ein Neutronenstern Raum und Zeit mehr verbiegen, je kompakter er ist. Das wird uns erlauben, die abgewandten Hotspot öfter zu sehen, was die Röntgenhelligkeit weniger veränderlich macht und der Stern wird eine sanftere Lichtkurve produzieren.

Das Team verfügt über Modelle, die einzigartige Lichtkurven für die verschiedenen Größen erzeugen, welche von den unterschiedlichen EOS vorhergesagt werden. Indem sie die Lichtkurve wählen, die am besten mit der beobachteten Lichtkurve übereinstimmt, werden sie die korrekte EOS finden und das Rätsel der Materie an der Grenze zur Vergessenheit lösen.

Quelle: http://www.nasa.gov/topics/universe/features/nicer-science.html

(THK)

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