Eine rätselhafte hochenergetische Gammaquelle im Sternbild Schwan

Ein Teleskop des VERITAS (Very Energetic Radiation Imaging Telescope Array System) Gammastrahlen-Observatoriums mit dem Sternbild Leo (Löwe) im Hintergrund. (P.K. Chen)
Ein Teleskop des VERITAS (Very Energetic Radiation Imaging Telescope Array System) Gammastrahlen-Observatoriums mit dem Sternbild Leo (Löwe) im Hintergrund. (P.K. Chen)

Gammastrahlen sind die energiereichste bekannte Form von elektromagnetischer Strahlung, wobei jeder Gammastrahl mindestens 100.000 Mal energiereicher ist als ein Photon des sichtbaren Lichts. Die stärksten Gammastrahlen, die sogenannten hochenergetischen Gammastrahlen (very high energy, VHE), enthalten ein Milliardenfaches dieser Energiemenge oder sogar noch mehr. Astronomen denken, dass hochenergetische Gammastrahlen in der Umgebung der Winde oder Jets von kompakten, ultradichten Überresten erzeugt werden, die massereiche Sterne bei Supernova-Explosionen zurücklassen.

Es gibt zwei Arten kompakter Objekte, die in Supernovae entstehen: Schwarze Löcher und Neutronensterne. Letztere bestehen hauptsächlich aus Neutronen und besitzen Dichten, die äquivalent zur Sonnenmasse in einem Kugelvolumen mit einem Radius von zehn Kilometern sind. Die Winde oder Jets aus den Umgebungen solcher Objekte (dazu gehören auch Pulsare), können geladene Teilchen fast bis auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigen. Wenn Licht von diesen energiereichen Teilchen gestreut wird, wird es ebenfalls angeregt und wandelt sich manchmal in hochenergetische Gammastrahlen um. Das ist jedenfalls die gängigste aktuelle Theorie.

Eine der ersten bekannten, hochenergetischen Gammaquellen wurde vor 15 Jahren in Richtung des Sternbildes Cygnus (Schwan) entdeckt. Sie war ungewöhnlich, weil sie kein bekanntes Pendant hat. Im Gegensatz dazu besitzen die meisten anderen hochenergetischen Gammaquellen Pendants, die in optischen Wellenlängen, Radiowellenlängen oder in anderen Wellenlängenbereichen beobachtet werden können. Ohne weitere verfügbare Informationen, war ihre genaue Natur jedoch rätselhaft.

Kürzlich wurde ein Pulsar in der allgemeinen Umgebung entdeckt, was neues Interesse an der Quelle erweckte. Die Astronomen Wystan Benbow, Matteo Cerruti, Pascal Fortin, Nicola Galante, Emmet Thomas und Trevor Weekes vom Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics (CfA) und ein großes Team gingen das Rätsel an, indem sie das VERITAS-Gammastrahlen-Teleskop des Fred L. Whipple Observatory in Arizona nutzten. Sie führten umfassende und empfindliche Beobachtungen der hochenergetischen Gammaquelle im Sternbild Schwan durch und waren erstmals in der Lage, deren Position einzugrenzen und zu bestimmen, dass die Emission nicht punktartig ist, sondern eine etwas längliche und asymmetrische Form besitzt. Die Astronomen schlussfolgern aus mehreren Gründen, dass der neu entdeckte Pulsar wahrscheinlich nicht der Ursprung der hochenergetischen Gammastrahlen ist.

Bemerkenswerterweise enthüllen Bilder in anderen Wellenlängen auch mit der eingegrenzten Position keine Punktquellen. Auf den Infrarotaufnahmen kann die Region jedoch durch die Tatsache charakterisiert werden, dass sie keine Emissionen von Staub aufweist und daher dunkel erscheint, während ihre Umgebung Emissionen von kaltem Staub zeigt. Die dunkle Region hat fast die gleiche Form wie die Gammaregion, was die Quelle sogar noch rätselhafter macht als bisher. Wenn das Objekt ein schwacher Pulsar wäre, dessen Wind hochenergetische Gammastrahlen produziert, dann könnte es in manchen Szenarien auch den ganzen lokal vorhandenen Staub weggeblasen und einen Leerraum wie jenen erzeugt haben, den man im Infrarotbereich sieht. Um dieses erstaunliche Objekt zu verstehen, sind noch weitere Untersuchungen notwendig. Aber mit ihren Ergebnissen hinsichtlich der Empfindlichkeit und der räumlichen Auflösung repräsentiert die aktuelle Arbeit einen wichtigen Fortschritt auf dem Gebiet der Gammastrahlen-Astronomie.

Abhandlung: „Observations of the Unidentified Gamma-Ray Source TeV J2032+4130 BY VERITAS“ von E. Aliu et al., ApJ, 783, 16, 2014.

Quelle: http://www.cfa.harvard.edu/news/su201409

(THK)

Werbung

Ersten Kommentar schreiben

Antworten

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.


*